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Wie Naomi Ōsaka Sport und Medien verändern könnte

Die 15. Ausgabe vom TROPS-Newsletter

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„Wie fühlt sich das an?“ – „Warum hat es heute nicht geklappt?“ – „Wie blicken Sie auf das nächste Spiel?“ 

Sicher hast du auch schon einmal gesehen, wie Journalist:innen diese Fragen direkt nach einem Wettkampf an die Sportler:innen richten. Ich selbst war übrigens nach Fußballspielen schon einige Male in der sogenannten Mixed Zone und habe diese Fragen gefragt. 

Bei Bayern München lief das dann zum Beispiel so ab: Nach dem Schlusspfiff stand ich mit 30-40 anderen Journalist:innen in dem Bereich zwischen der Kabine und dem Bus der Mannschaft. Jeder Spieler musste also an uns, ausgestattet mit  Kameras, Mikros und Notizblöcken, vorbei. Manche Spieler hatten nie Lust, mit Journalist:innen zu sprechen und drückten sich schnell vorbei zum Bus. Andere Spieler wie Thomas Müller und Manuel Neuer nahmen sich entspannt Zeit und beantworteten Fragen – zum Spiel, zu ihrer Zukunft oder zum Trainer. Sobald ein Spieler bei den Journalist:innen „anhielt“, pressten sich direkt alle an die Absperrung und hielten dem Spieler das Mikro vors Gesicht.

Das war eine besondere Atmosphäre, nur: gezwungen wurde keiner der Spieler. Das ist beim Tennis anders. Bei den French Open, einem sehr wichtigen Turnier, ist die Pressekonferenz nach dem Spiel verpflichtend.

Die beste Tennisspielerin der Welt, Naomi Ōsaka, ist dazu nicht mehr bereit und boykottiert die Pressekonferenzen. Der Grund: Die Journalist:innen würden keine Rücksicht auf die psychische Gesundheit der Sportler:innen nehmen.

Ich finde das Thema sehr wichtig und außerdem haben mich mehrere TROPS-Leser:innen darauf hingewiesen. Es geht in der 15. Ausgabe also nur um Naomi Ōsaka – und damit auch um die Rolle der Medien, psychische Gesundheit und Tennis. 🎾

1. Wer ist Naomi Ōsaka?

  • Naomi Ōsaka (Foto: Instagram (Öffnet in neuem Fenster)) ist 23 Jahre alt und die derzeit beste Tennisspielerin der Welt. Sie kommt aus Japan, lebt aber schon seit ihrer Kindheit in den USA.

  • Sie konnte bereits die wichtigen Turniere Australian Open und US Open gewinnen. 2020 war sie die Sportlerin, die weltweit am meisten Geld verdient hat.

  • Ōsaka setzt sich immer wieder gegen Rassismus und Polizeigewalt ein. Im Sommer 2020 trug sie bei den US Open Masken mit den Namen der Opfer von Polizeigewalt, z.B. George Floyd und Breonna Taylor.

  • Im August kündigte sie außerdem an, aus Protest auf das Halbfinale der US Open zu verzichten. Schließlich wurde es verlegt. Ein Auszug aus ihrem Statement (Öffnet in neuem Fenster):

„Noch bevor ich eine Athletin bin, bin ich eine schwarze Frau. Und als eine schwarze Frau habe ich das Gefühl, dass es wichtigere Themen gibt, die sofortige Aufmerksamkeit brauchen, anstatt mich Tennisspielen zu sehen.“

2. Was ist passiert?

  • Vor dem Start der French Open kündigte Ōsaka auf Twitter (Öffnet in neuem Fenster) an, nicht an den verpflichtenden Pressekonferenzen teilzunehmen. Tatsächlich kam sie nach dem Sieg in der Ersten Runde nicht dazu.

https://twitter.com/naomiosaka/status/1397665030015959040 (Öffnet in neuem Fenster)
  • Die Veranstalter des Turniers belegten sie daher mit einer Geldstrafe von 15.000 Euro und drohten damit, sie vom Turnier auszuschließen. 

  • Ōsaka entschied dann selbst, sich vom Turnier zurückzuziehen. In einem Statement auf Instagram (Öffnet in neuem Fenster) machte sie öffentlich, an Depressionen zu leiden. 

„... I am not a natural public speaker and get huge waves of anxiety before I speak to the world's media. [...] So here in Paris I was already feeling vulnerable and anxious so I thought it was better to exercise self-care and skip the press conferences.“

  • Ōsaka bekam danach von vielen Menschen große Unterstützung, auch wichtige Sponsoren äußerten ihren Support.

