Reaktionen: Der Hass der AfD
Am 30.11 postete Fabian Keubel, laut seinem Profil Mitglied der Jungen Alternativen Sachsen und der AfD, folgendes Posting mit einem Foto des Wachbataillons mit dem Text:
„Ich will ja niemandem zu nahe treten, aber glaubt tatsächlich irgendjemand, dass diese Truppe im Kriegsfall heldenmutig Deutschland verteidigt?“
Später legte er nach, postete diesen Beitrag noch einmal und ergänzte nach den Kommentaren solche Bonmots wie „Westextreme“, „linke Clowns“, „NAFOS“, „Kriegstreiberei“ und „Mimikri von einer Armee“.
Herr Keubel heißt eigentlich Fabian Küble und ist Beisitzender des Bundesvorstandes der Jungen Alternativen. Warum ein Politiker auf Social Media einen geänderten Namen verwendet, sei dahingestellt.
Herr Küble ist gebürtiger Schwabe und 2016 nach Sachsen gezogen. Im „freilich“ Magazin wurde er anlässlich der Wahl 2022 als „vielseitig interessierter Patriot“ beschrieben.
Am 15.01.2019 gab das Bundesamt für Verfassungsschutz bekannt, die AfD als Prüffall einzustufen. Dagegen hat die AfD versucht juristisch vorzugehen.
Am 15.07.2024 beschloss das Verwaltungsgericht Dresden, die Anträge abzulehnen. (Az.: 6 L 20/24)
In der Begründung wird auch Herr Küble erwähnt, seine Postings wurden vom Land Sachsen als Gegenbeweis angeführt.
Als Reaktion auf das Posting habe ich am darauffolgenden Tag eine Antwort veröffentlicht. Die Reaktionen auf der Facebook Fanpage (Öffnet in neuem Fenster) waren positiv, da ich die Antwortfunktion dort von vorn herein einschränke. Auf dem X-Account (Öffnet in neuem Fenster) habe ich das nicht getan.
Die Antwort habe ich ebenso auf der Steady Seite veröffentlicht und per Mail an alle Mitglieder und Abonnenten per Mail geschickt. (Beitrag hier… (Öffnet in neuem Fenster))
Das Posting wurde auf X über 320.000 Mal ausgespielt und erhielt bei 1400 Reposts knapp 500 Kommentare.
An dieser Stelle bedanke ich mich für den überwältigenden Zuspruch auf allen Kanälen. Mein besonderer Dank gilt den vielen Kameraden, vor allem jenen aus Ostdeutschland und mit Migrationshintergrund. Denn es war sicher kein Zufall, dass Herr Küble ausgerechnet ein Bild des Wachbataillons gewählt hat, auf dem zwei Frauen zu sehen sind. Eine davon schwarz.
Bei der Kameradin entschuldige ich mich an dieser Stelle.
Zum ersten lag es mir fern, sie zu instrumentalisieren. Es macht mich wütend, überhaupt auf Geschlecht oder Hautfarbe eingehen zu müssen. Doch den Stein ins Rollen gebracht hat Herr Küble und viele Kommentatoren. Für mich und viele andere zählt schlicht eins: Die deutsche Uniform und der Dienst für unser gemeinsames Land.
Zum zweiten, weil ich sie zum Hauptgefreiten gemacht habe. Das war aber in Auflösung und Winkel wirklich schwer zu erkennen. Weshalb ich extra ein anderes Bild gesucht habe. (Titelbild) Sie ist Stabsgefreiter.
Ich habe einige der Reaktionen gesammelt. Die ich hier wiedergeben möchte.
Ich setze mich damit nicht über Gebühr auseinander. Ich möchte für weniger Netzaffine dokumentieren, was los ist, wenn man jemandem von der AfD widerspricht.
Ich verzichte auf die Wiedergabe von einfallslosen Beleidigungen oder zu häufigen Wiederholungen. Aussortiert habe ich auch alle Postings, die zu sehr nach einer automatisierten Antwort eines Bots aussahen.
Ein Sorry an die blinden Leserinnen und Leser, aber weder mache ich mir die Arbeit, den Scheiß noch in Alternativtexte zu tippen, noch möchte ich, dass Suchmaschinen meine Seiten mit solchen Dingen verbinden.
Es ist lediglich ein Ausschnitt. Und ich habe es dramaturgisch gesteigert, das Beste kommt zum Schluss.
Die Kommentare
Beginnen wir mit dem Harmlosesten: Viele AfD Wählern scheinen längere Texte nicht zu mögen.
Das Kürzel TLDR bedeutet übrigens „too long; didn't read“ (zu lang; nicht gelesen) und wird „tl;dr“ geschrieben. Es stammt aus dem nerdigen Mittelalter des Internetz vor Net 2.0, bevor Menschen ohne viele Kenntnisse Dinge veröffentlichen konnten.
