Warum schreibst du?
Wie mich meine Antwort auf diese Frage überhaupt nicht überrascht hat und warum wir uns manchmal einfach nur daran erinnern müssen, um den Mut zum Schreiben zu (wieder) zu finden.
Aus heiterem Himmel wurde ich neulich gefragt, warum ich eigentlich schreibe. Der genaue Wortlaut war: „Was findest du eigentlich so toll am Schreiben?“ Ja, es klang genauso verständnislos und vorwurfsvoll, wie es sich liest. Mein Gegenüber hat das in richtig schönem Teenager-Trotz-Tonfall gefragt, obwohl er darüber schon längst hinaus ist. Es war wohl nicht böse gemeint, aber dennoch fehlte ihm einfach jedes Verständnis für meine Leidenschaft. Die kann ich im Gegenzug übrigens auch nicht aufbringen, der Fragende macht irgendwas mit Wirtschaft, das ich bis heute nicht verstanden habe und das ist für uns beide auch in Ordnung. Aber da er nun einmal gefragt hatte, woher meine Passion für Worte rührt, suchte ich nach einer Antwort, die uns beide zufriedenstellen sollte. Im ersten Moment fühlte ich mich ertappt, weil ich überhaupt nicht wusste, was ich dazu jetzt sagen soll. Eigentlich ist es ja völlig offensichtlich, warum ich so gerne schreibe, oder? Ist es nicht, wie ich selbst feststellen musste. Könntest du die Frage aus dem Stegreif beantworten? Falls nicht, bist du in guter Gesellschaft. Ich finde diese Angelegenheit so spannend, die Frage sehr intim und gleichzeitig so wichtig, dass ich mir überlegt habe, einen Schreibimpuls damit zu basteln - also, schau am kommenden Mittwoch gerne noch einmal hier rein, wenn du dich näher mit dir und deinem Schreiben beschäftigen möchtest. Wenn dir das zu lange dauert, lässt sich die Zeit vielleicht mit diesen Übungen überbrücken:
Zurück zu meiner Antwort auf die Frage, warum ich so gerne schreibe. Der erste Impuls war zu sagen, dass es mir eben Spaß macht und es einfach meine Leidenschaft ist. Aber warum macht es mir Spaß? Woher kommt die Leidenschaft? Ich sehe mein Schreiben als sicheren Hafen, als einen Ort, an dem ich mich immer zu Hause fühle, egal wo ich gerade bin. Ich kann mich komplett darin verlieren und die Zeit vergessen. Zeit ist ein wesentlicher Faktor, denn sich bewusst Zeit zu nehmen für das Schreiben, das ist ein Luxus, den man sich auch selbst erlauben muss. Dennoch ist es für mich auch ein produktives Nichtstun, also eigentlich ideal, um aus dem Drang, immer etwas leisten zu müssen doch irgendwie entspannt herauszukommen. Ich fühle mich auch dann produktiv, wenn ich nichts geschrieben habe, was ich veröffentlichen möchte, wie etwa meine Morgenseiten (Julia Cameron erklärt das Prinzip wunderbar in ihrem Buch „Der Weg des Künstlers“), die man ja ohnehin für sich behalten sollte. Aber vor allem urteilt mein Schreiben nicht. Das Schreiben ist etwas Natürliches, für mich ganz und gar menschlich und passiert wie das Laufen oder Atmen. Einfach so, ohne mir einen Spiegel vorzuhalten und zu fragen, wie ich denn wieder aussehe, ob ich dick oder dünn bin, groß oder klein und ob ich die Schuhe nicht lieber putzen sollte, bevor ich damit nach draußen gehe. All das ist dem Schreiben völlig egal. Es will einfach nur seinen Platz in meinem Leben haben.
Dass das Schreiben also mein absoluter Wohlfühlort ist, war am Ende überhaupt keine Überraschung und mein Gegenüber hat diese Antwort auch kopfnickend akzeptiert. Und mit diesem Gedanken im Hinterkopf, wenn die Entscheidung mal wieder zwischen Netflix und Schreiben fallen soll, bin ich mir sicher, dass doch öfter mal das Schreiben gewinnt. Der Aufenthalt im kreativen Spa klingt für mich jedenfalls verlockend und hat rein gar nichts mit: „Ich muss noch schreiben“ zu tun, denn alles was mit „Ich muss“ beginnt, hat immer irgendwie einen faden Beigeschmack, oder? Schreiben als Wellnessprogramm dagegen zieht bei mir schon ganz anders! Also, weißt du nun, warum du eigentlich schreibst? Oder vielleicht auch, warum du es nicht tust, obwohl du eigentlich möchtest?
