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King's Field, Lunacid & From Software

Im letzten Gespräch zur Geschichte der Rollenspiele (Öffnet in neuem Fenster) mit Jochen Gebauer bin ich etwas ausführlicher auf King's Field eingegangen, das 1994 auf der PlayStation erschien. Es war nicht nur die Premiere für From Software als Entwickler, sondern auch das erste Rollenspiel für Sonys Konsole und eines der ersten komplett dreidimensionalen Abenteuer. Ambermoon war ebenfalls ein technischer Pionier, aber präsentierte 1993 auf dem Amiga "nur" texturierte Böden und Decken - hier mehr zur Bernstein-Trilogie (Öffnet in neuem Fenster).

Aber zurück zu King's Field: Ein Jahrzehnt bevor Hidetaka Miyazaki bei From Software seine bemerkenswerte Karriere begann, und fünfzehn Jahre bevor Demon's Souls sie so richtig ins Rollen brachte, entstand diese von Ultima Underworld inspirierte, technisch eindrucksvolle Fantasy, die über vier Teile bis 2001 erschien. An den Erfolg des weltweit gefeierten Klassikers von Paul Neurath, der mit seinen Innovationen den Ruhm der späteren Looking Glass Studios (System Shock, Thief) begründete, konnte man bei weitem nicht anknüpfen.

Auch die düstere Schwester im eigenen Hause namens Shadow Tower, die sich 1998 als Spin-Off ästhetisch deutlicher dem Westen zuwandte, aber gleichzeitig noch anspruchsvoller und härter war, blieb weit hinter den Erwartungen. Die Reihe polarisierte stark, es gab so einige Verrisse und sie wurde schließlich eingestellt, auch weil Armored Core deutlich erfolgreicher war und From Software von Lost Kingdoms auf dem GameCube bis Otogi und Metal Wolf Chaos auf der Xbox genug zu tun hatte; der Nachfolger zum gefloppten Shadow Tower erschien nur noch in Japan.

Zwar erkennt man in King's Field neben westlich geprägter Fantasy weitere Ähnlichkeiten zur Soulsreihe, wie etwa den Anspruch oder die Rätselhaftigkeit. Außerdem gibt es bis heute als verbindendes Element das Moonlight Sword (Öffnet in neuem Fenster), das wie eine Art digitales Firmenartefakt von Armored Core bis hin zu Bloodborne und Elden Ring immer wieder auftaucht. Aber das Spielerlebnis in der Welt von Verdite war anno 1994 ein komplett anderes als anno 2009 in Boletaria, so dass dieses erste Spiel eher prototypischen Charakter hat.

Es glich noch mehr einer langsamen Odyssee, einem in Ansätzen alptraumhaften Umherirren und unterschied sich, abgesehen davon, dass es spielmechanisch recht träge und spröde war, auf sehr archaische Art von den später etablierten Soulslikes. Wer den polygonalen Stil der frühen PlayStation-Ära mag, der auch in diesem Demake zu Bloodborne (Öffnet in neuem Fenster) sichtbar ist, und ein Gefühl dafür bekommen will, ohne so oft sterben zu müssen wie im Original, könnte mal Lunacid (Öffnet in neuem Fenster) ausprobieren. Das ist eine bizarr stimmungsvolle Hommage an King's Field, die am 31. Oktober für knapp 13 Euro für den PC erschienen ist.

https://youtu.be/k4I-RJvP6mY (Öffnet in neuem Fenster)

Man erkundet eine Fantasywelt aus der Egosicht mit weitläufigen Höhlen und Katakomben. Obwohl das offiziell ein Dungeon-Crawler ist, natürlich einige Monster dort lauern und man ohne Tutorial sofort allein gelassen wird, entsteht kein derart hoher Druck durch Gegner wie in Soulslikes. Es ist eher das Gefühl einer mysteriös unheimlichen Reise, mit einigen netten Rätseln und etwas grob geschnitzten Nebencharakteren, ohne Entscheidungen oder Fraktionen, mit etwas Gehaue und Gesteche sowie Lovecraft'schem Horrorflair.

