Zum Hauptinhalt springen

Der Kampf gegen die Kunstfreiheit

Warum der rechte Extremismus immer rabiater gegen seinen „natürlichen Feind“ vorgeht, die freie Kunst.

Vernunft & Ekstase ist ein userfinanzierter Blog. Sollten Sie der Meinung sein, dass die Texte dieser Art Unterstützung verdienen, dann können sie die Arbeit des Autors mit einem kleinen monatlichen Beitrag über diesen Button unterstützen:

Und wenn Sie die Beiträge in Social Media oder ihren Freundesnetzwerken teilen, freut es mich natürlich besonders.

Wenn Sie den Blog abonnieren, erhalten Sie jeden Post in ihr E-Mail-Postfach.

Der Autoritarismus nimmt sich, meist eher früher als später, auch die freie, gesellschaftskritische Kulturszene vor. Diese will er lahmlegen, aushungern, deren Protagonisten ins innere Exil treiben oder am besten gleich ins Ausland. Denn die freie Kulturszene schafft, dort wo sie erfolgreich wirksam ist, eine gesellschaftliche Atmosphäre der Widerständigkeit, und ganz generell sind die Werte von Liberalität, Diversität, die Offenheit und die Unkontrollierbarkeit, die in den Kulturmilieus verbreitet sind, den „Werten“ rechter Extremisten, von Populisten, ja von Autoritären jeder Art diametral entgegengesetzt.

Also sofern in diesem Zusammenhang von „Werten“ gesprochen werden kann, weshalb man sie eher mit Gänsefüßchen versieht und mit spitzen Fingern anfasst.

Die FPÖ fordert jetzt etwa schon in ihrem Wahlprogramm die Abschaffung des „woken“ Kulturevents „Eurovisions Song Contest“. Ja, lachen sie nicht: Selbst der Song-Contest, an sich eher eine harmlose Mainstream-Show, ist ihnen ein Dorn im Auge.

Die slowakische Tragödie

Ungarn ist in den vergangenen Jahren Vorreiter gewesen. Kritische Künstler können in Ungarn faktisch nicht mehr ökonomisch überleben, viele sind in den letzten Jahren ins Ausland gegangen, einige nach Österreich, die Mehrzahl nach Deutschland. Dort haben sie, sofern ihre Kunst im Medium Wort operiert, natürlich kein leichtes Leben.

In unseren Nachbarländern geht ein eiserner Vorhang des Autoritären nieder. Kaum 45 Autominuten östlich von Wien, in Bratislava, wird unser Nachbarland Slowakei gerade in rasender Geschwindigkeit im „orbanistischen“ Stil umgebaut. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk wurde zerschlagen, zentrale Kunstinstitutionen wie etwa das Slowakische Nationaltheater werden im Handstreich ihrer Leitung entledigt. Allen voran ist die nationalistische Kulturministerin eine Protagonistin dieser Anschläge auf die Freiheit. Die slowakische Regierung wird von der nationalistisch-populistischen SMER-Partei von Robert Fico geführt, der seit rund einem Jahr in einer Koalition mit rechtsextremen „Slowakischen Nationalpartei“ regiert. Das ist quasi eine kaum camouflierte Pseudo-Nazi-Partei und stellt die zuständigen Regierungsmitglieder. Gegen regierungskritische Künstler wird rigoros vorgegangen. Nachdem Michal Hvorecký, einer der fantastischten Autoren und Romanciers des Landes, die Kulturministerin Martina Šimkovičová eine „Neo-Faschistin“ nannte, hat sie ihn wegen „Verleumdung“ geklagt, ein Delikt, auf das in der Slowakei bis zu fünf Jahre Haft stehen. Das Geschehen in der Slowakei sei eine „absolute Katastrophe“, sagt Hvorecký. „Die SNS ist nicht bloß eine nationalistische Partei, sie vertritt eine völkische Ideologie, steht für Verschwörungsmythen und Verständnis für Putin.“ Übrigens: Als Romanautor hat Hvorecký die autoritären Gefahren früh erspürt, etwa in seinem vielgefeierten Buch „Trol“, einer Dystopie darüber, wie Trollarmeen im Internet ganze Gesellschaften vergiften. Premier Robert Fico beschimpfte ihn als „Unruhestifter und Krawallmacher“.