Deutsche Patrioten verwenden Anglizismen, eigentlich auch lustig.
Überraschend oft kam auch die offenbar beliebte Phrase „Halbe Bibel, ganzer hs“. „HS“ oder „h…“ steht dabei für „Hurensohn“.
Obwohl ich in der Antwort geschrieben hatte, dass ich kein „Boomer“ bin – Herr Küble hatte mit dem Code auf seinem Account vielen geantwortet – kam es doch überraschend häufig.
Allerdings bin ich mir noch unsicher, was „homoschwul“ ist. Außer ein Pleonasmus.
Fast überflüssig zu erwähnen, welche Reaktionen mein Outing als Mitglied der Grünen hervorrief.
Inhalte? Null.
Wobei das Narrativ der Kriegstreiber natürlich nicht fehlen darf.
Man geht bei anderen gerne davon aus, dass sie die gleichen Motive besitzen, wie man selber. Projektionsfehler, Halo-Effekt, Attributionsfehler, es gibt da einiges…
Was mich aber tatsächlich überrascht hat war, wie wenig Ahnung viele der selbsternannten Patrioten offenbar vom deutschen Militär haben.
Einer wusste beispielsweise nicht, dass alle Soldatinnen und Soldaten der Kampfeinheiten eine infanteristische Grundausbildung absolvieren. In meiner Einheit noch zwei mal drei Monate, danach war man Infanterist und wurde vom Rekruten zum Gefreiten.
Ein anderer gab vor nicht zu wissen, was ein Kampfpanzerbataillon (KPzBtl) ist. Aber das ist eh nur „BRD-Grütze“, da die in der DDR anders genannt wurden. Vielleicht ist er auch etwas zu jung, da sie in der aktuellen Heeresstruktur nur noch Panzerbataillon heißen, da sie durch die Abrüstung mit den Schützenpanzerbataillonen (SPzBtl) verbunden wurden.
Ich gebe zu, ich habe tatsächlich einen sehr abwechslungsreichen Werdegang hinter mir. Wenn man nur in unteren Dienstgraden in einer Heeres-Einheit gehockt hat, ist es natürlich möglich, dass man das nicht kennt.
LARP ist übrigens ein live-action role player. Beispielsweise die Leute, die Wikinger oder Mittelalter nachstellen. Was übrigens recht faszinierend ist, denn die haben zumeist echt Ahnung und sind eng mit der Wissenschaft verbunden, nur mal so als Tipp.
Naheliegend wie ermüdend, mir die Dienstzeit abzusprechen.
Dabei hätte man nur auf das Profil klicken müssen, wo man mich vor einem Leo sieht und zumindest im Dienstgrad eines Obermaaten.
Da sieht man übrigens auch meinen Namen, Joey Hoffmann. Ich heiße nämlich gar nicht ungemeve.
Lustig finde ich immer wieder, wenn Kommentatoren auf dicke Hose machen, aber glauben, „Nachrichtendienst“ („Aufklärung“, „Spionage“, S2) habe etwas mit Fernmeldern oder Schreibstube zu tun.
Aber ich muss einräumen, ich habe in dem Kontext noch nie von „Nachrichtentechnik“ gehört. Sind das die Fernmelder? Oder die Optroniker? Satellitentechniker? Abhörspezialisten?
Das Eingemachte
Viel bemerkenswerter und auch erschreckender ist, wie offen die Bundesrepublik und das westliche Wertesystem abgelehnt werden.
Meine Großväter haben gedient, übrigens für verfeindete Staaten, mein Vater hat gedient, der langjährige Freund meiner Mutter hat lange gedient… doch doch, irgendwie bin ich so sozialisiert worden, dass der Dienst am Vaterland etwas ziemlich normales ist.
Man kann lange diskutieren, was Stolz bedeutet und ob man stolz sein kann, darf oder soll, weil man zufällig in dem einen oder anderen Land geboren wurde. Viel entscheidender ist, dass diese Menschen das Volk, das heute übrigens Bevölkerung heißt, von der BRD trennen. Da wird aus Volk völkisch.
Hat man sonst wenig, worauf man Stolz sein kann, liegt die Herkunft natürlich nahe.
Klappt’s nicht mit der Erektion,
ist man stolz auf die Nation.
Oder wie Schopenhauer schon 1851 schrieb: „Die wohlfeilste Art des Stolzes hingegen ist der Nationalstolz. Denn er verrät in dem damit Behafteten den Mangel an individuellen Eigenschaften, auf die er stolz sein könnte, indem er sonst nicht zu dem greifen würde, was er mit so vielen Millionen teilt.“
Faszinierend auch immer aufs Neue die Anlehnung an das Kaiserreich. Zucht und Ordnung.
