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Redensarten Nr. 10 - Wenn die Spinne den Faden verliert

Liebe Redensarten-Freundinnen und Freunde,

willkommen zu meinem zehnten Newsletter.

Heute möchte ich mal ein paar Redewendungen und umgangssprachliche Ausdrücke behandeln, die im Alltag sehr häufig verwendet werden. Insofern werden dieses Mal insbesondere Fremdsprachler, die ihre Deutschkenntnisse verbessern wollen, auf ihre Kosten kommen.

Und damit wären wir schon bei der ersten Redensart: auf seine Kosten kommen (Öffnet in neuem Fenster). Das bedeutet ja so viel wie “seinen Spaß oder Nutzen haben, zufriedengestellt werden, etwas davon haben“. So kann man z. B. über einen Film sagen, der sowohl für Kinder als auch für Erwachsene geeignet ist: Bei diesem Familienfilm kommen Groß und Klein auf ihre Kosten. Ursprünglich bezog sich die Redensart auf den Wirt oder den Kaufmann, der seine Ausgaben (Kosten) wieder hereinholte, wenn er vom Gast bzw. vom Kunden Geld erhielt. Wie in unserem Beispiel ersichtlich ist, hat sich die Redewendung immer mehr verallgemeinert und wird nicht unbedingt auf Geld und Ausgaben bezogen.

Quelle: depositphotos.com (Öffnet in neuem Fenster)

Übrigens gibt es beim Wort “Kosten“ eine sprachliche Besonderheit im Deutschen. Das Wort bedeutet ja: die Ausgaben, der Aufwand an Geld. Normalerweise wird die Bedeutung von Wörtern durch die Vorsilbe “un“ ins Gegenteil verkehrt (Negation): dicht / undicht, angemessen / unangemessen usw. Bei Hauptwörtern gibt es das auch: Unglaube, Unbehagen. Bei den Kosten ist das jedoch nicht der Fall: Die “Unkosten“ sind ebenfalls Ausgaben, somit bedeuten Kosten und Unkosten fast das Gleiche. Einen feinen Unterschied gibt es aber doch: Meist sind die Unkosten sehr hohe oder unvorhergesehene Kosten. In Hauptwörtern kann die Vorsilbe “Un-“ nämlich auch “sehr hoch“ oder “sehr viel“ bedeuten: Unsummen, Unmengen (Näheres hierzu: siehe “sich in Unkosten stürzen (Öffnet in neuem Fenster)“).

Beim Wort “Unding“ wiederum gelten beide Regeln nicht, denn es bedeutet wieder etwas ganz anderes (siehe hierzu “Das ist doch kein Zustand! (Öffnet in neuem Fenster)“).

Hier zeigt sich wieder einmal, dass sich Sprache nicht immer an Regeln hält und oft auch unlogisch ist. Um noch einen draufzusetzen, sei nebenbei noch auf die Redensart “das kommt nicht von ungefähr (Öffnet in neuem Fenster)“ (das geschieht nicht zufällig, das hat eine Ursache) verwiesen - ein höchst seltsamer Ausdruck, den man nur dann verstehen kann, wenn man sich mit der Geschichte des alltäglichen Wortes “ungefähr beschäftigt.

Ein Wort, das man im deutschen Alltag sehr häufig hört, ist “spinnen (Öffnet in neuem Fenster)“. Das sagt man dann, wenn jemand etwas tut oder sagt, was man für unsinnig hält und für das man kein Verständnis hat. Man rückt damit den anderen in die Nähe des Verrückten. Wenn ich z. B. zum anderen sage: “Du spinnst!“ oder “Fängst du jetzt völlig an zu spinnen, oder was?“, dann ist das als Kritik zu verstehen, ist aber nie beleidigend gemeint. Man kann das Wort auch für Gegenstände gebrauchen: “Die Uhr spinnt“ bedeutet, dass sie nicht richtig funktioniert, also z. B. die falsche Uhrzeit anzeigt.

Doch woher kommt das Wort? Spinnen bedeutet ja eigentlich: Fäden herstellen, also z. B. aus Wolle oder Flachsfasern durch Verdrehen Fäden produzieren (daher auch der Name der Spinne, die ihr Netz spinnt).

Hermann Sondermann: Familie mit Frau am Spinnrad (1879) (Quelle (Öffnet in neuem Fenster))

Eine uralte Technik also, die weltweit verbreitet ist. Bis ins 20. Jahrhundert hinein war das manuelle Spinnen mit dem Spinnrad in Gebrauch und typischerweise die Arbeit der Frauen (wie das aussieht, ist auf diesem Video (Öffnet in neuem Fenster) sehr schön zu sehen).

