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Vielleicht kennst du das - 24.10.2022

Der Newsletter für die, die es kapiert haben

Vielleicht kennst du das

Politische Gruppierungen – das waren die mit Hitler. In der Schule hatten wir Videos der Befreiung von Auschwitz gesehen, ausgemergelte Leichen, die von Bulldozern in Massengräber geschoben wurden, dazu die Fackelmärsche der Nazis.

Meine Freunde, ich, wir misstrauten in Jugend und Studium allem Kollektiven, Massen schienen zu irrational, zu verführbar. Elias Canettis Masse und Macht stand in meinem Bücherregal und in meiner Erinnerung war der Umschlag schwarz, vielleicht weil das Buch mir schien, als würde es einen dunklen Zauberspruch enthalten.

Wir machten uns mit nichts gemein, stellten das Individuum über alles, was auch bei der Sinnsuche galt: Jeder klaubt sich postmodern halt seines zusammen – oder nichts.

Irgendwas tief in mir drin spürte aber auch, dass unsere Gesellschaft, ich diese Atomisierung nicht ewig durchhalten würde, zu anstrengend schien es, alles immer aus sich selbst schöpfen zu müssen.

© RONJA RØVARDOTTER (Öffnet in neuem Fenster)

Und seit ich das mit dem Klima kapiert habe, merke ich, dass sich da etwas verändert. Schon seit einigen Jahren experimentiere ich damit, in verschiedenen Intentional Communities zu leben, aber es geht darüber hinaus.

Es sind so kleine Sachen, wie: Ich gehe mit einer anderen Klima-Person einen Kaffee trinken, und er oder sie erzählt von einem Projekt, und ich kenne noch eine andere Person, die daran mitarbeitet. Oder  diese Twitter-Bekanntschaften, also Menschen, die ich noch nie persönlich getroffen habe, denen ich aber auf eine merkwürdige Art und Weise vertraue, weil wir den gleichen Blick auf die Welt haben. Dann das Netzwerk Klimajournalismus, bei dem ich auch deshalb mitmache, weil sich jedes Treffen anfühlt, wie ein kleines Nachhause kommen, in dieser unübersichtlichen Welt.

Es fühlt sich an, als würden sich da feine Fäden um mich spinnen, gleichzeitig Rhizom und Kokon. Auch dieser Newsletter ist so eine Erfahrung. Allein, seit ich eben angefangen habe, diesen Text zu schreiben, haben sich zwei weitere Abonnent:innen angemeldet, es scheint ein gestiegenes Bedürfnis nach Austausch und Miteinander zu geben. Vielleicht kennst du das?

Bisher lässt das keine Alarmglocken bei mir schrillen, wohl auch, weil sich kollektive Gewalt sehr fern anfühlt. Im Augenblick fühlt es sich schön an, gehalten angesichts des Wahnsinns da draußen.

Fühle ich mich deshalb als Mitglied der Klimabewegung? Nein. Die einen sind zu jung, die anderen zu schräg in ihrer Kommunikation, oder die Wahl der Mittel taugt mir nicht. Aber das Gefühl, dass viele Menschen um mich rum, und ich in die gleiche Richtung laufen, ja, das habe ich mittlerweile schon.

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