Giorgia Meloni – die radikale Kulturkämpferin

Besonders bemerkenswert ist die rabiate rechte Kulturpolitik von Giorgia Meloni in Italien, gerade auch deswegen, weil sie sich in europapolitischen Fragen oder auch in der internationalen Sicherheitspolitik „moderat“ gibt und das Image der „vernünftigen Post-Faschistin“ zu pflegen versucht. In der Kulturpolitik wird aber knallhart ideologisch umgefärbt. Direktorinnen und Direktoren renommierter Kulturinstitutionen wie der Uffizien in Florenz oder der Filmhochschule wurden, wenn immer das ging, rausgeschmissen und durch inkompetente Parteisoldaten Melonis ersetzt. Die Leitung der Kunstbiennale von Venedig - mit früheren faschistischen Parteigängern besetzt. Die Liste ist endlos.

Dabei ging es um Ideologie – und natürlich auch darum, Posten für verdiente Speichellecker der Regierung frei zu bekommen.

„Ich hatte ein Vorurteil“, urteilte der italienische Filmregisseur Nanni Moretti, „jetzt ist das Urteil schlimmer als das Vorurteil“.

Vergangene Woche war Italien das „Gastland“ der Frankfurter Buchmesse. Regierungskritische Autoren wurden aber für die Präsentation Italiens gar nicht mitgenommen, wie etwa Starautor Roberto Saviano. Der wurde, quasi in einem subversiven Akt, dann vom Berliner PEN-Zentrum eingeladen, um als Kontrapunkt zur nationalistischen Weihestunde aufzutreten. So etwas ist man bisher eher von Ländern wie China oder der Türkei gewohnt.

Um die „Dauerpräsenz von Linksintellektuellen“ zu bekämpfen hat man sogar scheinbar neutrale Regeln eingeführt: Etwa eine Altersgrenze, um sich Intendanten mit laufenden Verträgen entledigen zu können, wenn sie das neue Zwangspensionierungs-Alter schon überschritten haben. Dass man das mit der „Bekämpfung der Gender-Ideologie“ ganz offen begründet, nimmt der Sache ihren neutralen Anstrich sowieso gleich.

Die Einschüchterungskampagnen der AfD

Wie man auch ohne Regierungsbeteiligung die Kunst und Kultur mit Einschüchterungskampagnen überziehen kann, macht die militant rechtsextreme deutsche „Alternative für Deutschland“ (AfD) nun schon seit Jahren vor. Sie trommelt gegen Kunstinstitutionen, bringt in Parlamenten dauernd parlamentarische Anfragen ein, delegitimiert die Künstler als Propagandisten eines „links-grünen Establishments“, stellt sie an den Pranger, und spekuliert darauf, dass ihre Propaganda etwa auch konservative Kulturpolitiker zum Einknicken bringt, damit diese den Druck auf die Künstler weitergeben – und „gefälligere“ Kunst einfordern. In ostdeutschen Städten gelingt das immer häufiger. Der Kunstkritiker Peter Laudenbach hat in seinem Buch „Volkstheater“ dokumentiert, wie körperliche und verbale Angriffe oft dazu führen, dass die Theater, Künstler, Ausstellungsmacher sich selbst schon einen Maulkorb verpassen und sich anpassen. Die AfD geht mit einem ganzen Instrumentenkasten gegen die Kunstfreiheit vor. Dabei hat sie vor allem das „Neutralitätsgebot“ ausgewählt, das für staatliche Institutionen gilt. Sie meint, dass auch explizit politische Aussagen oder gesellschaftskritische Tendenzen in der Gegenwartskunst gegen das „Neutralitätsgebot“ verstoßen, insbesondere dann, wenn es sich um staatsnahe Institutionen wie Landestheater handelt oder um staatlich geförderte Aufführungen oder um Inszenierungen, die auch von Schülergruppen besucht werden. Die AfD bringt gerichtliche Klagen gegen die Theater ein, was gerade die finanziell prekären Institutionen einschüchtert.