Das Spinnen des Fadens hatte im Volksglauben etwas Geheimnisvolles, und man glaubte, die Spinnerin könne dem Faden Gutes und Böses, Freundliches und Geheimnisvolles einspinnen. Man kann sich auch gut vorstellen, dass die Frauen früher beim Spinnen und Stricken zusammensaßen und damit viel Gelegenheit hatten, sich zu unterhalten. Dabei wurde sicherlich auch viel Unsinn geredet.

Und man konnte natürlich auch “aus dem Nähkästchen plaudern (Öffnet in neuem Fenster)“, also private Dinge und persönliche Erlebnisse erzählen. Der Ursprung dieser Redewendung ist allerdings ein anderer: Sie stammt aus dem berühmten Roman "Effi Briest" von Theodor Fontane (1895), in dem die Titelfigur ihre geheimen Briefe im Nähkästchen versteckte.

Dass allerdings vor allem Frauen zu “Klatsch und Tratsch (Öffnet in neuem Fenster)“ neigen, ist ein altes Vorurteil, das vollkommen falsch ist. Denken wir nur an das endlose Geschwätz über “Gott und die Welt (Öffnet in neuem Fenster)“ beim traditionellen Stammtisch, der früher reine Männersache war.

Quelle: wikimedia.org (Öffnet in neuem Fenster)

Da wurde und wird beim Bier auch oft über Politik geredet, und die mit dem traditionellen Stammtisch verknüpften, bildlichen Ausdrücke haben oft einen negativen Nebensinn (ein Stammtischpolitiker (Öffnet in neuem Fenster), eine Stammtischparole (Öffnet in neuem Fenster), die Hoheit über den Stammtischen haben / gewinnen / erlangen / erringen (Öffnet in neuem Fenster)).

Überhaupt haben viele umgangssprachliche Ausdrücke mit der Bedeutung “Gespräch“ eine negative Nebenbedeutung. Man sollte sich allerdings bewusst sein, dass geselliges Beisammensein, Austausch und Kommunikation ein Grundbedürfnis des Menschen darstellt und wichtige soziale Funktionen erfüllt.

Nicht nur am Wort “spinnen (Öffnet in neuem Fenster)“ sehen wir, dass es ein ganzes Bildfeld gibt, das Text und Gedanken mit dem Faden verknüpft: den Erzählfaden. So kann man einen Gedanken, durch den sich der “rote Faden zieht (Öffnet in neuem Fenster)“, “weiterspinnen (Öffnet in neuem Fenster)“ (fortführen) und dabei auch mal “den Faden verlieren (Öffnet in neuem Fenster)“.

In diesen Bereich gehört auch der Ausdruck “sich verhaspeln (Öffnet in neuem Fenster)“, der bedeutet: durcheinanderkommen, sich verwirren - insbesondere beim Sprechen, also ganz ähnlich wie “den Faden verlieren (Öffnet in neuem Fenster)“. So kann man sich z. B. verhaspeln, wenn man aufgeregt ist, etwa bei einem Bewerbungsgespräch, und man verliert die Konzentration und gerät ins Stottern.

Knackhaspel, Lausitz, um 1900: (Quelle: Museum für Sächsische Volkskunst, SKD (Öffnet in neuem Fenster))

Ursprung des Ausdrucks ist die Haspel - eine Winde, auf der Garn oder Seile aufgewickelt werden. Wenn man nicht aufpasste, konnte der Garn schon mal von der Haspel rutschen und man musste das verhedderte Knäuel wieder entwirren. Manche Haspeln hatten auch ein einfaches Zählwerk, das nach einer bestimmten Anzahl von Umdrehungen knackte, sodass man die Länge des Fadens bestimmen konnte. Beim Zählen der Knackgeräusche konnte man auch mal durcheinanderkommen.

Manche glauben, dass hier der auch “alte Knacker (Öffnet in neuem Fenster)“ seinen Ursprung hat. Das ist ein abwertender Begriff für einen alten Mann. Denn früher wurden auch ältere Männer, die für körperlich schwere Arbeiten nicht mehr infrage kamen, an die Haspel gesetzt. Diese Deutung ist aber die unbewiesene Meinung eines einzelnen, die mir mal ein Nutzer geschrieben hat und ist dementsprechend “mit Vorsicht zu genießen (Öffnet in neuem Fenster)“.

So, dieser Newsletter ist mal wieder länger geworden, als ich ursprünglich vorhatte, und bevor ich jetzt vollends vom “Hundertsten in Tausendste komme (Öffnet in neuem Fenster)“, verabschiede ich mich für heute.

Viele Grüße,

euer Peter vom Redensarten-Index

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