Zum Hauptinhalt springen

P wie Position (1/11)

Herzlich willkommen zur ersten Folge des Workshop-Newsletters zum Buch "Anleitung zum Unkreativsein". Heute geht es darum, wo Sie sich befinden - P wie Position

Ein Wort: Position

Wie wäre es, wenn wir die Suche nach kreativen Lösungen nicht als Ideensuche definieren, sondern vielmehr die Frage stellen: Findet mich die Idee? Diese Frage ich habe mir von Peter Fischli und David Weiss (Öffnet in neuem Fenster) geliehen, die fragten: Findet mich das Glück? (Öffnet in neuem Fenster)

Wer so fragt, muss sich vor allem der eigenen POSITION bewusst werden. Um gefunden zu werden, sollte man auffindbar sein. Wo stehe ich? Wie bin ich erreichbar? Wie mache ich mich für das Glück in Form der kreativen Idee findbar?

Auf diese Weise über Kreativität und neue Ideen nachzudenken, verändert den Blick und befreit von dem Druck, Einfälle als das Ergebnis eigener Anstrengung zu sehen. Ich glaube: Kreativität ist keine Leistungsschau, sondern die Offenheit, sich finden zu lassen. Probieren Sie es mal aus!

*******************************************************************************

Eine Übung: Schlechter verstecken

Wer gut gefunden werden will, muss sich möglichst schlecht verstecken. Während ich Sie bitte, diesen Satz nochmal zu lesen, können Sie hier auf die sehr lustige Rubrik "Schlechte Verstecke" (Öffnet in neuem Fenster) des Künstlers Matthias Schamp klicken, die Anfang der 2000er Jahre in der Titanic gedruckt wurde. Ein schlechtes Versteck erkennt man vor allem daran, dass man aus einer anderen Position das Geheimnis löst. Und genau so funktioniert meiner Meinung nach Kreativität: aus einer anderen Position das Geheimnis lösen.

Wenn Sie das üben wollen, empfehle ich Ihnen die Lektüre dieser "Anatomie einer Trennung" (Öffnet in neuem Fenster) genannten #langstrecke-Reportage aus dem Magazin NZZ-Folio. Die Autorin Barbara Klingbacher erzählt darin die Geschichte einer Scheidung - aus zwölf Perspektiven. Nach der Lektüre haben Sie verstanden, was ich meine, wenn ich sage: Um Lösungen zu finden, muss man die eigene Position kennen und verändern können.

Das ist übrigens wichtiger als der häufig in Kreativitäts-Ratgebern empfohlene Spaziergang. Klar, die Bewegung, die frische Luft... kennen Sie alles. Aber wenn Sie einen Spaziergang tatsächlich kreativ im Sinne meines Buches nutzen wollen, dann lassen Sie sich mal von Emiliy Delaney inspirieren. Sie hat hier einen Text aus der Position des Spaziergangs geschrieben: I'm a short afternoon walk and you are putting too much preasure on me (Öffnet in neuem Fenster). Sehr kreativ!

*******************************************************************************

Eine Frage: Ich hatte nach dem besten Tipp fürs Unkreativsein gefragt. Im Buch (Öffnet in neuem Fenster) habe ich darauf Antworten von vielen kreativen Menschen versammelt - wie Susi Bumms, Christoph Niemann, Rafael Horzon und der Violinisten Julia Fischer. Als ich die Frage zum Start des Newsletters stellte, bekam ich viele inspirierende Antworten. Einige davon will ich hier teilen. Mit der Bitte: Schicken Sie mir Ihre Fragen! Gibt es ein kreatives Projekt, das Sie bedrückt? Stehen Sie vor einer Herausforderung, zu der Sie eine Frage stellen wollen? Stellen Sie diese! Ich werde mich bemühen, sie hier anonymisiert zu beantworten.

Was ist der beste Tipp zum Unkreativsein?

Anita antwortet: Ein Mindset, das lähmend wirkt, alles verlangsamt und "die Welt" grau in grau erscheinen lässt. Ich nenne es "Corona-Stimmung": Mischung aus Trauer wg. mangelnder physischer Kontakte + Gefühl der Hilflosigkeit, weil ein Virus faktisch "die Welt beherrscht" + Zweifel an der Fähigkeit der (nicht nur verantwortlichen) Menschen, mit dieser Situation konstruktiv umzugehen (was immer das im Einzelnen bedeuten könnte) + erodierendes Vertrauen in die Sinnhaftigkeit des eigenen Tuns. Diese Stimmung nimmt einen solch breiten Raum ein, dass sie "alles andere" förmlich erstickt.

Jannis schreibt: Was wirklich sehr hilft, ist wenn man ganz klar die Verantwortungen verteilt hat. Jeder hat seinen Bereich und ist dafür zuständig. So kommt nicht plötzlich jemand um die Ecke, und stellt die eigene Arbeitsweise in Frage oder wirft eingespielte Prozesse um. Schließlich hat man ja Fachleute, die seit Jahrzehnten nichts anderes machen. Am besten zementiert man diese Struktur durch Kostenstellen und Profit Center. So sieht jeder Bereich ganz klar, was ihm etwas bringt - und eine mögliche Zusammenarbeit mit anderen Bereichen muss sich erstmal rechnen oder ausgeglichen werden. Damit steht das Unternehmen sicher da. Sollten doch Menschen immer wieder mit neuen Ideen ankommen gründet man dafür am besten eine eigene Abteilung. Für Innovation oder neue Medien. Da können sie dann Neues ausprobieren, aber gefährden das große Ganze nicht.

Michaela antwortet: Noch 20 Minuten bis zum nächsten Termin, was tun in der Zeit? Ah ja, eine neue Idee ist gefragt, ich weiß auch nicht warum man neue Ideen braucht, das erledige ich halt jetzt schnell in dem Timeslot.

Also sage ich mir: Sei kreativ.

Damit das gelingt, setze ich mich mit Stift und Papier ordentlich an meinen Schreibtisch, optional vor meinen Laptop.

Sei kreativ.

Hm, schon 10 Minuten vergangen, das Blatt ist leer.

Das ist der Beweis, wie sinnlos Kreativität und neue Ideen sind, es ist alles nur Leere.

Noch ein Versuch, ich bin ja gutmütig. Also: Ich bin kreativ, jetzt, los!

Fast 20 Minuten vorbei, jetzt aber schnell zum Termin, wer braucht schon was Kreatives, wenn wir es erfolgreich 100 Jahre und mehr immer gleich gemacht haben.

*******************************************************************************

Ein Wort, eine Übung, eine Frage - drei Gedanken zum Thema Kreativität erscheint jeden Montag. Wenn Sie nicht bis zur nächsten Folge warten wollen: Die Anleitung zum Unkreativsein (Öffnet in neuem Fenster) ist jetzt im Handel. 

Wenn Sie eine Frage haben: Schreiben Sie mir!