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Fun Fact: Es werden unfassbar viele Klima-Studien veröffentlicht – allein 2020 waren es über 50.000 Stück. Zeit, dass wir uns mal wieder besonders spannende und aktuelle Paper herauspicken und für Dich zusammenfassen.

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#53 #Klimaforschung #Pilze #Medien

Magische Pilze und Medien mit Tunnelblick

Wir haben aktuelle Klimastudien unter die Lupe genommen: Warum Pilze und Klima unzertrennlich sind und Medien konstruktiver berichten müssen. Lesezeit: eine Tasse Kaffee

Studie #1 – Magische Pilze

In letzter Zeit gibt es einen ziemlichen Hype um Pilze. Das merkt man unter anderem an den ganzen neuen Mushroom-Dokus auf Netflix, die aus dem Boden schießen wie… genau, Pilze. Wenn man dann auch noch einen Blick auf die Studie wirft, die wir Dir jetzt vorstellen, kommt man zwangsläufig zu dem Schluss: Der Hype ist nicht nur gerechtfertigt, er ist noch viel zu leise. 

Denn wie krass sind bitte Pilze? Ihre Wurzeln liegen so weit zurück, dass Pflanzen damals noch gar keine hatten. 50 Millionen Jahre bevor Pflanzen Wurzeln schlugen, hatten sie schon symbiotische Underground-Partys mit Pilzen gefeiert und dabei Nährstoffe ausgetauscht: Kohlenstoffverbindungen (wie Zucker und Stärke) von Pflanze an Pilz, Mineralien von Pilz an Pflanze. 

Ohne Pilze würden die meisten Pflanzen verhungern. Bis zu 80 Prozent ihres benötigten Phosphors und 20 Prozent des Stickstoffs erhalten sie von ihnen. Fast alle Pflanzen an Land leben in irgendeiner Form der Symbiose mit sogenannten Mykorrhizapilzen. Mykorrhiza ist kein griechischer Insel-Geheimtipp für den Sommerurlaub, sondern bedeutet schlicht „Pilzwurzel“ – Fliegenpilze, Steinpilze und Trüffel sind die bekanntesten Vertreter dieser Art. 

Ein letzter unglaublicher Pilz-Fact (Öffnet in neuem Fenster), bevor es ans Eingemachte der Studie geht: Würde man das gesamte Myzel-Geflecht in den obersten zehn Zentimetern der Erdschicht entknoten und wie eine Wäscheleine im All aufhängen, würde sie eben mal so durch die halbe Milchstraße reichen. Um genau zu sein, liegen 450 Billiarden Kilometer Pilzfäden unter unseren Füßen. Fassen wir nochmal zusammen: Pilze sind krass, und zwar schon seit Langem.

Ein Ozean aus Pilzen

Ein wissenschaftliches Paper, das vor wenigen Wochen herauskam, liefert noch einen entscheidenden Grund mehr für Klima-Fans, zum Myzel-Ultra zu werden – Pilze binden nämlich riesige Mengen CO₂. 

Was man vorher schon wusste: Unsere Böden sind wunderbare CO₂-Speicher. Ganze 75 Prozent des an Land gebundenen Kohlenstoffs liegen unter der Oberfläche – das ist mehr als in der Biomasse und in der Atmosphäre zusammengenommen. 

Die Studie von Hawkins et al. (Öffnet in neuem Fenster), die im Journal Current Biology erschien, konnte nun das erste Mal berechnen, wie groß die Rolle von Pilzen dabei ist: Die Gesamtmasse an CO₂, die durch Pflanzen auf Mykorrhiza-Pilze übertragen wird, beträgt 13,12 Gigatonnen CO₂-Äquivalent (CO₂e). Pro Jahr. 

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💌 Ausgabe #29 (Öffnet in neuem Fenster): Drei Studien zu globaler Ernährung, Hitzewellen und Biodiversität, die jede*r kennen sollte.

Die Magie der Mykorrhiza-Pilze

Die acht Forschenden (unter anderem aus Kapstadt, Amsterdam und Dover) haben dafür knapp 200 Bio-Datensätze durch ihre Computermodelle gejagt. Es war die erste groß angelegte quantitative Studie dieser Art.

13,12 Milliarden Tonnen CO₂: Die Menge entspricht sage und schreibe 36 Prozent der aktuellen Emissionen, die durch fossile Energien entstehen – inklusive Strom, Wärme, Industrie, Transport und Gebäuden.

