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Terrorfreunde, Cannabis und Atommüll

Hallo, das wird jetzt alles nicht schön. Eine Explosion an einem Krankenhaus in Gaza, die höchstwahrscheinlich auf eine fehlgeleitete Rakete des Islamischen Dschihad zurückgeht, hat am Dienstagabend die Welle antisemitischer Gewalt verstärkt. In Deutschland fanden in der Nacht noch Proteste statt. Auf Instagram ist der Weg von deutschen Linken bis zu erstklassiger Hamas-Propaganda oft nur zwei Klicks weit. Kitschige Grafiken mit in Kufiyas gehüllten Baby-Engeln die über zerbombte Städte fliegen inklusive. Man muss den Islamist*innen lassen, Menschen emotionalisieren, das können sie.

Linke hätten nun meiner Meinung nach die Aufgabe, Emotionalisierungen gerade in diesem Konflikt entgegenzutreten. Es gäbe ja auch ganz nüchtern betrachtet gute Gründe für bessere Lebensbedingungen in Gaza und der Westbank auf die Straße zu gehen. Vielleicht vor einem iranischen Konsulat? Die Realität, die ich am Wochenende in Düsseldorf und Wuppertal beobachten musste, war aber eine andere. Wuppertal lässt sich wegen des ausbleibenden Erfolgs vernachlässigen. Aber in Düsseldorf waren es Redner aus linken Gruppen, die die Menge bei einer Anti-Israel Demo angeheizt haben. Von einem Aufstand der Bevölkerung Gazas gegen Israel war da die Rede. Der Schmuggel von Waffen wurde, genau wie ihr "effizienter" Einsatz, als Erfolg gefeiert. Wer einen tieferen Einblick in das Elend nehmen möchte: Die Grenzen der Solidarität (Öffnet in neuem Fenster).

Wer sich übrigens fragt, wie man mit solchen Leuten umgehen soll, dafür hat die Fantifa Leipzig (Öffnet in neuem Fenster) einen konkreten Vorschlag: Schmeißt sie aus linken Räumen raus! Der Beitrag ist auch ansonsten sehr lesenswert, weil er auf die Argumentation der Grusel-Linken eingeht.

Den ganzen Tag kann ich mir allerdings auch nicht grausame, wahnsinnige oder widerliche Videos und Bildchen anschauen. Deswegen habe ich mich auch mit anderen Dingen beschäftigt. Auch irgendwie zum Gruseln: in NRW könnten ab 2024 Atommülltransporte quer durchs Land fahren. Die ganze Geschichte ist ein wenig kompliziert. In Jülich gab es bis in die 1980er einen Versuchsreaktor. Die Brennelemente liegen noch immer in Jülich, dürfen es aber eigentlich gar nicht mehr. In Jülich wäre man froh, das Zeug loszuwerden, da hat man heute Supercomputer und macht krasse Wissenschaft. Da passt Atommüll nicht so gut. Also ins Zwischenlager Ahaus. Da hat die Stadt aber keine Lust, und 152 Castor-LKW will die Landesregierung auch nicht so gern durch die Gegend fahren lassen. Hier ist die ganze Geschichte einmal zusammengefasst: Castor-Alarm in NRW! (Öffnet in neuem Fenster)

Ihr erinnert euch vielleicht noch, in dem ersten Newsletter-Dingsi habe ich mich ein wenig über das Ausbleiben von Sozialprotesten gegen die Kürzungen im Bundeshaushalt geärgert. Am Donnerstag haben nun die Wohlfahrtsverbände in NRW vor dem Landtag demonstriert. Sie richteten ihren Protest vor allem gegen die unzureichende Vergabe von Mitteln im Landeshaushalt. Vor der Kundgebung habe ich die wichtigsten Inhalte des Protests zusammengefasst. (Öffnet in neuem Fenster) Wer sich für das Ganze ausführlicher interessiert und Eindrücke von der mit 22.000 Menschen doch ziemlich fetten Kundgebung haben möchte, sollte lesen was die Kolleg*innen vom WDR geschrieben haben (Öffnet in neuem Fenster).

