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Eine Erinnerung an das, was war. Und die besten Wünsche für das, was kommt.

Die wenigsten wissen, dass das Wort "Ghetto" (Öffnet in neuem Fenster) venezianisch ist - für die Juden, die aus Spanien fliehen mussten, wurde Venedig einst zum Zufluchtsort. Bevor das Jahr zu Ende geht, hier zwei besondere Folgen des Venedig-Podcasts von Reskis Republik: Sie handeln von der Vertreibung der Juden aus Venedig, die sich dieses Jahres zum achtzigsten Mal gejährt hat: Am 5. Dezember 1943 wurden 254 venezianische Juden aus Venedig deportiert (Öffnet in neuem Fenster) - nur acht überlebten.

Für unseren Podcast haben wir in zwei Folgen mit den Nachkommen derjenigen gesprochen, die damals die Deportation überlebt haben und nach Venedig zurückgekehrt sind: mit Dario Calimani (Öffnet in neuem Fenster), dem Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde von Venedig, und mit Shaul Bassi (Öffnet in neuem Fenster), Professor an der Uni Ca' Foscari und Sohn des ehemaligen Vorsitzenden der jüdischen Gemeinde Roberto Bassi, der ein wunderbares Buch über das Überleben seiner Familie geschrieben hat: »Scaramucce sul lago Ladoga« (Öffnet in neuem Fenster). Leider gibt es das Buch nicht auf Deutsch, aber auf Englisch (Öffnet in neuem Fenster).

Roberto Bassi (Öffnet in neuem Fenster) war ein engagierter Dermatologe: Lange Zeit leitete er die Dermatologie des venezianischen Krankenhauses, auch ich war seine Patientin - der er immer verwundert erzählte, dass ausgerechnet der deutsche Kommissar Derrick sein Lieblingskrimi sei. Und eines Tages berichtete er mir von seinem Buch. Seitdem ich es gelesen habe, kann ich nicht mehr vergessen, dass am Eingang von Harry’s Bar ein Schild hing, auf dem zu lesen war: “Zutritt verboten für Hunde und Juden”.

In Folge 1 starten wir mit dem Mythos der "Italiani brava gente" (Öffnet in neuem Fenster), über den ich bereits in meinem Newsletter berichtet (Öffnet in neuem Fenster)habe. Wir sprechen über den Antisemitismus im faschistischen Italien, die deutsche Besatzung des Nordens und die so wichtige Entscheidung, vor der die Juden Venedigs 1943 stehen: Bleiben, untertauchen oder fliehen?

https://open.spotify.com/episode/3nROAcDPgp1a2YmoWnRieu?si=2iydR3ZZSGuLQfxcEV-6yQ (Öffnet in neuem Fenster)

In Folge 2 berichten Dario Calimani und Shaul Bassi darüber, wie ihre Eltern überlebten - und wieder nach Venedig zurückkehrten.

https://open.spotify.com/episode/4VUiPrz1lfmMeWumkgzBRu?si=i-1QSO6USRKzKV283_doJA (Öffnet in neuem Fenster)

Die Idee zu diesen beiden Folgen über die Shoah in Venedig hatte der Kollege Christopher Weingart (Öffnet in neuem Fenster)- wofür ich ihm danke! Auch, um daran zu erinnern, dass Venedig mehr ist als touristische Überfüllung und ein kaltschnäuziger Bürgermeister.

Eine wirkliche Aufarbeitung des Faschismus hat es in Italien nie gegeben. Es war Berlusconi, der die Faschisten einst mit Gianfranco Fini (Öffnet in neuem Fenster)wieder salonfähig gemacht hat. Fini hatte das Erbe von Giorgio Almirante (Öffnet in neuem Fenster) angetreten , der erst Redakteur des Hetzblatts »Die Verteidigung der Rasse« und später Staatssekretär in Mussolinis Marionettenstaat Repubblica di Salò war. Und der ein Jahr nach Ende des Faschismus den neofaschistischen MSI, das Movimento Sociale Italiano gründete, aus dem die Alleanza Nazionale hervorging.

Berührungsängste mit alten Faschisten hat hier niemand. Heute ist Giorgia Meloni Ministerpräsidentin und Führerin der rechtspopulistischen Fratelli d’Italia, der „Brüder Italiens“: Jener Partei, in deren Logo immer noch die grün-weiß-rote Flamme lodert, die in der Symbolik der italienischen Rechten für die ewige Flamme auf dem Grab Mussolinis steht - einst das Symbol der neofaschistischen MSI. Und der Senatspräsident Ignazio La Russa rühmt sich, Sammler von Mussolinibüsten zu sein.

In diesem Sinne möchte ich Ihnen ein Juwel des italienischen Journalismus nicht vorenthalten: Giorgia Meloni wurde zum “Mann des Jahres” erklärt - natürlich von Libero, dem rechtslastigen Blatt, das einst Berlusconi gehörte, und nun Teil des Teil des Medienimperiums von Antonio Angelucci (Öffnet in neuem Fenster) ist.

Angelucci ist einer jener “Wunderunternehmer” an denen es in Italien nicht mangelt: Er stieg vom Krankenhauspförtner nicht nur zum König der Privatkliniken im Lazio auf, sondern auch zum Medienmogul, seitdem ihm auch die Tageszeitungen “Il Tempo” und “Il Giornale” gehören. Wie es heißt, verhandelt er gerade mit den Agnellis über den Kauf der “Repubblica” .

Angelucci war einst Abgeordneter von Forza Italia und sitzt jetzt für die Lega im Parlament (wenn er denn dort sitzt: Anwesenheit bei Abstimmungen: 4%). Wenn man solche Verleger hat, muss man sich als Politiker natürlich keine Sorgen mehr machen. Und für den Fall, dass dennoch unangenehme Ermittlungen ans Licht kommen könnten, liegt jetzt ein Gesetzesvorschlag vor, der die Pressefreiheit in Italien weiter einschränken soll: Journalisten sollen nicht mehr aus Haftbefehlen zitieren dürfen. Und da die Haftbefehle meistens korrupte Politiker betreffen, ist die Richtung klar, woher der Wind weht.

Meloni also “Mann des Jahres” - ich aber frage mich: Warum so zögerlich? Warum nicht gleich “Mann der Vorsehung?” (Öffnet in neuem Fenster).

Und zum Schluss aus Venedig noch ein Video, dass hoffentlich zur Aufklärung beträgt: Noch immer verstehen viele Venedig-Besucher nicht, dass eine Gondel kein Auto ist und ein Kanal keine Straße, weshalb es keine gute Idee ist, wenn sich für ein Selfie alle auf eine Seite beugen …

(Besonders schön sind die Flüche)

https://www.youtube.com/watch?v=FdstiO2b3Tk (Öffnet in neuem Fenster)

Ich bin keine gute Jahresend-Analystin, möchte mich aber bei Ihnen allen für die Unterstützung bedanken, die Sie mir und Reskis Republik (Öffnet in neuem Fenster) haben zukommen lassen. Bislang unterstützen 183 Ehrenvenezianer Reskis Republik - ich denke aber, dass hier noch Platz für mehr Gesellschaft ist!

In diesem Sinne wünscht Ihnen Petra Reski ein wunderbares neues Jahr!

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