Übrigens, Pilze sind auch der Grund, warum der Konzern RWE (der laut NewClimate Institute schon über 36.000 Menschenleben (Öffnet in neuem Fenster) auf dem Gewissen hat) und andere fossile Konzerne nicht noch mehr Steinkohle verfeuern können. Denn diese entstand vor rund 300 Millionen Jahren im Karbonzeitalter und dem darauf folgenden Perm. Nach aktuellem Wissensstand wurde die Inkohlung der damals wie verrückt wuchernden Biomasse nur aus einem Grund gestoppt: Pilze lernten Bäume zu zersetzen. Genauer gesagt entwickelten Weißfäulepilze die Fähigkeit, den Stoff Lignin, der Holz besonders widerstandsfähig macht, enzymatisch zu zersetzen – noch ein Beispiel dafür, wie eng Pilze und Klima miteinander verflochten sind.

Was die Forschenden in ihrer Studie übrigens nicht berechneten, ist die Verweildauer des Kohlendioxids im Pilzgeflecht genauso wenig wie die Menge des wieder ausgestoßenen CO₂. Dem SWR sagte die Co-Autorin der Studie Toby Kiers dementsprechend, dass die Forschung erst ganz am Anfang sei, die immense Bedeutung von Mykorrhizapilzen zu verstehen. 

Nichtsdestotrotz kann es gut sein, dass Pilzwurzelverlegen schon bald das neue Bäumepflanzen wird.

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Studie #2 – Medien mit Tunnelblick

Stell dir vor, Du sitzt auf der Couch und scrollst durch deine Nachrichten-App. Zweimal wischen und schon ist da wieder eine dieser Klima-News, irgendwas in Richtung: Wir könnten die 2-Grad-Grenze schon 2050 überschreiten. Oder: Ein Drittel der Erde wird Ende des Jahrhunderts unbewohnbar sein. Oder: Verteilungskämpfe werden unseren Alltag bestimmen

Wie viel Lust hast Du in dem Moment, von der Couch aufzustehen und irgendwas Sinnvolles für den Planeten zu tun?

Wahrscheinlich nicht sonderlich viel. Dabei könnte die Klimaberichterstattung doch bestimmt viel ermutigender sein, oder? Neue Erkenntnisse dazu liefert eine Studie (Öffnet in neuem Fenster) der Fachzeitschrift Global Environmental Change vom Mai. Sie untersucht, wie Medien (vor allem aus dem Globalen Norden) über Ergebnisse aus der Klimaforschung berichten.

Die konkreten Fragen, die sich die Forscher*innen rund um Marie-Elodie Perga, Professorin für Geowissenschaften an der Universität Lausanne, stellten: Welche Klima-Studien landen in der Prime Time und auf den Titelseiten? Und motivieren diese zu individuellem und kollektivem Handeln beim Klimaschutz?

Um das herauszufinden, untersuchten sie alle Klima-Studien aus dem Jahr 2020 – über 50.000 Stück – und überprüften für jede, ob und wie oft sie in den Medien aufgegriffen wurde. 

Hier sind fünf erste Take-Aways auf einen Blick

  1. Nur neun Prozent aller Klima-Studien von 2020 wurden überhaupt medial aufgegriffen.

  2. Zwei Prozent erhielten umfangreiche Berichterstattung (zehn oder mehr Erwähnungen).

  3. 38 Prozent der medialen Berichterstattung über Klimaforschung konzentrierte sich auf nur hundert Studien.

  4. Medien orientierten sich bei ihrer Auswahl stark am wissenschaftlichen Ruf einer Fachzeitschrift.

  5. Die Berichterstattung fokussierte sich vor allem auf Natur- und Gesundheitswissenschaften. Andere Disziplinen wie Sozial- oder Wirtschaftswissenschaften waren deutlich unterrepräsentiert.

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💌 Ausgabe #27: Aufwachen, liebe Medien, die Welt geht unter (Öffnet in neuem Fenster)

Welche Erkenntnisse schaffen es auf unsere Bildschirme – und welche nicht?

Anschließend analysierten die Forscher*innen die Top 100 der Studien, die am häufigsten medial aufgegriffen wurden. Sie wollten herausfinden, welche Kriterien es besonders wahrscheinlich machten, dass eine Studie in der Berichterstattung landet. 

Das Ergebnis bestätigt den Eindruck aus Deinem News-Feed. Bestimmte Klima-Studien sind in den Medien stark überrepräsentiert – nämlich solche, 

  • die sich auf die Auswirkungen der Klimakrise konzentrieren (sie kommen mehr als zweimal häufiger vor als in der Klimaforschung selbst),

  • die sich mit den Folgen am Ende des Jahrhunderts beschäftigen (dreimal häufiger)

  • und die einen globalen Maßstab betrachten (ganze sieben Mal häufiger).

Was bedeutet das für den Klimaschutz?

