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Schreibimpuls: Stell dich vor

Liebe:r Schreibheld:in,

wie schön, dass du hier bist!

Mit dem heutigen Schreibimpuls stellen wir uns einmal vor. Normalerweise macht man sowas ja gleich zu Beginn einer gemeinsamen Reise, um sich kennenzulernen und sich einen ersten Eindruck von seinem Gegenüber zu verschaffen, ob in Person oder digital. Nun, ich glaube, dass man nach einer kleinen Aufwärmphase ein klein wenig mutiger an so eine Vorstellungsrunde geht und so ein bisschen mehr ans Licht kommt, als "Hallo, mein Name ist", denn diese eine Art von sich vorstellen wird das hier nicht.

Im Erwachsenenalter ist es doch häufig so, dass wir uns gut überlegen, was wir preisgeben, welche Informationen über uns in welcher Form unser Gegenüber beeindrucken könnten, was wir lieber weglassen und stellen am Ende nicht uns als der Mensch vor, der wir sind, sondern eine Version dessen, wovon wir glauben, wir sollten es sein. Man möchte immer einen guten Eindruck hinterlassen, was wir uns auch nicht verübeln sollten, denn das ist ja nur natürlich. Ein weiterer wichtiger Punkt dabei ist, dass wir manchmal gar keinen so richtigen Überblick darüber haben, wer wir sind. Darüber, wer wir außerhalb unseres Jobs, einer Partnerschaft und anderen Rollen sind, die wir erfüllen. Scheint, als könnten wir für diese Aufgabe also etwas Hilfe brauchen, oder?

Ich habe mich gefragt, wer uns wirklich in- und auswendig kennt. Wo sind wir absolut wir selbst und frei von sämtlichen Fassaden? Nun, im Grunde genau hinter der Fassade – in unserem Zuhause. Meine vier Wände kennen mich vermutlich so gut, wie niemand sonst. Also, was meinst du:

Wie würde dein Zuhause dich beschreiben? Und zwar vollkommen wertfrei. Unser Heim ist unser sicherer Hafen, es urteilt nicht. Es weiß allerdings ganz genau, wie du deinen Kaffee trinkst, welche Bücher du wirklich liest und welche du nur regelmäßig abstaubst. Es sieht, was du während dem Zähneputzen machst und wie oft du dich umziehst, bevor du aus dem Haus gehst und ob du traurig oder froh bist, wenn dein Besuch sich verabschiedet hat. Was sieht dein Zuhause?

Stelle dir einen Timer auf 10 Minuten und schreib drauflos, bis die Zeit um ist.

Hier teile ich mein Ergebnis dieser Aufgabe mit dir. Es kann dir Mut machen und Inspiration geben – wenn es dir hilft, ins Schreiben zu kommen, dann nutze es gern als Vorlage, aber bedenke dabei: Nur du alleine weißt, was dein Zuhause sieht. Es gibt kein richtig und kein falsch, nur dich und dein Schreiben:

Meine Bewohnerin verbringt viel Zeit mit mir. Ich glaube, sie mag mich sehr, denn sie sorgt immer für Ordnung und putzt mich meistens ziemlich gründlich. Sie verschiebt sogar das Sofa, das eigentlich nicht so aussieht, als könnte man es bewegen, aber sie scheint immer sehr entschlossen zu sein, die Krümel darunter im Staubsauger verschwinden zu lassen. Sie sieht gar nicht so aus, aber sie ist ganz schön stark. Das muss sie sein, denn sie hat alle Möbel hier ganz alleine zusammengeschraubt und aufgestellt. Meine Bewohnerin lässt immer frische Luft hinein, egal wie eisig es draußen ist. Dann rollt sie sich in eine dicke Wolldecke ein und steht am offenen Fenster. Das tut sie oft. Am Fenster stehen, rausgucken und Fotos machen. Sogar beim Zähneputzen steht sie da in ihrem Bademantel und schaut hinaus. Solange, bis die Zahnpasta auf den Boden tropft.

