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#51 #Klimaklagen #Erneuerbare Energien #Biodiversität
Fünf Klima-Trends, die Hoffnung machen
Gute Nachrichten sind selten in der Klimakrise. Aber es gibt sie. Wir haben fünf positive Entwicklungen herausgesucht, auf die wir unbedingt anstoßen sollten. ~ 7 Minuten Lesezeit
Mit guten Nachrichten in der Klimakrise ist es so eine Sache. Wenn man ehrlich ist, steht es um unseren Planeten nämlich ziemlich beschissen. Außerdem gibt es immer noch viel zu viele Menschen, die ihre Augen vor der Realität verschließen und sich denken: Wird schon alles gut, irgendwie.
Da hilft es auch nicht, wenn irgendein Wissensressort den Anstieg der Moorhuhn-Population in Südschottland blind als Erfolg abfeiert, während überall auf der Welt unzählige Arten vom Aussterben bedroht sind.
Und dennoch: Der ganze Doom macht uns weder glücklich noch produktiv. Im schlimmsten Fall erschlagen uns all die Untergangs-Meldungen, bis wir apathisch auf der Couch liegen und die Welt erst recht nicht mehr retten können. Wir brauchen Lichtblicke, wir brauchen konstruktive Berichte und Geschichten von Lösungen, die uns zeigen, wohin es gehen kann. Und glücklicherweise können wir sagen: Es gibt sie. Und zwar gar nicht mal so wenige.
Heute blicken wir auf das, was wirklich hervorragend läuft, dank denen, die nicht weggucken und unablässig für eine klimagerechte Welt kämpfen. Wir würden sagen, wir haben sie uns verdient: diese fünf guten Nachrichten fürs Klima.
1. Zahlreiche Tierarten kämpfen sich zurück
Wir befinden uns ziemlich zweifellos im sechsten großen Massenaussterben der Erdgeschichte. Und diese Tatsache ist (auch für uns) häufig ziemlich belastend. Umso mehr wollen wir feiern, wenn es wirklich mal kleine gute Nachrichten in diesem Bereich gibt, die über südschottische Moorhühner hinausgehen.
Ein Bericht von Rewilding Europe zeigt: In den letzten Jahrzehnten haben sich 50 Tierarten, von denen einige in den 60er- und 70er-Jahren fast ausgestorben waren, entscheidend erholen können. Darunter Grauwölfe um den Faktor 19, Kegelrobben (x 63), Biber (x 167) sowie Bisons, Elche und Braunbären.
Das heißt natürlich keineswegs, dass wir nicht in einer tiefen Biodiversitäts-Krise stecken. Trotzdem ist die Entwicklung ein besonderer Hoffnungsschimmer – vor allem weil viele Schlüsselarten ein Comeback feiern, also solche, die für die Artenvielfalt insgesamt von hoher Bedeutung sind.
Eine aktuelle Studie des UNEP (das Umweltprogramm der Vereinten Nationen) zeigt nochmal mit aller Deutlichkeit warum: Die Forschenden fanden heraus, dass die Wiederansiedlung von nur 20 großen Säugetierarten dazu führen könnte, dass sich weltweit viele Ökosysteme im großen Stil wieder erholen. Unter diesen 20 Arten: Wölfe, Bären, Biber und Bisons. Durch sie könnten sich Ökosysteme quasi „von oben“ erholen – besonders die Bestände verschiedener Pflanzenarten und Aasfresser.
💌 Ausgabe #15 (Öffnet in neuem Fenster): Biodiversität – das Erbe der Evolution steht auf dem Spiel
2. Klagen für Klimagerechtigkeit
Würden die Staaten dieser Welt umsetzen, was sie zusagen – zum Beispiel im Pariser Abkommen oder in nationalen Klimaschutzgesetzen – dann wären so einige unserer Probleme gelöst. Leider folgen den ambitionierten Zielsetzungen viel zu selten nennenswerte Ergebnisse. Die gute Nachricht: Es gibt einen ziemlich wirksamen Hebel gegen diese Tatenlosigkeit, der bereits kräftig genutzt wird.
Seit gut 30 Jahren wurden laut dem Grantham Institute (Öffnet in neuem Fenster) der London School of Economics global insgesamt über 2.000 Klimaklagen eingereicht. Ein großer Teil davon, nämlich ein Viertel der Klagen, entfiel dabei auf die Jahre nach 2020. Das zeigt: Aktivist*innen, NGOs und Bürger*innen nutzen den rechtlichen Hebel immer häufiger, strategischer und auf unterschiedlichste Weise.
Das bekannteste Beispiel ist wohl das Urteil des Bundesverfassungsgericht, das im April 2021 das Klimaschutzgesetz für verfassungswidrig erklärte, weil es die Freiheitsrechte kommender Generationen verletze.
Klima-Klagen richten sich aber nicht nur gegen Regierungen, sondern auch gegen Konzerne. Da ist zum Beispiel die erfolgreiche Klage der niederländischen NGO Milieudefensie gegen Shell: 2021 verdonnerte das Gericht in Den Haag den Konzern dazu, seine Emissionen bis 2030 um 45 Prozent im Vergleich zu 2019 zu senken.
