Über Schurken, Kröten und Chinesen
So sah der Himmel hier gestern Abend über dem Markusbecken aus (Foto ohne Filter!!). Und ja, hier wird mit Schönheit nur so um sich geworfen, dass wir uns wieder mal fragen: Was hat Venedig verbrochen, dass es in die Hände von Schurken wie unserem Bürgermeister fallen musste?
Angesichts des Polizeiaufgebots, das neulich Abend den Campo vor der Fenice sicherte, hätte man annehmen können, dass der Papst hier Polka tanzt, aber es war nur Elton John, der ein Privatkonzert für Prominente, Politiker und wohlhabende Investoren des Luxusjacht-Herstellers Ferretti (Öffnet in neuem Fenster) gab. Und wo Vips sind, durfte Brugnaro natürlich nicht fehlen:
Seine Anwesenheit hier bewies wieder einmal, dass Schamgefühl für Brugnaro ein Fremdwort ist: Kaum jemand hat ein treffsicheres Urteil über Brugnaro abgegeben als Elton John, nachdem Brugnaro als frisch gewählter Bürgermeister 2015 als erste Amtshandlung aus venezianischen Kindergärten fünfzig Kinderbücher verbannt hatte, in denen gleichgeschlechtliche Eltern eine Rolle spielen: „Das schöne Venedig geht tatsächlich unter, aber nicht so schnell wie der ungehobelte und bigotte Brugnaro“, schrieb Elton John damals (Öffnet in neuem Fenster). Worauf Brugnaro, der sich vorzugsweise in einem verkrüppelten Festlands-Idiom ausdrückt, das nichts mit dem melodischen, sanften Venezianisch zu tun hat, mit “Lieber Elton John&Kumpane, Du willst Venedig retten? Dann rück’ ein paar Kröten raus“ antwortete, um seine Bildung und Weltoffenheit auch sprachlich zu unterstreichen. Seitdem klebt der Ausdruck fora i schei (Kröten raus) an Brugnaro wie Hundekacke unter dem Schuh. In einem Fernsehinterview verstieg sich unser Bürgermeister sogar einmal zu der ungewohnt offenen Feststellung: “Von der Politik verstehe ich nichts, aber davon Geld (schei) zu machen”, woraus dann gleich ein YouTube-Hit (Öffnet in neuem Fenster) entstand.
Der Schlagabtausch mit Elton John ging um die Welt (Öffnet in neuem Fenster) - weshalb es beschämend ist, dass die venezianischen Medien zwar jeden in der Menge erspähten Vip erwähnten - den Modeschöpfer Domenico Dolce, den Schauspieler Pierfrancesco Favino, Promiwerber für Ferretti, etc.pp. - aber keine Silbe darüber verloren, wie peinlich Brugnaros Anwesenheit war.
Ferrettis CEO Alberto Galassi hob in seiner Rede noch hervor, dass er seine Liebe zu Venedig Bürgermeister Brugnaro verdanke - was nicht verwundert, hat Brugnaro ihm doch praktisch das Arsenale für seine jährliche Motoryacht-Show geschenkt. Glücklicherweise wurden Teppiche auf die Treppen der Fenice gelegt, damit die Vips nicht auf der Schleimspur ausrutschen mussten.
Es waren nicht nur Polizisten, sondern auch Totengräber, die den Campo bewachten, möglicherweise deshalb, weil die Investigativ-Sendung "Report” - von Brugnaro bereits als “Abschaum Italiens” tituliert (Öffnet in neuem Fenster) - knapp eine Woche zuvor wieder über die korrupten Geschäfte unseres Bürgermeisters berichtet hatte und Brugnaro befürchtete, wie einst der Sozialistenchef Craxi, Symbol für Korruption und Kriminalität, beim Verlassen der Fenice mit Münzen beworfen zu werden.
https://www.raiplay.it/video/2023/12/Cera-un-cinese-a-Venezia---Report-17122023-c1018bbe-7ff2-4a64-a13a-674999fda5f8.html#:~:text=Report%20C%27era%20un%20cinese%20a%20Venezia&text=Di%20Walter%20Molino%20e%20Andrea,venduti%20a%20prezzi%20di%20saldo. (Öffnet in neuem Fenster)Im Wesentlichen ging es in Report um Brugnaros wiederholten Versuch, sein 44 Hektar großes Grundstück in Marghera an einen chinesischen Investor zu verkaufen, wovon wir in Venedig bereits 2018 erfahren haben:
https://www.petrareski.com/2018/02/07/mister-kwong-auf-shoppingtour/?fbclid=IwAR1h_ZqAlvAaK1gpu0kapn1xXAZFMcApKnKT0o93enK2We3wUItkqfZlJmM (Öffnet in neuem Fenster)Allerdings haben die Journalisten von Report jetzt noch viel mehr herausgefunden: Nicht nur, dass dem Chinesen gewissermaßen als Eintrittskarte für Venedig zwei Palazzi aus städtischem Besitz verkauft wurden - Mister Kwong bekam Palazzo Donà und Palazzo Papadopoli für einen Freundschaftspreis. Bei der öffentlichen Ausschreibung war der Chinese auf wundersame Weise der einzige Bieter und bekam den Zuschlag, nachdem ihm sein Vertrauensmann geschrieben hatte: "Es wird kein Problem sein, ihn [den Palazzo] an Sie zu vergeben. Ich habe die rechte Hand des Bürgermeisters getroffen, und er hat mir das bestätigt."