Bei mir ging es diese Woche außerdem noch um das Cannabisgesetz der Bundesregierung. All meine Hoffnungen, dass das irgendwie unkompliziert wird, liegen jetzt in den Händen der FDP. Ein schlechtes Gefühl. Aber dieses Gesetz ist wirklich verbesserungsbedürftig. (Öffnet in neuem Fenster)

Andere Dinge, auf die ich euch hinweisen mag:

Am Montag wird endlich das "Bündnis Sahra Wagenknecht" vorgestellt. Das ist schlimm für die Mitarbeiter*innen der Linksfraktion, bald wird die Fraktion nicht mehr bestehen. Aber zum Positiven. Mit dem Personal, das Wagenknecht aufbietet, Amira Mohamed Ali, Christian Leye, ein Unternehmer und ein Ex-Geschäftsführer der NRW-Linken, muss man vor der neuen linkskonservativen Kraft wohl wirklich keine Angst haben. Mit einer personellen Überraschung hätte ich schon gerechnet. Allerdings, jetzt muss die restliche Linke liefern (Öffnet in neuem Fenster), schreibt mein nd-Kollege Wolfgang Hübner.

Kein Newsletter ohne Kohleabbau. In der Frankfurter Rundschau (Öffnet in neuem Fenster) hat die liebe Barbara Schnell eine Reportage über Heinrich Portz geschrieben. Der ist Landwirt und lebt in dem, was von Manheim noch übrig ist, direkt am Tagebau Hambach.

Außerdem würde ich euch gerne den Macht Was Podcast (Öffnet in neuem Fenster) mit Ulrike Winkelmann von der taz empfehlen. Ich habe ehrlich gesagt keine Ahnung, wer der Typ ist, der den Podcast macht. Aber er kann gut interviewen und hat oft interessante Gäste. Ulrike Winkelmann erzählt in der Folge sehr schön, warum sie dezidiert linken Journalismus wichtig findet, und erzählt ein bisschen aus der Praxis im politischen Journalismus.

Die Probleme mit unseren Pali-Tüchern

In einer längeren linken Biographie können sich allerhand Devotionalien ansammeln. Druckwerke und auch Textilerzeugnisse. Soli-Shirts zum Beispiel. Oder eben, wenn die politische Sozialisierung schon etwas länger her ist oder in fragwürdigen Zusammenhängen stattfand, auch Palitücher (Kufiyas). Die Frau und ich besitzen mehrere solcher Tücher, das "Coole Kids tragen keine Palitücher"-Flugblatt (Öffnet in neuem Fenster) kam zu spät für uns. Naja, eins wurde uns auch noch später geschenkt, weil wir "nicht so schlimme Antideutsche" seien. Nun scheinen wir wirklich nicht so schlimm zu sein, oder wir neigen einfach nicht dazu funktionstüchtige Dinge wegzuschmeißen oder zu Putzlappen zu degradieren. Auch der mir gerade von der Frau erzählten Forderung "Palitücher zu Katzendecken" haben wir uns mangels Katze nicht angeschlossen. Die Reste eines Palituchs haben es aber immerhin zum, mittlerweile ziemlich ramponierten, Bezug eines Balkonkissens gebracht. Einen anderen Rest des selben Tuchs seht ihr oben, die Frau hat ihn mit einem alten Pulli zu einer Mütze verarbeitet. Wir Upcycling-Hipster. ;-) Nun, das Palituch ist das Innenfutter, sehen muss es niemand. Trotzdem fühlte sich die Frau auf dem Weg zur Kundgebung gegen die Islamisten-Freund*innen in Wuppertal für einen Moment falsch angezogen.

Unangenehmer hat es mich zwei Tage später erwischt. Bei der Arbeit benutzen wir einen Messenger. Als ich mir vor Jahren ein Profilbild ausgesucht habe, hatte ich vorher eine kleine Fotosession mit dem Hund gemacht. Mit Palituch kann er wirklich aussehen, wie ein sozialistischer Anführer aus den 70er Jahren. Sehr entschlossen, kraftvoll, mutig, der Zukunft zugewandt. Ich dachte, damit könnte ich bei meinen sozialistischen Tageszeitungskolleg*innen großen Eindruck machen. Eindruck gemacht habe ich damit bisher nicht. Dafür war ich am Dienstag ziemlich peinlich berührt, als eine liebe Kollegin mich darauf hingewiesen hat, ich möge doch mein Profilbild ändern, sonst würde es möglicherweise als Statement im Nahostkonflikt betrachtet.

Jetzt ist mein Profilbild dort genauso langweilig wie überall sonst, und unsere nicht weiterverarbeiteten Palitücher werden nur bei Erkältung und in den eigenen vier Wänden getragen. Dafür sind sie aber echt gut.

Das war´s.

Kritik, Anregungen, Angebote für fragwürdige Devotionalien. Ich freue mich!