Oder der Prozess des peruanischen Bauers gegen RWE am OLG Hamm, in dem gerade die Beweisaufnahme läuft und noch im Sommer ein Gutachten der Sachverständigen erwartet wird. Oder die Klage von vier indonesischen Inselbewohner*innen gegen den Schweizer Zementriesen Holcim.
Die Carbon Majors (Öffnet in neuem Fenster) (fossile Firmen wie RWE und Holcim, die am meisten CO₂ verursachen) bekommen von Justitia mächtig eins auf den Deckel. Das untermauert auch nochmal ein neues Paper des Grantham Institutes (Öffnet in neuem Fenster) von Ende Mai. Demnach führen Klima-Prozesse bei den angeklagten Unternehmen zu deutlichen Wertverlusten. Im Fall gegen RWE kam es zu einem vorrübergehenden Kursverlust um bis zu sechs Prozent. Wenn das mal keine guten Nachrichten sind!
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Das hat ziemlich sicher auch Auswirkungen auf das Verhalten relevanter Akteur*innen: Regierungen und Investor*innen können diese Ergebnisse nicht einfach so ignorieren.
Oft ist es gar nicht so wichtig, ob die Klagen tatsächlich gewonnen werden. Meistens haben sie nämlich auch eine strategische Dimension, sie zielen also über den Einzelfall hinaus auf die Änderung gesetzlicher Vorschriften und auf die Weiterentwicklung des Rechts. Deshalb sind auch die gesellschaftlichen Debatten und Medienberichte darüber so wichtig. So wird die Sicht auf die Klimakrise, auf Fragen der Verantwortung, auf Strafen und Gerechtigkeit neu verhandelt.
💌 Ausgabe #50: Carbon Majors: Die wahren Klima-Verbrecher (Öffnet in neuem Fenster)
3. Weniger neue Kohlekraftwerke als angenommen
Ja, neue Kohlekraftwerke können eigentlich keine guten Nachrichten sein. Deswegen diese Entwicklung auch bitte nur mit Vorsicht genießen: Eine neue Studie, die im Journal Environmental Research Letters erschien, liefert neue Zahlen zu geplanten Kohlekraftwerken.
Das Ergebnis (Öffnet in neuem Fenster): Statt von den befürchteten 476 Gigawatt (aus einer Schätzung des Global Energy Monitor) gehen die befragten Expert*innen „nur noch“ von 170 bis 270 Gigawatt neuer Kohleenergie aus. Die meisten Kohlekraftwerke werden demnach wohl in Bangladesch und der Mongolei gecancelt, am wenigsten in China.
Eine aktuelle Nachricht mit großem Sekt-Potenzial könnte zudem aus Indien kommen. Laut einer Meldung (Öffnet in neuem Fenster) der Nachrichtenagentur Reuters wurde ein neuer Strategieentwurf zur Stromversorgung geleakt. Demnach will das mittlerweile bevölkerungsreichste Land der Erde bald gar keine neuen Kohlekraftwerke mehr bauen (außer die, bei denen schon mit dem Bau begonnen wurde). Der Entwurf muss allerdings noch von Premierminister Modi und dem Kabinett abgestimmt werden.
4. Ein Hoch auf die Klimaforschung
Was auch gefeiert werden muss: Die Klimawissenschaften werden immer besser. Eine Entwicklung möchten wir hier besonders hervorheben, nämlich die Attributionsforschung.
Dank diesem relativ jungen Forschungsgebiet können Wissenschaftler*innen mittlerweile ein einzelnes Extremwetter-Ereignis untersuchen und herausfinden, wie sehr die Klimakrise dabei die Finger im Spiel hatte.
💌 Ausgabe #10: Attributionsforschung: Ist das noch Wetter oder schon Klima? (Öffnet in neuem Fenster)
Das Faszinierende: Die Forschenden kommen dank ihrer „rapid attribution studies“ extrem schnell zu ihren Ergebnissen. Kurz nach der extremen Hitze im Mittelmeerraum im April zum Beispiel lieferte die World Weather Attribution eine Blitzanalyse – mit folgendem Ergebnis: Die menschgemachte Erderhitzung hat dieses Ereignis mindestens 100-mal wahrscheinlicher gemacht, die Hitze wäre ohne Klimawandel also „fast unmöglich“ gewesen.
Diese Entwicklung in der Klimaforschung ist nicht nur deshalb ermutigend, weil wir ein immer besseres Bild davon bekommen, wie sich die Klimakrise auswirkt – und wir so hoffentlich auch besser gegensteuern werden. Die Attributionsforschung findet auch ganz konkrete Anwendung im Recht… und da wären wir wieder bei den Klima-Klagen.