Neu ist auch, dass Brugnaro den Verkauf seines Grundstücks in Marghera tatsächlich selbst mit dem Chinesen verhandelt hat, obwohl er ja geschworen hatte, seine Geschäfte einem “Blind Trust” (Öffnet in neuem Fenster)zu überlassen, um Interessenkonflikte zu vermeiden. Dass dieser Blind Trust sehr gut sehen kann, kam heraus, nachdem Report mit einem Video (Öffnet in neuem Fenster) bewies, wie Brugnaro sich mit dem Chinesen im Spielcasino (wo sonst) von Venedig getroffen hat, um dort sein Grundstück anzupreisen - auf dem eine gigantische Waterfront entstehen sollte. Als Brugnaro von dem Chinesen auch noch eine nicht rückzahlbare Garantie von 10 Millionen Euro für das Geschäft verlangte, war es Mister Kwong doch zu viel: Das Geschäft kam nicht zustande.
Wie sehr Brugnaros Amt seinen Geschäften dient, zeigen auch die nüchternen Zahlen, die ein Sachverständiger für Geldwäsche in Report zitierte: Als Brugnaro sein Amt antrat, verfügte er über liquide Mittel im Umfang von sieben Millionen Euro, erzielte 370 Millionen an Umsatz und verdiente 10 Millionen im Jahr. Im Jahr 2022 haben sich die sieben (7) Millionen Euro liquiden Mittel bereits zu 72 Millionen verzehnfacht, der Umsatz stieg auf eine Milliarde Euro, und das Nettovermögen stieg von 60 Millionen auf 380 Millionen. Kein schlechter Deal.
Brugnaro weigerte sich, mit den Journalisten von Report zu reden, redete sich aber im Interview mit dem Corriere della Sera um Kopf und Kragen, wie Report hier noch mal (Öffnet in neuem Fenster)unterstreicht:
1. Er gibt zu, dass er als Bürgermeister persönlich über den Verkauf seines (40 Hektar großen) Grundstücks verhandelt hat, von dem er den Bürgern geschworen hatte, dass er es nicht verkaufen würde.
2. Er hat das grundlegende Vorrecht seines Blind Trust verletzt, indem er das Geschäft persönlich ausgehandelt und sogar 10 Millionen Euro als Garantie verlangt hat. Damit hat er sein Amt als Bürgermeister der Venezianer mit seinen privaten Interessen vermengt, von denen er geschworen hatte, sie zu beseitigen, indem er alles dem amerikanischen Anwalt Ivan Sacks und seinen Managern anvertraut hat.
Wenn wir hier in Venedig eine Staatsanwaltschaft und eine Lokalpresse hätten, die ihren Namen verdient, säße Bürgermeister Brugnaro nicht als im Rathaus, sondern im Gefängnis. Doch Berlusconi hat hier ja Schule gemacht.
Aber ich will Sie ja nicht mit dem ollen Brugnaro ins Weihnachtsfest entlassen. Deshalb, bevor Sie jetzt alle im Geschenkpapier und Engelshaar versinken, noch ein Filmtipp: In den deutschen Kinos ist gerade der Film “Lagunaria” angelaufen:
https://www.youtube.com/watch?v=eVo3wxVdXag (Öffnet in neuem Fenster)Ich habe über Lagunaria im Deutschlandfunkkultur gesprochen, in der Sendung Fazit, nachzuhören hier (Öffnet in neuem Fenster) ab Minute 12’20". Gefallen hat mir besonders dass Venedigs Schicksal wie ein Märchen erzählt wird: Ein Film, der poetisch ist und dennoch nicht der Versuchung erliegt, im Kitsch zu schwelgen.
Die TAZ hat Lagunaria auch gelobt (Öffnet in neuem Fenster) - kurz: unbedingt ansehen!
In diesem Sinne grüße ich Sie aus Venedig mit einem Bild von der Piazzetta des Markusplatzes mit dem Weihnachtsbaum, der nachts natürlich viel besser aussieht als tagsüber!
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Schöne Weihnachten und ein neues Jahr - in dem alles hoffentlich besser wird, wünscht Ihnen Ihre Petra Reski!
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