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Über das NDR-Klima, den Charles-Besuch und Künstliche Intelligenz

Der Übermedien-Newsletter von Stefan Niggemeier.

Liebe Übonnentin, lieber Übonnent,

davon war wirklich nicht auszugehen, als NDR-Intendant Joachim Knuth vor einem halben Jahr bei einem 79-jährigen Theologen eine Analyse des „Klimas“ in der Anstalt in Auftrag gab (Öffnet in neuem Fenster): dass dessen Abschlussbericht dann mit dem Wort „süffig“ gut zu beschreiben wäre.

Seit vergangenen Mittwoch liegt der 99-seitige „Klimabericht“ vor (Öffnet in neuem Fenster), und bei den internen Diskussionen danach fragten manche besorgt, ob der nicht vielleicht zu süffig geworden ist, vor allem wegen der vielen wörtlichen Zitate von (anonymisierten) Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die in drastischen Worten zahlreiche Missstände im Haus beschrieben. Hätte man das nicht lieber abstrakter machen sollen?

Stephan Reimers, der von Knuth beauftragte Theologe und Manager, verteidigte die Methode: Die Zuspitzung durch die Zitate mache den Bericht lesenswert, interessant und pointiert, und: „Der soll ja auch was bewegen.“

Es ist ein wirklich bemerkenswertes Dokument, das er gemeinsam mit mehreren Organisationsberaterinnen und -beratern erarbeitet hat. Es schildert schonungslos, was im NDR nach Ansicht der NDR-Mitarbeiter im Argen liegt. Diese Schonungslosigkeit macht die Lektüre einerseits für die Betroffenen und die Verantwortlichen so schmerzhaft, ist andererseits aber auch ein Grund zur Hoffnung: So unmöglich es nach dem Lesen erscheinen mag, den Laden zu reformieren, so undenkbar ist es auch, den Bericht in irgendeiner Schublade verschwinden zu lassen und zur Tagesordnung überzugehen.

Zu der Schonungslosigkeit gehört auch, dass der NDR den Bericht nicht nur intern, sondern auch extern veröffentlicht hat (Öffnet in neuem Fenster). So kann jeder nachlesen, was das Team um Reimers in Gesprächen mit 1055 NDR-Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern in 620 Gruppen- und Einzelterminen erfahren hat. Es gab keinen Fragenkatalog. Die Experten machten sich Notizen und veröffentlichten Zitate in ihrem Bericht, wenn eine Aussage sinngemäß häufig genug vorkam, um anzunehmen, „dass es sich um kein Einzelphänomen handelt“. Vor allem angesichts dieser Qualifizierung lesen sich viele der Zitate erschütternd.

Ein zentrales Problem scheint die Führungskultur im Haus zu sein. „So wird man Führungskraft im NDR: Man muss ins System passen, braucht Vitamin B und muss seine nächsthöhere Führungskraft kennen“, lautete ein Zitat. Ein anderes: „Unsere Führungskräfte klonen sich permanent selbst. Da entsteht nicht mehr viel Neues.“ Und: „Wer einmal Chef ist, bleibt es für immer. Sehr ungesund. Keiner will seinen Status aufgeben, egal, ob Leistung oder Kompetenz noch zur Stelle passen.“

Der Bericht fasst das Problem so zusammen: „Viele Führungskräfte des NDR sind mit der Wucht der Veränderungen überfordert und häufig nicht in der Lage, die Wandlungsprozesse wirksam zu managen. Es gibt zahlreiche Mitarbeitende, die zwar mit ihrer Führungskraft zufrieden sind, und auch Abteilungen, die effizient zusammenarbeiten. Das wird jedoch nicht als Ergebnis einer guten Führungskultur gewertet, sondern als Folge des persönlichen Einsatzes und der Kompetenz der jeweiligen Führungskraft. Es gibt gute Führung nicht wegen der Strukturen beim NDR, sondern erstaunlicherweise trotzdem.“

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