Das Storytelling ist sehr rudimentär und das Kampfsystem wirklich sehr simpel, denn die Taktik besteht quasi nur aus dem Waffenwechsel, wenn z.B. ein Geist immun gegen normale Klingen ist. Aber das ist trotz seiner Defizite und Bugs ein interessanter atmosphärischer Kontrapunkt zu aktuellen Action-Rollenspielen, mehr eine unwirkliche Wanderung als ein intensiver Trip mit dem potenziellen Tod hinter jeder Ecke. In dieser entschleunigt unheimlichen Wirkung knüpft es durchaus an King's Field an. Für ein kleines Independent-Projekt ist das jedenfalls eine beachtliche Leistung.

Wer das Original nacherleben will, aber weder die älteren Konsolen noch die gesammelten Spiele in der King’s Field Dark Side Box (Öffnet in neuem Fenster) besitzt, die 2007 für PlayStation 2 veröffentlicht wurde, deren Discs (noch) nicht kompatibel mit der PS5 sind, kann zu Emulatoren greifen oder PC-Software wie dem Sword of Moonlight: King's Field Making Tool (Öffnet in neuem Fenster). Das hat From Software im Jahr 2000 (mit sehr wenig Erfolg) auf dem japanischen Markt als Box veröffentlicht, damit Leute eigene Rollenspiele in dem Stil entwerfen können; aber auch das erste King's Field ist dort als Remake für PC enthalten.

King's Field Dark Side Box, PSone, PS2, From Software, 2007.

Allerdings sind das natürlich alles Relikte und Umwege. Im Jahr 2024 gibt es ja das 30-jährige Jubiläum von King's Field. Ob From Software seiner Fantasywurzel nochmal eine zeitgemäße Modernisierung spendiert? Oder sie gar mit einem fünften Teil fortführt? Vermutlich nicht, denn die Japaner haben mit der Erweiterung zu Elden Ring, die wohl nächstes Jahr im Frühling erscheint, dem so gut wie sicheren Elden Ring 2 sowie anderen Projekten genug zu tun. Und Hidetaka Miyazaki arbeitet bekanntlich an einem komplett neuen Abenteuer.

Darüber weiß man bisher sehr wenig, außer dass er eine "abstract fantasy" inszenieren möchte, die nichts mit der Soulsreihe zu tun hat. Dafür hat er sich hinsichtlich des Multiplayers interessanter Weise von Escape from Tarkov inspirieren lassen; da sind feindliche menschliche Spieler ein wesentlich höheres Risiko als in der Soulsreihe, aber auch potenzielle Partner. Die permanente Ungewissheit ist also noch größer, was ja ganz sein Humor ist.

Wo wird das spielen, in welchem Szenario? Tja, auf Reddit (Öffnet in neuem Fenster) fabulierte man schon von einer Mega-Stadt voller Magie im 19. Jh., ohne glaubwürdige Quellen zu nennen. Egal was es wird: Ich tippe auf einen Teaser frühestens im Sommer 2024, wenn die halbe Welt noch im Schatten des Erdtrees wandelt.

Die Themenreihe zur Geschichte der Rollenspiele (Öffnet in neuem Fenster) setze ich jedenfalls mit kleinen Erkundungen fort, zumal es schon Anfang nächsten Jahres nicht langweilig in diesem Genre wird - im Gegenteil. Drei für dieses Jahr geplante, potenziell richtig gute Abenteuer, die ich in Erkundungen kurz vorstellte, wurden dorthin verschoben: Souvereign Syndicate (Öffnet in neuem Fenster), Broken Roads (Öffnet in neuem Fenster) sowie The Thaumaturge (Öffnet in neuem Fenster). Die Termine und weitere Ankündigungen für 2024 findet ihr im Logbuch (Öffnet in neuem Fenster).

Kategorie Erkundung

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