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Guten Tag, werte Lesende!

auch nach über 40 Jahren im Journalismus mag ich meinen Beruf meistens immer noch. Was nervt: Diese nagende Gefühl, zu oft Teil des Problems sein. Polarisierung, Hysterisierung, Stereotypisierung, Klickhörigkeit, dieses unselige Talent, sich oft dämlicher zu stellen als man ist - diesePhänomens sind nicht neu, brennen  mit fortschreitender Pandemie aber heftiger als je zuvor. 

Mit Wehmut erinnere ich mich an den auffallend klugen Sozialdemokraten Peter Glotz, der zu Beginn der 1980er Jahre den damals revolutionären Begriff von der  "Informationsgesellschaft" prägte. Glotz galt als Vordenker der SPD, was bedeutet: originell, aber erfolglos. Unter Glotz führte dieses Land die ganz großen Debatten über Medien und Gesellschaft, die Rolle des Journalismus, über Monopole und Pluralität, Unabhängigkeit und Zwänge, also all die Dinge, die meinen Berufsstand derzeit so heftig umtreiben, dass sich kaum jemand traut, darüber zu reden, wir Journalisten schon gar nicht. Lieber gucken wir uns beim Sterben zu.

Glotz floh damals übrigens in die Wissenschaft. Der stille Exodus kluger Köpfe ist auch so ein Phänomen, das uns Medienschaffende ewig begleitet. 

So, genug gejammert. Stattdessen ein Kessel Buntes. Und ein Eingeständnis: Ich hätte nie gedacht, dass ein CSU-Mann ohne größeren Widerstand aus der CDU würde Kanzler werden können. Und noch ein Eingeständnis: Meine Prognosen haben nie was getaugt.

Viel Spaß wünscht
Hajo Schumacher

Hoffnungsträger der Woche

Es gibt sie noch, die klugen Köpfe. Linus Neumann zum Beispiel, Hacker, Psychologe, Netzerklärer. Sein ungefähres Alter ergibt sich aus seinem ersten Prozessor, einem Pentium 90. Mit Linus Neumann habe ich die Frage diskutiert, wie man Hacker wird, vor allem aber, was eine gute Corona-App können müßte. Und in welcher Pandemie es soweit ist.

https://youtu.be/enne0fgeZbQ (Öffnet in neuem Fenster)

Grill der Woche

Lanz gegen Söder. In der derzeit relevantesten deutschen Talkshow spielten die beiden Markusse das beliebte Mein-Platz-ist-in-Bayern-Spiel. Natürlich ließ sich der CSU-Boss nichts Verwertbares zur K-Frage entlocken, gleichwohl hatte das Duell viele heitere Momente, wie am Amusement eines weiteren Lanz-Gastes ziemlich deutlich zu sehen war.

https://youtu.be/6dnb3gHY7Qs (Öffnet in neuem Fenster)

Tweet der Woche 

https://twitter.com/hajoschumacher/status/1379760363193896961 (Öffnet in neuem Fenster)

Muskelliebe der Woche

Ja, ich bin ein Fanboy, ohne Aber. Denn er hat unfaßbar viele Leistungen erbracht, von denen jede einzelne großartig ist. Er ist Olympiasieger, Weltmeister, hält den Weltrekord über die Langdistanz, hat dreimal den Ironman auf Hawaii gewonnen, lebt in einer Familie, steuert mit fast 40 Jahren mitten in die Midlifecrisis und ist dennoch ein netter, kluger Kerl: Jan Frodeno. Im Mutmach-Podcast spricht er über Leidenschaft als Motivator, das Gefühl, wenn ein aggressiver Trucker einen Rennradler umfahren will und den Spaß, seinen kleinen Sohn mit einem Gummiball abzuwerfen. 