Kampf gegen die Kultur – seit Jörg Haiders Zeiten

In Österreich hat auch die FPÖ eine große Geschichte im Kampf gegen Avantgarde und avancierte Kunst. Schon in den neunziger Jahren ließ sie unter Jörg Haider großflächig plakatieren: „Lieben Sie Scholten, Jelinek, Häupl, Peymann, Pasterk... – oder Kunst und Kultur? – Freiheit der Kunst statt sozialistischer Staatskünstler.“ In allen bisherigen FPÖ-Regierungsbeteiligungen – sowohl in Bund oder auch in den Ländern – stellte aber nicht sie, sondern die ÖVP den Kulturminister oder -Landesräte. Ganz spektakuläre Anschläge auf die Kunstfreiheit, wie etwa in Italien oder der Slowakei, blieben bisher aus. Bis dato beschränkte sich das rechts-konservative Rollback auf den öffentlich ausgetragenen Kulturkampf und auf den subtilen Druck, den eher kleine Kunstinitiativen ausgesetzt sind. Im Zuge der regelmäßigen Subventionsverhandlungen und Einreichungen können kleine Kunstvereine auf Linie gebracht werden – oder ökonomisch ruiniert, ohne dass das für große Schlagzeilen sorgt. Kunstuniversitäten werden neue Leitungen verpasst, die dann den Geist der Freiheit aus den Gemäuern vertreiben sollen. Gerade wenn im Bund schwarz-blau regiert und man überdies einer rechten Landesregierung ausgesetzt ist, ist man eher schnell in einem Zustand der Erpressbarkeit.

Im Kunstfeld werden die ideologischen Kämpfe ausgetragen. Der rechte Extremismus will eine konventionelle Traditionskunst, die Pflege nationaler Mythen, keine Dekonstruktion fragwürdiger Gepflogenheiten und eine volkstümliche Gefälligkeit, weshalb ihm nicht nur politische Gegner ein Dorn im Auge sind, sondern auch stilistische Neuerer. Die avantgardistische und widerständige Kunst dagegen etabliert neue Sichtweisen, versucht oft, unterdrückte Geschichten öffentlich zu machen und bisher Ungehörten eine Stimme zu geben und ganz generell eine wurlende Vielfalt zu abzubilden. Sie lebt zudem vom Experimentellen und damit auch von der Versuchung, gelegentlich „zu weit“ zu gehen, zu provozieren. Wenn sie in all dem erfolgreich ist und wenn sie sogar einen Zeitgeist auf ihrer Seite hat – wie in der Reformära der 1960er Jahre –, dann schafft sie gesellschaftliche Atmosphären, die der Freiheit günstig und dem Autoritären und Konformistischen ungünstig sind. Umgekehrt hat der rechte Extremismus, spätestens dann, wenn er in Regierungsämter einzieht, die Instrumente der Macht und die eiserne Faust der Institutionen auf seiner Seite, die Kunst dagegen nichts als das Wort, den Mut und manchmal den Irrwitz freier Geister. Deshalb stehen nicht „Rechts gegen Links“ sondern die Macht gegen die Freiheit.

Insofern sind die Kunst und der rechte Autoritarismus „natürliche Feinde“.

0 Kommentare

Möchtest du den ersten Kommentar schreiben?
Werde Mitglied von Vernunft und Ekstase und starte die Unterhaltung.
Mitglied werden