#62 Genosssenschaft digital
Die Initiative https://www.genossenschaften-digital.jetzt/ (Öffnet in neuem Fenster)bemüht sich schon seit langer Zeit darum, die traditionsreiche Rechtsform der Genossenschaft für das digitale Zeitalter fit zu machen - erfolgreich!
Der Bundestag hat am 26.09.2024 im Bürokratieentlastungsgesetz IV die Digitalisierung von Genossenschaften beschlossen » LINK zum Gesetzesauszug (PDF) (Öffnet in neuem Fenster). Das Gesetz tritt am 01.01.2025 in Kraft
Dies bedeutet …
Die Gründung einer Genossenschaft kann komplett digital erfolgen.
Die bisherige Schriftform (Originalunterschrift auf einem Dokument) wird durch die einfache Textform ersetzt. Auch ein digitaler Genossenschaftsbeitritt wird ermöglicht.
Dies ergänzt die Vielfalt der Versammlungsformen (s. unten).
zu 1) Gründung:
Die Satzung kann künftig als elektronisches Dokument ohne Originalunterschriften errichtet werden. Der Vorstand versichert gegenüber dem Registergericht, dass der Wortlaut der eingereichten Satzung identisch mit dem Wortlaut der von der Gründungsversammlung beschlossenen Satzung ist. Zudem erklären mindestens 3 Personen in Textform, dass sie in der (evt. digitalen) Gründungsversammlung Mitglied der Genossenschaft geworden sind.
Auch der Weg zum Notariat geht digital weiter >> https://online.notar.de/ (Öffnet in neuem Fenster)
Für (Wohn)projekte, bei denen Gemeinschaft und soziales Miteinander im Vordergrund stehen, hat eine feierliche Gründungsversammlung eine besondere Bedeutung, die sich von der einer Genossenschaft unterscheidet, die regional oder global wirtschaften möchte. Selbstverständlich ist es weiterhin möglich, eine Papiersatzung persönlich in einer Präsenzversammlung zu unterschreiben.
Nunmehr können auch digitale Plattformen als Genossenschaft gegründet werden und wachsen - zumindest ein Ansatz gegen Macht und Einfluss der großen Medien- und Techfirmen, die in der Hand Einzelner sind. Eine Genossenschaft ermöglicht ein anderes Wirtschaften!
zu 2) Willenserklärungen:
Das Erfordernis einer schriftlichen Beitrittserklärung ist in vielen Lebensbereichen nicht mehr zeitgemäß. Nicht jeder hat einen Drucker und möchte Briefe bei der Post aufgeben.
Dies vereinfacht die Mitgliedergewinnung - insbesondere von investierenden Genossen. Genossenschaften bekommen einen leichteren Zugang zu Eigenkapital. Das Einscannen einer Beitrittserklärung und das Abtippen der Daten verursacht zudem einen unnötigen Verwaltungsaufwand innerhalb der Genossenschaft.
Auch für Kündigung und Vollmachtserteilung reicht die Textform. Die Authentizität der Willenserklärungen sollte gesichert sein.
Ohne Satzungsänderung möglich
Damit auch Genossenschaften, die in ihrer Satzung den derzeitigen Gesetzestext wiedergeben und somit eine schriftliche Beitrittserklärung vorsehen, rasch von den neuen digitalen Möglichkeiten Gebrauch machen können, gibt es eine Übergangsregelung im künftigen § 177 GenG.
Der Übergang kann durch Beschluss erfolgen:
Der Vorstand der [Name der Genossenschaft] beschließt, vorbehaltlich der Zustimmung des Aufsichtsrats oder, falls die Genossenschaft keinen Aufsichtsrat hat, der Zustimmung eines von der Generalversammlung aus ihrer Mitte gewählten Bevollmächtigten, dass bis zum 31. Dezember 2029 folgende Erklärungen und Vollmachtserteilungen auch in Textform zulässig sind, auch wenn die Satzung die Schriftform vorsieht:
· Beitrittserklärung gemäß § 15 Absatz 1 Satz 1 oder § 15b Absatz 1 Satz 1,
· Vollmachtserteilung gemäß § 15 Absatz 1 Satz 3 oder § 43 Absatz 5,
· Kündigungserklärung gemäß § 65 Absatz 1, §§ 67, 67a Absatz 2, § 67b oder
§ 118 Absatz 2 Satz 1.
Dies gilt nicht, sofern die Satzung die Wirksamkeit der Textform ausdrücklich ausschließt.
Ort, Datum:
[Unterschriften des Vorstands und des Aufsichtsrats]
Um den digitalen Beitritt dauerhaft nutzen zu können, musst die Satzung der Genossenschaft spätestens bis zum 01.01.2030 geändert werden. Dies bedarf eines Beschlusses durch die Generalversammlung nebst Meldung ans Genossenschaftsregister. Bis dahin hat die Genossenschaft Zeit zum Testen.
zu 3) Versammlungen
Schon ab dem 1.9.2022 regelt das Genossenschaftsgesetz im neuen § 43b GenG (Öffnet in neuem Fenster)alle möglichen Formen der Generalversammlung:
als Präsenzversammlung an einem Ort, an dem die Mitglieder gemeinsam physisch anwesend sind,
als virtuelle Versammlung ohne gemeinsame physische Anwesenheit der Mitglieder an einem Ort,
als hybride Versammlung, an der die Mitglieder wahlweise am Ort der Versammlung physisch anwesend oder ohne physische Anwesenheit an diesem Ort teilnehmen können,
als Versammlung im gestreckten Verfahren, aufgespalten in
a) eine Erörterungsphase, die abgehalten wird
- als virtuelle Versammlung oder
- als hybride Versammlung undb) eine zeitlich nachgelagerte Abstimmungsphase.
Auch für diese Varianten ist keine Satzungsänderung notwendig.
Alle Tagesordnungspunkte sind in jedem Format möglich, d.h. auch Wahlen sind virtuell möglich. Damit werde „die Gleichwertigkeit des virtuellen Formats mit der Präsenzversammlung hervorgehoben“, heißt es zur Gesetzesbegründung.
Vorstand und Aufsichtsrat (bzw. Bevollmächtigte) entscheiden gemeinsam nach pflichtgemäßem Ermessen unter Berücksichtigung der Interessen der Mitglieder über die Form der Versammlung.
Praxistipps
Initiativen, die die Gründung einer Genossenschaft anstreben, sollten frühzeitig darüber nachdenken, wie sie sich digital rechtssicher aufstellen können. Dies betrifft insbesondere die interne Kommunikation, die externe Öffentlichkeitsarbeit sowie die Verwaltung.
Für die digitale Infrastruktur sollte bereits vor der Gründung ein Budget eingeplant werden. Gerade ehrenamtliche Vorstandsmitglieder können so von Schreibarbeit entlastet werden.
Anregungen über digitale Lösungen finden Sie unter …
https://www.hostsharing.net/loesungen/datencloud/ (Öffnet in neuem Fenster)oder bei …
https://werkzeugkasten.kulturfoerdervereine.eu/werkzeugkasten/?fbclid=IwZXh0bgNhZW0CMTEAAR29f7DVoL4UIOweZuMMYwvA97dJTFlhrVPlHwABh40N39fyoYemsWRLXZ8_aem_6hd4s-9772r74cQfnk-oow&utm_source=newsletter&utm_medium=email&utm_campaign=NL_16_24&newsletter=NL_16_24 (Öffnet in neuem Fenster)Ihre Angelika Majchrzak-Rummel
Rechtsanwältin und Projektberaterin