Wir bekommen in den Medien nur einen bestimmten, verzerrten Ausschnitt aller klimawissenschaftlichen Erkenntnisse zu Gesicht. Folgt man den Studienergebnissen, ist das mehr als nur schlechter Service, es ist eine Riesen-Blockade für den Klimaschutz.

Denn die selektiv präsentierten Forschungsergebnisse machen uns – überspitzt gesagt – zu apathischen Däumchendreher*innen, die den Weltuntergang zwar beklagen, ihn aber lieber aussitzen, bevor sie einen Finger für den Klimaschutz krumm machen. Warum? 

Laut Studien-Autor*innen liegt das an verschiedenen psychologischen Mechanismen. Da wäre zum einen der Effekt der selektiven Wahrnehmung: Wir vermeiden oder verdrängen schlicht die unangenehmen Informationen zu den Klimafolgen, ähnlich wie Raucher*innen die Warnungen auf Zigarettenschachteln ignorieren. Aber auch Angst kann durch die Berichterstattung ausgelöst werden, Angst, die uns eher lähmt als zum Handeln zu motivieren.

Zudem erscheint die Klimakrise in den Medien als eine Krise, die weit in der Zukunft liegt. Das erzeugt emotionale und psychologische Distanz – wir verarbeiten die Informationen höchstens beiläufig. Der Fokus auf lokale und unmittelbare Klimafolgen könnte schon eher dazu führen, dass wir uns aktiv mit der Krise auseinandersetzen. Diese kommen laut Untersuchung in den Medien aber so gut wie gar nicht vor.

Und schließlich zeigen die Ergebnisse, dass Forschung über die Wirksamkeit von Klimaschutzmaßnahmen kaum Öffentlichkeit bekommt. Wie viel könnte eine bestimmte politische Maßnahme, zum Beispiel eine bedingungslose Grundversorgung, bewirken? An welcher neuen Technologie wird geforscht und welche Chancen und Risiken bringt sie mit sich? Darüber erfahren wir wenig. Auch das führt zu Untätigkeit, weil die Aufgaben, die vor uns liegen, schlicht zu groß wirken.

Was schlagen die Autor*innen vor?

Viel wäre laut Forscher*innen gewonnen, wenn Medien anfangen, sich als Teil der Lösung zu sehen, und aufhören, Klimaforschung lediglich als naturwissenschaftliche Überbringerin von Untergangsszenarien darzustellen. Sie müssten aufzeigen, dass die Klimakrise nicht einfach nur ein „Umweltproblem“ ist, und dass die Lösungen in Gesellschaft, Wirtschaft, Recht und Technologien liegen. 

Das könne gelingen, indem Medien ausgewogener über Klimaforschung berichten, stärker auch auf Erkenntnisse aus Sozial- und Humanwissenschaften zurückgreifen sowie den globalen Fokus ausgleichen mit einem Blick für das Lokale und für ortsbezogene Besonderheiten. 

Wir jedenfalls würden gerne mehr von solchen Studien erfahren, zum Beispiel darüber, wie Pilze in der regionalen Landwirtschaft dabei helfen können, gesunde Böden und gesunde Ernährung zu gewährleisten.

Auch für uns ist die Studie übrigens ein Reminder, wie unglaublich wichtig es ist, die richtigen Themen und Aspekte für unsere Ausgaben herauszugreifen. Und sie bestätigt uns in unserem Ansatz, bei Treibhauspost möglichst konstruktiv auf die Klimakrise zu blicken.

Danke, dass Du bis zum Ende dabei geblieben bist. Dir scheint unser Planet genauso am Herzen zu liegen wie uns. Wenn Dir unsere Arbeit gefällt und Du uns unterstützen möchtest, kannst Du Treibhauspost-Mitglied auf Steady werden (ab 3 Euro). Wir freuen uns riesig über jeden Support!

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Die Community-Umfrage

Heute mal ganz eigennützig: Habt ihr Tipps für Bücher, die wir uns unbedingt über den Sommer durchlesen sollten? (Vielleicht schicken wir in der nächsten Ausgabe auch ein paar der Tipps als Inspiration.)

Und hier noch das Ergebnis der Umfrage von letztem Mal: Knapp drei Viertel von Euch finden Solar Geoengineering zu gefährlich, um weiter daran zu forschen.

Du hast die letzte Ausgabe verpasst? Es ging um das Heroin unter den Klima-Technologien (Öffnet in neuem Fenster).

Die nächste Treibhauspost bekommst Du am 15. Juli.

Bis dahin,
Julien und Manuel

Treibhauspost-Partner (Öffnet in neuem Fenster)

💚 Herzlichen Dank für die Unterstützung an alle Treibhauspost-Partner:

🤝 Mehr über unsere klima-engagierten Partnerorganisationen (Öffnet in neuem Fenster).

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Kategorie Forschung

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