Das Rascheln von bedrucktem Papier und das leise Klicken meiner Tastatur, mal bestimmt und ohne Atempause für Buchstaben und Fingerkuppen, mal zögernd und flüsternd, sorgen bei mir für ein wohliges Gefühl. Beide klingen tröstend und hören immer sehr gut zu. Ich selbst sage immer, wer schreiben will, muss viel lesen, und auch wenn das sicher kein Gesetz ist, denke ich, dass wohl die meisten Schriftsteller:innen auch selbst viel und gerne lesen. Stimmst du mir zu? Mir geht es jedenfalls so. Ich trage immer und überall mindestens ein oder zwei Bücher mit mir herum, man kann ja nie wissen, wann man plötzlich Leselust verspürt. Letzte Woche saß ich im Zug und las „Tintenherz“ von Cornelia Funke, das mich seit Monaten immer wieder in der Bibliothek anlächelte, bis ich es kurz vor Weihnachten schließlich auslieh. Da gibt es so viele Bücher, die ich noch nicht gelesen habe und dann widme ich mich gleich einer Trilogie, die ich vor etwa 18 Jahren bereits verschlungen hatte. Nun saß ich da, mit der Nase im Buch und spürte, wie meine Sitznachbarin mich immer wieder kurz ansah und als ich sie dabei erwischte, sagte sie nur: „Verzeihung, junge Frau, aber in Ihrem Gesicht kann man die ganze Geschichte mitlesen!“ Das war ein wunderbares Kompliment für die Autorin und für mich auch einfach schön, dass sich völlig fremde Menschen von meiner Begeisterung anstecken lassen, ohne, dass ich auch nur ein Wort sage.
Tief in meinem Innern hege ich vermutlich auch den Wunsch, selbst einmal ein solches Werk fertigzubringen, das die Lesenden so mitreißt, wie die Geschichte um Zauberzunge es bei mir auch beim zweiten Mal noch tut. Und dazu muss ich schreiben. Nicht weil ich muss, sondern weil ich möchte, verstehst du? Grundsätzlich habe ich bemerkt, wie heilsam es sein kann, Bücher aus seiner Kindheit und Jugend als Erwachsene:r noch einmal zu lesen. Man erinnert sich, entdeckt Sätze und Worte, die einem mittlerweile entfallen oder damals vielleicht auch nicht weiter aufgefallen sind und sieht gleichzeitig wieder für einen Moment durch Kinderaugen. Erinnerst du dich noch an dein Lieblingsbuch von früher? Wer weiß, vielleicht schenkt es dir ja auch einen Teil der Antwort auf dein „Warum?“.
Bevor ich mich nun verabschiede, möchte ich eines klarstellen: Dass das Schreiben für mich so ein Wohlfühlort ist, heißt nicht, dass ich keine Hemmungen habe, mein Geschriebenes zu teilen, denn zu schreiben und seine Werke zu veröffentlichen, sind für mich zwei Paar Schuhe. Ich haue auch nicht jeden Tag stundenlang in die Tasten. Im Gegenteil: Meine Worte zu veröffentlichen macht mir immer noch so schwer zu schaffen, dass eine Kurzgeschichte, von der ich einst so begeistert war, seit Wochen in der digitalen Schublade liegt und von mir ignoriert wird. Ich habe in dieser Woche nur diesen Blogbeitrag geschrieben, ebenso wie letzte Woche. Und das ist richtig so. Man braucht auch Pausen von Dingen, die man gerne tut und ich freue mich darauf, den angekündigten Schreibimpuls mit dir zu teilen, um auch mal wieder ein wenig abseits des Blogs zu schreiben. Irgendwann wird der Impuls wieder so stark sein, dass er mir den Mut schenkt, meine Geschichte weiterzuschreiben. Und bis dahin sorge ich dafür, dass meine Türen und Fenster für die Kreativität weit geöffnet bleiben. Mit Geschichten aus Büchern und meiner eigenen.
Bis nächste Woche!
Alles Liebe
deine Sarah