Redensarten Nr. 9 - Der neuralgische Gummipunkt
Liebe Redensarten-Freundinnen und Freunde,
willkommen zu meinem neunten Newsletter.
Heute im zweiten Teil über die Verwendung von “Punkt“ in Wendungen und Ausdrücken geht es um zwei Bedeutungen des Wortes, die sich redensartlich ausgewirkt haben und auch in besonderen Wortverbindungen zu finden ist.
5. Einzelner Abschnitt innerhalb einer Gliederung oder Liste, Thema, einzelner Sachverhalt
Dieser Sinngehalt von Punkt ist bereits sehr abstrakt. Die Bedeutung "Stelle, Ort" von Punkt wird im übertragenen, verallgemeinerten Sinn auch als einzelner Aspekt innerhalb eines größeren Ganzen verstanden.
Darauf beziehen sich z. B. der “wunde (Öffnet in neuem Fenster)“, “schwache (Öffnet in neuem Fenster)“ und “neuralgische Punkt (Öffnet in neuem Fenster)“, die alle eine verwundbare, unvollkommene Stelle bezeichnen, die deshalb leicht angreifbar ist. Auch der “Dreh- und Angelpunkt (Öffnet in neuem Fenster)“ als Stelle, um die "sich alles dreht", gehört hierher.
Quelle: wikimedia.org (Öffnet in neuem Fenster)
Dann gibt es noch den “Knackpunkt (Öffnet in neuem Fenster)“ - das ist die Hauptsache, die größte Schwierigkeit, der Umstand, auf den es ankommt. Eine scherzhafte Latinisierung davon ist der “Casus knacksus (Öffnet in neuem Fenster)“, der Mitte des 20. Jahrhunderts in der Studentensprache entstanden ist. Ursprung ist hier wohl der Zeitpunkt, an dem die Schale einer Nuss mit einem Knackgeräusch nachgibt. Er kann zum erhofften Erfolg führen, aber auch zum unerwünschten Misserfolg, etwa wenn die Nuss im Inneren faul ist.
Auch die Formel “Punkt für Punkt (Öffnet in neuem Fenster)“ gehört in dieses Kapitel. Wenn man z. B. etwas Punkt für Punkt bespricht, dann geht man in einem Gespräch jede einzelne Komponente eines Themas schrittweise und vollständig durch.
Wer im Gespräch etwas “auf den Punkt bringt (Öffnet in neuem Fenster)“, der beschreibt eine Sache sehr treffend und genau. Wenn jemand dagegen das Gegenteil tut, nämlich lange und weitschweifig redet, ohne über das eigentliche Thema zu sprechen, dann kann man sagen: “Nun komm doch endlich auf den Punkt! (Öffnet in neuem Fenster)“ - was bedeutet: "Jetzt sage endlich, was du eigentlich sagen willst."
Von einem “dunklen Punkt (Öffnet in neuem Fenster)“ dagegen spricht man, wenn ein Ereignis in der Vergangenheit als unangenehm, schlimm oder belastend empfunden wird, wenn man sich schuldig gemacht hat oder wenn eine Sache unklar ist und man nur wenig darüber weiß.
Quelle: wikimedia.org (Öffnet in neuem Fenster)
Der “tote Punkt (Öffnet in neuem Fenster)“ ist ein Umstand, der dazu führt, dass man keine Fortschritte mehr macht, nicht weiterkommt. Er stammt ursprünglich aus der Mechanik: Bei der Übertragung von einer drehenden in eine Hin- und Herbewegung (oder umgekehrt) gibt es zwei Stellungen, bei der die Schubstange am äußersten Punkt einer Kurbel angelangt ist und somit eine Gerade bilden, dann ist keine Bewegung mehr möglich. In der Praxis löst man dieses Problem durch einen zweiten Antrieb oder durch ein Schwungrad.
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Ursprünglich aus der Naturbeobachtung stammt der “springende Punkt (Öffnet in neuem Fenster)“ (der wichtigste Punkt oder Umstand). Der griechische Philosoph Aristoteles berichtete davon, dass es im Eiweiß einen kleinen Blutfleck gebe, aus dem sich das Herz entwickeln würde. Dieser springe und hüpfe "wie ein Lebewesen" hin und her. In der lateinischen Gelehrtensprache des Renaissance-Humanismus (15./16. Jahrhundert) wurde daraus der "punctum saliens" (hüpfende Punkt), um das wesentliche Merkmal einer Sache zu bezeichnen.
Dann gibt es noch die Redensart “im Brennpunkt stehen (Öffnet in neuem Fenster)“. Das bezeichnet ein Ereignis oder einen Sachverhalt, der im Mittelpunkt steht und besonders beachtet wird. "ARD-Brennpunkt" heißt eine Fernsehsendung im Sender "das Erste", das nach den Nachrichten im Fall besonders wichtiger Ereignisse ausgestrahlt wird und diese näher beleuchten. Ursprung dieses Ausdruckes ist hier ein Hohlspiegel oder eine Lupe, die alle Lichtstrahlen zu einem Punkt zusammenführt und dort große Hitze verursacht.
6. Einheit bei einer Bewertung
Der Punkt in dieser Bedeutung ist allgegenwärtig: Ob in der Schule, bei Spielen, Prüfungen, Quizsendungen, Preisausschreiben oder Sportwettkämpfen: Überall werden Punkte vergeben, die man für eine bestimmte Leistung erhält.
Quelle: depositphotos.com (Öffnet in neuem Fenster)
Auch vergeben viele Händler oder Marken "Treuepunkte" beim Einkauf, die gesammelt werden können. “Punkte bzw. Pluspunkte zu sammeln (Öffnet in neuem Fenster)“ kann dabei auch als Redewendung benutzt werden, wenn sie sich auf Bereiche bezieht, bei denen gar keine Punkte vergeben werden. So kann man z. B. versuchen, beim Chef "Pluspunkte zu sammeln", also sich beliebt zu machen.
Es gibt natürlich auch negative Punkte - also Minuspunkte. Dazu zählen die “Punkte in Flensburg (Öffnet in neuem Fenster)“ - ein feststehender Begriff, den jeder Autofahrer in Deutschland kennt. Man erhält in bestimmten Fällen solche Punkte, wenn man gegen Regeln im Straßenverkehr verstoßen hat. Die entsprechende Behörde, die das Verkehrssündenregister führt - das Kraftfahr-Bundesamt - hat seinen Hauptsitz in Flensburg (Quelle (Öffnet in neuem Fenster)). Wenn man zu viele Punkte gesammelt hat, kann man seinen “Lappen (Öffnet in neuem Fenster)“ verlieren, das heißt, der Führerschein wird eingezogen und man darf nicht mehr Auto fahren.
In die Kategorie gehört auch der "Gummipunkt (Öffnet in neuem Fenster)", der scherzhaft vergeben wird für Besserwisserei oder Aussagen, die niemanden interessieren. Sehr häufig ist das umgangssprachliche Wort allerdings nicht in Gebrauch.
Relativ neu ist die Redensart “einen Punkt haben (Öffnet in neuem Fenster)“. Sie ist aus dem Englischen entnommen. Man hört sie gelegentlich bei Diskussionen, wenn verschiedene Meinungen ausgetauscht werden. Wenn jemand sagt: "Hier hat er einen Punkt", dann bedeutet das, dass an dieser Stelle recht hat - ein gutes Argument, das seine Meinung stützt.
Das war’s für heute!
Punktum und Schluss!
Euer Peter vom Redensarten-Index.
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