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Folge 15

Etwas Altes: Die verdreckte Welle

Auf Twitter fragte man sich heute mal wieder, wie die Balance zwischen Unrecht nicht einfach unkommentiert lassen und unfreiwilligem Unterstützen von Hetze zu finden ist. Ich weiß nicht den einzigen, den wahren Weg, aber es gibt schon ein paar Empfehlungen: 

  • Sachen, die offensichtlich nur publiziert wurden, um Klicks zu erzeugen, weil sie in Teasern bewusst auf falsche Fährten führen oder schon im Ansatz skandalisieren, statt zu informieren: nicht klicken, nicht explizit kommentieren, totschweigen. Gilt auch für Werbekampagnen, egal, ob für Romane oder Säfte, die den Aufruhr schon als kostenloses Werbemittel miteingeplant haben. Man sollte sich zu schade sein, Steigbügelhalter*in für reaktionäre Horroclowns zu sein. 

  • Wer das Gefühl hat, etwas schreiben zu müssen, um nicht zu platzen: 

1. idealerweise nur im Chat

2. ansonsten ohne Namen, ohne naheliegende Begriffe, nur umschreibend. So erzeugt man keinen Traffic, aber diejenigen, die ebenfalls schon aufgeregt sind, erkennen, worum es geht. Persönlich mache ich aber gar nicht mehr mit, man gewöhnt sich tatsächlich in ein paar Wochen um.

  • Spr...r-Zeugs grundsätzlich so behandeln, als würde es nicht existieren. Keine Ausnahmen machen, wenn man eine nette Person kennt, die da arbeitet. Keine Ausnahmen machen, wenn da mal ein guter Artikel erscheint. Keine Ausnahmen machen. »Das ist Verhetzung, Lüge, Dreck.« Heinrich Böll hat bereits 1972 alles dazu gesagt.

  • Wenn man bei Inhalten im Netz Sorge hat, dass andere Menschen bewusst und auf gefährliche Weise desinformiert werden, weist man am besten Leute, die professionell zu dem Thema arbeiten, in Direktnachricht oder Mail darauf hin, meldet ggf. auch bei Plattformbetreibenden und erstattet Anzeige bei der Polizei. 

  • Bei allem, was nicht Katzenbilder und Gartenvideos sind: Impulskontrolle auf Maximum stellen, nicht emotional hochfahren und nach 0,3 sec politische und virologische Analysen ins Netz blasten. Wem soll das helfen? Lieber ein Eis essen. 

– Wenn man nicht mehr in die verdreckten Wellen taucht, wird es eine Weile lang spürbar langweiliger im Netz, man fühlt sich auch ziemlich allein. Richtig ist eben oft nicht funky. Aber emotional geht es dann bald wieder, leider verliert man dauerhaft ein bisschen die Freude an Social Media allgemein. Vielleicht ändert sich das wieder, wenn auf den Plattformen häufiger Menschen auftauchen, die keine Scheiße in den Haaren und zwischen den Zähnen haben. Freuen wir uns schon mal darauf.

Social-Media-Strategie: Andere sein lassen, verdreckte Welle seinlassen.

Wer sich gerade dringend vor einer Arbeit drücken möchte, kann mal auf Twitter die Hashtags #EndClickbait, #TwitterEntrümpeln, #UmsehenLernen nachlesen.

 

Etwas Neues: Ein Aufruf 

Bitte mailt mir ein digitalisiertes Foto von eurem oder/und einen kurzen beschreibenden Text zu eurem Jugendzimmer, also eurem Zimmer im Alter von etwa 13 bis 17 Jahren. Wenn ihr oft umdekoriert habt, nehmt die stärkste Erinnerung oder schreibt mehrere Texte. Ziel ist, dass sich andere vorstellen können, wie es aussah und sich angefühlt hat. Wenn ihr kein eigenes Zimmer hattet, beschreibt den gemeinsamen Raum und wo ihr geschlafen, gearbeitet und ob und wie ihr euch ein bisschen zurückziehen konntet. Schreibt so viel wie nötig, aber nicht mehr. Bitte das Jahr, euer damaliges Alter, Ort und Land dazuschreiben, Namen werden nur auf Wunsch mitveröffentlicht. Wenn ihr könnt, fragt auch gern ältere Verwandte. 

Es wird wieder ein versioniertes E-Book, man kann also fortlaufend etwas einreichen. Den Autor*innenanteil werde ich an ein Jugendhilfsprojekt spenden, ihr könnt gern Vorschläge machen. Wer mitwirkt, bekommt das E-Book und dessen Updates gratis und darf es auch verschenken.

info@frohmannverlag.de
Betreff: Mein Jugendzimmer
Wenn ihr etwas dazu posten wollt: #MeinJugendzimmer

Etwas Geborgtes: Ein Zitat  

»That was all magic was, really, in the end. Possibilities.«
– N. K. Jemisin, The Broken Kingdoms (Öffnet in neuem Fenster)

Etwas Uncooles: Überidentifikation

Kennt ihr das? Ihr habt ein neues Interesse, eine neue Beziehung oder einen neuen Job und verwandelt euch instant in eine Art Markenbotschafter*in? Mir geht das fast immer so, ich neige derart zu Überidentifikation, dass ich es selbst lustig finde. Aktuelles Beispiel: Tennis. 

Ich spiele erst seit drei Wochen im Verein, hatte gerade mal drei Trainingsstunden, aber kenne schon jedes Tenniskleid auf dem Weltmarkt, habe vermutlich mindestens zehn Menschen aus nicht reichem Hause dazu gebracht, in bodenständige Tennisclubs einzutreten und googelte gestern goldene Tennisschläger-Kettenanhänger. Spoiler: Eigentlich finde ich das gar nicht uncool, sondern toll. Seien wir alle nur froh, dass ich mit meiner Überidentifikation nicht rechts bin.

Rubrikloses

Heute seht ihr historische Fotos aus dem jeans club (2000). Dieser war mein Privatclub für Berliner Künstler*innen in den Räumen eines ehemaligen Schönheitsstudios am Frankfurter Tor – nicht weil Exklusivität toll ist, sondern weil die Räumlichkeiten so winzig waren, dass es anders nicht gegangen wäre. Es gab den jeans club nur ein paar Monate lang, wie das halt damals so war. Wasserschaden? Okay, mache ich halt im Gebäude schräg gegenüber weiter, aber jetzt als Galerie ... 

Der Mitgliedsausweis 

Das Logo (Design von Ursula Steinhoff und mir), in Ministeck umgesetzt von Norbert Bayer (Öffnet in neuem Fenster)

Mit Dixon in der BZ

Die vom Jeans Team kuratierte Vitrine

Learning beim Durchsehen alter Fotos: Veranstalten hat mich schon immer gekillt, entseelt, entseelter, entseeltest. Deshalb werde ich das zukünftig nur noch machen, wenn ich irgendwo andocken kann. 

Guerlica

Zurück zur unsachlichen Aufmerksamkeit, zu den aufmerksamen Unsachlichen. Wir sehen uns nächste Woche wieder. Seid lieb, nur nicht zu Nazis.

Wer mag und kann, gern New Frohmanntic als zahlendes Mitglied (Öffnet in neuem Fenster) mit persönlich passender Beitragshöhe unterstützen. Oder mir über Paypal-Me (Öffnet in neuem Fenster) ein Milligramm goldenen Tennisschlägers spendieren. Bitte kauft und lest auch Bücher aus dem Frohmann Verlag (Öffnet in neuem Fenster). Lieben Tag! Dankeschön.

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