Sie hat mal einen ganzen Abend lang damit verbracht, einen Lichterkettenvorhang an die Wand zu hängen und kauft jede Woche einen neuen Blumenstrauß. Diese Woche gibt es hellrosa Rosen und heute hat sie schon dreimal daran gerochen. Sie kauft sich ihre Blumen immer selbst, außer zu ihrem Geburtstag. Da bringt sie riesige Sonnenblumen von ihren Freund:innen mit nach Hause, die ihr auch gleich die passende Vase leihen, weil sie nur kleine Vasen und Gläser für ihre Blumen besitzt.

Sie ist viel allein und wenn sie nicht gerade putzt und aufräumt, dann sitzt sie meistens auf ihrem rosa Sessel und liest oder schreibt an ihrem Laptop, in dem schon ganz schön viele Worte stehen müssen. Wenn sie morgens aufwacht, dann schaltet sie zuerst ihre Radio App ein, damit sie ein bisschen Gesellschaft hat, ohne mit jemandem reden zu müssen. Zum Einschlafen lässt sie immer, wirklich immer eine Serie laufen, die ganze Nacht über. Gilmore Girls. Sie hat alle sieben Staffeln schon unzählige Male gesehen, aber mit keiner anderen Serie kann sie besser einschlafen. Und ohne schon gar nicht. An den Wochenenden wacht sie oft ziemlich früh auf und dann guckt sie vom Bett aus Kinderserien im ZDF, aber kein Zeichentrick. Pippi Langstrumpf und Madita, später läuft dann der Presseclub. Manchmal sitzt sie einfach nur da und starrt vor sich hin. Ob sie dabei träumt oder meditiert, kann ich nicht erkennen, aber diese Momente passieren sehr regelmäßig. Seit einiger Zeit liegt ein Malbuch auf dem Tisch und da sitzt sie dann an so manchem Nachmittag und malt Mandalas mit bunten Holzstiften aus.

Ab und an, da kommen Freund:innen zu Besuch und dann sieht sie immer sehr glücklich aus, macht alles noch mal sauber und sorgt dafür, dass es schön gemütlich ist. Wenn sie die Tür öffnet, dann strahlt sie immer übers ganze Gesicht und besonders dann, wenn ihr Besuch sagt, wie schön es hier ist. Wenn der Besuch sich verabschiedet hat, fängt sie immer gleich an, aufzuräumen und das Geschirr abzuspülen. Erst dann setzt sie sich wieder hin oder geht schlafen.

An manchen Tagen seufzt sie ohne Ende vor sich hin, weil es einfach nicht ruhig werden will um sie herum. Auf der Straße zieht eine lautstarke Demo vorbei und ihr Nachbar ist sowieso immer laut. Wenn es ihr zu bunt wird, dann streckt sie den Kopf aus dem Fenster und ruft rüber, ob es vielleicht ein bisschen leiser geht.

Meine Bewohnerin geht normalerweise früh schlafen, so gegen 22 Uhr, außer sie sitzt am Laptop und hat gerade einen kreativen Lauf. Dann sitzt sie da und tippt, bis sie die Buchstaben nicht mehr erkennt. Manchmal kann sie aber auch einfach nicht schlafen und dann schaut sie bis 2 oder 3 Uhr nachts noch Krimis, bis sie bei Mord und Totschlag dann selig in die Kissen sinkt.

Diese Übung ist übrigens auch ideal, um die Charaktere in deinen Geschichten authentisch zu beschreiben. Sicher hast du schon einmal den Spruch "Don't tell, show!" gelesen, wenn es um das Schreiben geht. Das können wir an uns selbst wunderbar ausprobieren. Denn es macht durchaus einen Unterschied, ob wir sagen, dass unsere Protagonistin Blumen mag oder erzählen, dass sie heute schon dreimal an den Rosen roch, die genau dieselbe Farbe haben wie ihre zartrosa Gardinen – oder? Das aber nur als Randnotiz.

Wenn du möchtest, teile dein Ergebnis auf Instagram mit dem #projektschreibmut. So ermutigst du vielleicht noch jemanden zum Schreiben oder kannst dich mit anderen Schreibheld:innen austauschen – das ist natürlich deine Entscheidung und du kannst dich genauso ganz für dich alleine über deine Zeilen freuen. Und vergiss nicht, stolz auf dich zu sein: du schreibst!

Bis nächste Woche!

Alles Liebe

deine Sarah

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