Lob der Woche

Danke, Kinder

Neulich, als es kurz mal warm war, haben wir Geburtstag gefeiert, coronagerecht im Park. Ein Kuchen, zwei Haushalte, drei Stunden mit Kaffee und Schaumwein. Herrlich. Und um uns herum vorwiegend junge Menschen, die ihre Muskeln stählen, Musik machen, reden. Ja, unter freiem Himmel, aber nicht immer streng nach AHA-Regeln. Und alle wissen es. Ein kollektives Vergehen aus der Glühweinklasse, weil der Frühling einfach stärker ist. Nein, hier ist niemand böse, weder aggressiv noch betrunken.

Wir gehen, die Polizei rückt an. Schulterpolster an Schulterpolster wird der Park geräumt. Die jungen Leute ziehen ihre Masken auf, murrend, lachend, am Ende einsichtig. Was wäre hier los gewesen, wenn Corona-Skeptiker aufgedreht hätten oder jene latent aggressiven Landwirte, die für Sympathie werben, indem sie seit Wochen mit angelieferten Treckern durch die Hauptstadt dieseln?

Unser Nachwuchs hätte Gründe genug, zu protestieren und auch den Mumm, wie Fridays for Future beweist. Aber die jungen Menschen halten die Füße still, ihre Grenzüberschreitungen bleiben, wie im Park, erträglich. Es ist an der Zeit, unserem Nachwuchs Danke zu sagen für ein Jahr Geduld mit bisweilen etwas pubertären Erwachsenen. Unsere Kinder setzen sich kaum Aluhüte auf, sie belächeln die armen Tröpfe auf Telegram und durchblicken das billige Polarisierungsspiel, das Politik und Medien bisweilen aufführen.

Unsere Kinder waren das Verlässlichste, was Deutschland in dieser Pandemie zu bieten hatte. Geduldig haben sie uns gezeigt, wie man digital soziale Kontakte pflegt ohne je irgendeine Sonderzahlung zu fordern. Sie haben kochen gelernt, sich nicht angemaßt, alles besser zu wissen und tapfer als Versuchskaninchen gedient, die wieder zur Schule gehen durften, kaum dass der Online-Unterricht klappte und der R-Wert emporschnellte. Unser Land hat was gut zu machen, vor allem bei denen, deren Seelen dem dauernden Druck nicht einfach standgehalten haben. Wäre gut, wenn wir uns nach dieser Pandemie noch daran erinnern.

Mit freundlicher Genehmigung der Berliner Morgenpost 

Das Tabu der Woche

Zwei Menschen sind mir bei den Recherchen zu meinem Buch "Männerspagat" positiv aufgefallen. Der Neurobiologe Gerald Hüther und die Sozialexperimentiererin Ilan Stephani, die zwei Jahre im Bordell arbeitete, um zu forschen. Okay, zwei Stunden sind ein Brett. Aber: Wenn wir aus der Schuld-und-Scham-Schlacht ausbrechen wollen, das derzeit um alle Geschlechterfragen tobt, dann tut es wohl, zwei klugen und vor allem empathischen Menschen beim Abtasten von Tabus zuzuhören. Meine Frau fand´s übrigens auch gut. 

https://youtu.be/6Qf_iv04g1U (Öffnet in neuem Fenster)

Das Symbolfoto der Woche

Vor knapp zwei Jahren war ich mit einem wichtigen CDU-Politiker in Düsseldorf in einem Holo-Café, wo man mit VR-Brille und Controllern mehr oder weniger lustige Computerspiele spielen kann. Ich weiß auch nicht, warum mir ausgerechnet diese Woche ausgerechnet dieses Bild in den Sinn kam. Erste naheliegende Bildunterschrift: Faden verloren.

Ich wünsche ein Wochenende mit allzeit stabilen Brücken. 

Herzlich,  
Hajo Schumacher

PS: Ich räume auf. Schon mein ganzes Leben lang. Dabei sind mir sehr viele Bücher in die Hände gefallen, dummerweise vor allem meine eigenen. Mag jemand ein (!) Paket meiner unverkäuflichen Werke? Mail genügt.

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