Vor Gericht muss nämlich oft nachgewiesen werden, inwieweit angeklagte Konzerne nicht nur zur Erderhitzung beitragen, sondern auch zu einem ganz konkreten Ereignis. In der Klage gegen Holcim ist das zum Beispiel der Meeresspiegelanstieg an der indonesischen Insel Pari. Im RWE-Fall gibt der Kläger dem Konzern eine Mitschuld am erhöhten Flutrisiko in seinem Dorf Huaraz – auch das muss vor Gericht bewiesen werden können.
Hierbei kann die Attributionsforschung eine wichtige Rolle spielen. Und tatsächlich haben Forscher*innen vor zwei Jahren schon eine Attributionsstudie veröffentlicht, die zeigt: Das erhöhte Flutrisiko in Huaraz ist tatsächlich auf die menschengemachte Erderhitzung zurückzuführen, an der RWE mit seinen Unmengen an kumuliertem CO₂-Ausstoß nachgewiesenermaßen eine große Mitschuld trägt.
5. Erneuerbare Energien zum Schwimmen und Kleben
Wer uns schon etwas länger liest, hat vielleicht schon zwischen (oder in) den Zeilen mitbekommen, dass wir alles andere als Fans von technologischen Luftschlössern sind, die irgendwann in Zukunft, vielleicht, super teuer und extrem risikoreich CO₂ aus der Luft filtern. Was man jedoch auf keinen Fall vernachlässigen sollte, sind die Fortschritte in echter Klima-Technologie.
Zum Beispiel konnten Windräder kosteneffizient bisher nur in flachen Küstengewässern aufgestellt werden. In 30 bis maximal 60 Metern Tiefe müssen Windräder bisher mit einem Stahl-Fundament am Meeresboden befestigt werden. Das ist übrigens einer der Gründe, warum Deutschland mit 1.500 Offshore-Windrädern auf Platz zwei in Europa liegt, hinter Großbritannien – die flachen, deutschen Küstengewässer sind bestens für Windenergie vom Meer geeignet.
Schlechtere Karten haben da zum Beispiel Portugal oder Japan, deren Küstengewässer noch tiefer sind als die Taschen der Carbon Majors. Doch bald schon könnte sich das Blatt wenden. Eine irische Firma hat nämlich eine neue schwimmende Plattform entwickelt, die auch große Windräder trägt – das ganze auch noch mit wenig Stahl und dadurch kostengünstig. Laut Energie-Professor Volker Quaschning (Öffnet in neuem Fenster) stehen die Systeme technologisch kurz vor dem Durchbruch.
💌 Ausgabe #41: (Öffnet in neuem Fenster) Claudia Kemfert im Treibhauspost-Interview
Zweites Beispiel: Photovoltaik-Anwendungen. PV-Zellen, wie wir sie kennen, haben zwei große Probleme. Erstens, sie sind gläsern und nicht flexibel, was ihre Anwendung limitiert. Zweitens, noch schwerwiegender, sie kommen überwiegend aus China. Die Rohstoffe werden teilweise unter menschen- und naturunwürdigen Bedingungen abgebaut. Wirtschaftliche Abhängigkeit von einer Quasi-Diktatur (das war’s dann wohl mit unserer China-Reise), besonders zur Energieerzeugung, will zudem nun wirklich niemand.
Eine Lösung, die fast zu gut klingt, um wahr zu sein, liefert eine Dresdner GmbH. Sie entwickelt biegsame, superdünne Solarfolie auf Basis von Kohlenstoffverbindungen – frei von Schwermetallen. Die Folie ist bis zu 100-mal CO₂-effizienter als Braunkohle und schimmert zu allem Überfluss auch noch in stylischem Lila.
Einziges Manko: Noch ist der Wirkungsgrad der Solarfolie zu gering für die Massenproduktion, aber die Dresdner Ingenieur*innen arbeiten dran. Die Anwendung ist anscheinend kinderleicht: Die Solarfolie wird einfach aufgeklebt – an Außenfassaden, runden Dächer (zum Beispiel von Lagerhallen), auf alten Wohngebäuden mit schwachen Dachstrukturen oder an Windrad-Türme.
Wie cool wäre bitte ein schwimmender Schwarm lila-glänzender Riesenwindräder, die man mit einem Fernglas vor der Küste Portugals bestaunen könnte?
Krisen sind nicht unbezwingbar
Und? Was sagt die Stimmung? Uns hat es jedenfalls sehr gut getan, diese mutmachenden Entwicklungen zusammenzutragen. Leider darf das Fazit jetzt trotzdem auf keinen Fall sein, dass doch alles super läuft und wir uns zurücklehnen können. Die Klimakrise wird durch einige gute Nachrichten kein bisschen weniger real oder dringlich.
Aber damit die Arbeit, die vor uns liegt, gelingt, ist es wichtig, diese positiven Entwicklungen zu erkennen und zu feiern. Nehmen wir sie als Motivation, als Beweis dafür, dass der Einsatz für Klimagerechtigkeit Früchte trägt. Sonst geht denen, die sich für einen lebenswerten Planeten einsetzen, irgendwann die Luft aus. Nicht weil die Herausforderungen unbezwingbar sind, sondern weil sie unbezwingbar scheinen.
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