  • In der Medien- und Sportblase gibt es seitdem viele Diskussionen zum Verhältnis zwischen Journalist:innen und Sportler:innen sowie zum Umgang mit psychischen Krankheiten.

3. Depressionen im Leistungssport

  • Seit Ōsakas Statement wurde viel über Depressionen und Mental Health im Leistungssport diskutiert. Warum die Tennisspielerin hier wirklich etwas verändern könnte, erklärt zum Beispiel Sean Gregory hier für TIME (Öffnet in neuem Fenster):

"Through the size of her platform, however, and her decision to choose well-being over pursuit of a Grand Slam title, Osaka offers the promise of bringing mental health awareness – both inside and outside of sports – to an entirely new level."

➡️ Ich finde, es ist hierbei wichtig, im Kopf zu behalten: Ōsaka hat sich getraut, damit an die Öffentlichkeit zu gehen und sehr viel Unterstützung bekommen. Sie ist allerdings auch in einer besonderen Position – als beste Tennisspielerin der Welt und ohne finanzielle Sorgen. Dass eine Spielerin von Platz 64 der Weltrangliste auch die Macht hätte, dafür zu sorgen, dass sich das gesamte System in Frage stellt, ist unwahrscheinlich. Aber jetzt scheint das möglich und andere Spielerinnen haben es nach Ōsaka hoffentlich leichter.

4. Die Rolle der Journalist:innen

  • Wie bereits geschrieben haben sich nach dem Rückzug von Osaka viele Journalist:innen mit ihrer eigenen Arbeit auseinandergesetzt. 

  • Zwei Artikel will ich dir empfehlen. Der erste ist von Jonathan Liew und ist im Guardian (Öffnet in neuem Fenster) erschienen. Er zeigt, dass die Pressekonferenzen teils problematisch sind.

"Meanwhile the young athlete, often still caught up in the emotions of victory or defeat, is expected to answer the most intimate questions in the least intimate setting, in front of an array of strangers and backed by a piece of sponsored cardboard."

  • Johannes Kopp setzt sich in der taz (Öffnet in neuem Fenster) ebenfalls kritisch mit dem Sportjournalismus auseinander. Er sagt aber auch, dass Forderungen anderer Sportler, man müsse junge Sportler:innen nur unterstützen, nicht wirklich zutreffend seien.

„Wenn Jour­na­lis­t:in­nen anfangen, ihre Aufgabe darin zu sehen, unterstützend für Sport­le­r:in­nen tätig zu sein, ist es nicht weit zur Enttäuschung und zum Druck, wenn all diese Unterstützung nichts geholfen hat.“

Der TROPS-Tipp 🎥

Weil Ōsaka ja eigentlich wegen ihres überragenden Tennisspiels bekannt geworden ist, empfehle ich dir hier einen kurzen Einblick in ihr Können.

Das Video zeigt ihre besten Punkte von den US Open im letzten Sommer.

https://www.youtube.com/watch?v=C8Ie_JhWS6A&t=20s (Öffnet in neuem Fenster)

 

Das Video der Ausgabe 📺

Wegen Osakas Boykott der Pressekonferenzen wurde das folgende Video wieder oft geteilt. Es zeigt den American-Football-Spieler Marshawn Lynch bei einer Pressekonferenz 2015. 

Einfach kurz angucken: „I'm just here so I won't get fined.“

https://www.youtube.com/watch?v=G1kvwXsZtU8 (Öffnet in neuem Fenster)

Ich hoffe natürlich, nie selbst in einer Pressekonferenz zu sitzen, bei der der Sportler so antwortet. Oder vielleicht ist es gerade dann auch mal interessant? Das war auf jeden Fall die Ausgabe 15 von TROPS! Schön, dass du dabei bist!

Kennst du noch Leute, für die der Newsletter spannend wäre? Dann kannst du ihn gerne weiterleiten.

Und wenn du einen spannenden Artikel, einen spannenden Film oder ein spannendes Buch gefunden haben solltest, der für alle Abonnent:innen spannend sein könnte, dann schreib mir gerne! Danke!

Übrigens: Am Freitag beginnt die Fußball-EM! ✌️

Bis in zwei Wochen, dann gibt es die Ausgabe Nummer 16!

Herzlichen Gruß  
dein Laurenz