Hoffnung und Wut - 27.03.2023
Der neue Weltklimabericht ist erschienen, und ich habe keine Zeile dazu gelesen, keinen Bericht geschaut, nichts angehört. Es hat mich nicht interessiert.
Warum habe ich diese Dinger früher gelesen? Weil ich die Infos wollte, natürlich, aber darunter lag vor allem die Frage:
Gibt es Hoffnung?
Und ich merke, dass das für mich immer weniger relevant ist. Die Welt war schließlich immer schon scheisse: Die Pest. Der Dreißigjährige Krieg. Der Kolonialismus. Der Erste Weltkrieg. Der Zweite Weltkrieg
Und das ist ja schon nur der eurozentristische Blick und nur die Ausreißer nach oben, und irgendwann wird die Menschheit eh aussterben, welchen Unterschied macht es, ob das jetzt oder in 2000 Jahren passiert. Wenn man weit genug rauszoomt, wird alles irrelevant, Hoffnung idiotisch.
Am Ende Entropie.
Gerade erst ist wieder ein Zyklon auf Mosambik getroffen. Nie hat ein Wirbelsturm länger angehalten als dieser.
Ich war mal vor ein paar Jahren dort, in Beira. Schon nach dem letzten größten Zyklon hatten die Menschen nichts zu essen gehabt, der Sturm hatte die Vorratskammern weggespült, zusammen mit den Häusern, und der fast reifen Ernte. Die Kinder hatten tagelang geschrien vor Hunger. Dann haben sich die Menschen dran gemacht, alles wieder aufzubauen. Jetzt ist vieles wieder platt.
Die ZEIT hat mal eine Karte der Welt bei vier Grad mehr gezeigt. Mosambik war rotschraffiert. Unbewohnbar. Am Strand begegnete mir ein Kind, verkaufte Freundschaftsbändchen. Ich glaube, Manuel hieß er. Er hat einfach keine Chance. Mich macht das immer noch traurig. Aber vor allem macht es mich wütend. Und für Wut braucht man keine Hoffnung.
© RONJA RØVARDOTTER (Öffnet in neuem Fenster)
Ich weiß, Wut ist ein schwieriges Gefühl, war es für mich auch. Meine Eltern stritten viel, meine Mutter ist sehr dominant. Da war nicht viel Raum für meine Wut. In bürgerlichen Kreisen gilt das ewige „Streiten tut man nicht!“ und ich glaube, alle Familien, deren Großväter an der Front waren, die zurückkamen und prügelten, haben ein schwieriges Verhältnis zu Wut. Dabei ist sie so wunderbar, sie legt sich wie eine stachelige Schutzschicht um mich.
Das klappt natürlich nur, wenn man gerade die Energiereserven hat, wütend zu sein, und einen Plan, hat, was man mit der eigenen Wut anfangen kann. Zum Beispiel zivilen Ungehorsam leisten, und das ist von entscheidender Wichtigkeit zu kapieren: Wut muss nicht in den Krieg, zu Zerstörung führen, sie kann schützen, schaffen, Schönheit in die Welt bringen. Wenn man sie nicht in sich reinfrisst, sondern richtig nutzt.
Dann brauchst du keine Hoffnung, um etwas zu tun. Dann brauchst du kein Licht am Horizont. Dann brennt da eine Flamme in dir. Und die zeigt dir, wo es langgeht.