Die Erkenntnis wäre sicher schmerzhaft, dass die über 20% arbeitslose Wähler der AfD (letzte Bundestagswahl), Rentner und Trolle unterm Kaiser sicher auch nicht Garde-Material gewesen wären. Und da es damals schön nach Abstammung und Titeln ging, wenn überhaupt doch eher als Kanonenfutter.
Das verlorene Vaterland. Oder vielleicht doch eher das Vaterland, das man gerne hätte, das es aber nie war oder nur in einem kurzen Zeitfenster zur Propaganda herbeigeredet wurde.
Kann mal jemand Marie aus den 1970ern abholen und ihr sagen, dass Frauen sich heute nicht mehr darauf berufen, wenn ihre Brüder beim Bund waren, sondern höchstens, wenn sie selber gedient haben? Is so ein Emanzipationsding. Die fliegen sogar Jets, fahren auf U-Booten, springen aus Bombern und machen den Einzelkämpfer.
Ich hoffe, die überraschend große Schnittmenge von AfD-Wählern, Klimakaspern und Querdullies wird auch mal wissenschaftlich beleuchtet. Die sich jetzt natürlich alle angesprochen und beleidigt fühlen, während…
Insgesamt durfte das Opfer-Narrativ nicht zu kurz kommen, die flaschensammelnden Rentner.
Die Pseudoironie ist stark in ihnen.
Man kann auch wunderbar erkennen, was dabei herauskommt, wenn Medien, Politiker und Ex-Generäle erzählen, was alles fehlt, ohne zu erklären, in welchem Kontext das steht. Es wird weit mehr darüber gesprochen, was die Bundeswehr nicht kann oder hat, als über das, was sie jetzt gerade leistet. Unter anderem die Abfangjäger und Luftsicherung gegen Russland.
Die Drohung
Ich bin noch unsicher, was mich an dieser Antwort mehr beschäftigt.
Die Unfähigkeit von Patrioten „dass“ zu schreiben.
Zu glauben, was ich äußere, sei „menschenverachtend“.
Oder zu glauben, irgendwelche Trolle würden sich auf den langen Weg tief in den Westen machen (wo die Sonne verstaubt), um mich zu stellen. Denn diejenigen, die vielleicht gefährlich sein könnten, kündigen das ja nicht noch offen an. Und für die bin ich viel zu unwichtig und ein viel zu sperriges Ziel. Die stehen eher vor einer Politikerin der Grünen oder richten einen Regierungspräsidenten der CDU in seinem Garten hin.
Oder die Vorstellung, eine solche Drohung würde irgendetwas ändern.
Ich wurde schon mehrfach bedroht, wird alles dokumentiert und wo es sinnvoll ist, zur Anzeige gebracht.
Der Rassismus
Rhetorisch geschickt: In einem kurzen Satz mich herabsetzen, Frauen zum Objekt erklären und gleich noch etwas Rassismus obendrauf.
Kann jemand denen vielleicht das mit Herkunft und Staatsbürgerschaft nochmal erklären?
Ist neu jetzt. Glaub seit etwa 1945. Damit scheinen einige noch Probleme zu haben.
Und mein absolutes Highlight:
Aussagen, die aus der Rassenlehre der Nazis stammen.
Ihr habt den Krieg verlor’n!
Und das, liebe Leserinnen und Leser, sind lediglich erwähnenswerte Ausschnitte aus dem, was einem entgegenschlägt, wenn man öffentlich einen AfD-Politiker aus Sachsen kritisiert. Ohne Beleidigungen. Nachdem er selber die gesamte Bundeswehr diffamiert hat.
Und auch nur innerhalb eines Tages. Da ich die Kommentarfunktion eingeschränkt habe, weil ich keinen Bock mehr hatte auszublenden und zu blockieren.
Das sind die Repräsentanten jener, die argumentieren, sie hätten lediglich Sorgen und Ängste, man müsse mit den Menschen sprechen und sie ernst nehmen. Rassismus, Ablehnung des Staates, des westlichen Wertesystems und ein völkisches Selbstverständnis.
Unfassbar komisch fand ich, dass ich Herr Küble geantwortet hatte, dass er vermutlich eine politische Karriere beendet hat, bevor sie begonnen hat. Da Populisten Menschen wie Ihn, die der Partei schaden können, schneller fallen lassen, als eine heiße Kartoffel. Er würde es sicher bald verstehen, schrieb ich.
Am nächsten Morgen kam die Meldung, dass der Vorstand der AfD plane, sich möglichst noch vor der Bundestagswahl von der JA zu trennen. Ich habe bei der Schlagzeile kurz aber schallend gelacht.