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Endspurt

Rückkehr der Leichtigkeit/Hanif Kureishi/OSS117/Korrekturen/Fabien Vallos

Dies ist der letzte Newsletter vor der Sommerpause, der nächste landet am 3. September wieder in ihrem Postfach. Dann beginnt meine Lieblingsjahreszeit, die rentrée, also die Saison des Schulbeginns, die ich seit meiner Kindheit mit neuen Schreibwaren und neuen Büchern verbinde.

Nachrichtentechnisch endet diese Saison mit der sommerlichen Geschichte von der Löwin, die ein Wildschwein war. Es war befreiend und beglückend zu lesen, wie sich auf Twitter eine lange vermisste Leichtigkeit Bahn brach. Nun konnte man erkennen, welcher Druck seit dem Überfall auf die Ukraine auf allen lastet. Es geht aber schon viel länger: Die dunkle Zeit begann mit dem Sieg von Donald Trump 2016 - dem Jahr des deprimierenden Erfolgs der Brexit-Kampagne in London. Später folgte diese mörderische Corona-Pandemie. Seitdem schaut man die Nachrichten mit der Miene junger Eltern, deren Kind immer höheres Fieber entwickelt.

So eine Sommerpause dient der Besinnung: Trump und Putin haben ihre Zukunft hinter sich. Heute sind sie es, die besorgt in ihren Kalender blicken und sich fragen.,welche Tage sie wohl noch gesund und in Freiheit verleben werden? In all den Krisen ist Europa, trotz machen Schwächen, geeint geblieben. Niemand folgt dem Brexit und Ungarn steht isoliert da. Die Front des Entsetzens gegen die russische Führung ist ebenso intakt. Weder ist China Putin zur Hilfe gekommen, noch haben sich die BRICS-Staaten als Unterstützer erwiesen. Nicht mal zu ihrem Gipfel kann er anreisen, ohne seine Festnahme fürchten zu müssen. Sein Radius wird immer kleiner.

Allerdings sind die Parteien der extremen Rechten und die Anhänger rassistischer Gedanken auch in vielen westlichen Ländern noch viel zu munter. Sie vertreten aber stets nur eine Minderheit. Ihr Erfolg beruht auf der Uneinigkeit, der Zerstrittenheit ihrer Gegner. Die Mehrheit der Menschen ist nicht rassistisch, freut sich nicht am Hass und möchte auch keine neuen Grenzen (und auch nicht dauernd auf Twitter).

Darum ist die Idee der Solidarität der Demokraten in der Politik so wichtig. In unseren Gesellschaften der Einzelgänger liegt die Versuchung stets nahe, die Differenzen eher zu sehen als die Gemeinsamkeiten. In Frankreich ist es besonders ausgeprägt: Da ist die politische Bühne voller Solisten, wo ein Chor nötig wäre. Und es ist nervenaufreibend, wenn CDU und CSU ein mediales Förderprogramm für die Rechten unterhalten: Freibadzoff und Asyl als Themen Nummer Eins hochzujazzen, genau wie die AfD es immer behauptet, dann aber mit Vorschlägen kommen, an die sie selbst nicht glauben, die eh nicht kommen und wenn, dann nichts bringen.

Es ist, als würde ein Wirt vor sein Lokal treten und rufen, dass deutschen Männern und Frauen nur ein saftiger Schweinebraten mit Knödeln, mit Pils schmeckt – selbst aber nur sparsam belegtes Graubrot und kalten Hagebuttentee anbietet. Besser kann man es nicht machen, wenn man den Rechtsextremen helfen möchte.

Am 26. Dezember stürzte Hanif Kureishi, der Schriftsteller (Der Buddha aus der Vorstadt) und Drehbuchautor (Mein wunderbarer Waschsalon), in der Wohnung seiner Freundin in Rom derart unglücklich, dass er beinahe starb. Seitdem ist er stark eingeschränkt, auf fremde Hilfe angewiesen. Doch mit der Hilfe von Freunden und Familie konnte seine Verbindung zur lesenden Welt aufrechterhalten. Seitdem schreibt er berührende, erschütternde, manchmal aber auch sehr komische Texte. Sie sind immer inspirierend, denn sie schöpfen ihre Kraft aus jener Zerbrechlichkeit, fragilité, die allen Menschen gemeinsam ist. So wie Hanif kann jede, jeder stürzen und das verbindet uns mehr, als uns der ganze Rest trennt. Wenn man aber schmerzfrei und mobil unterwegs ist, ermahnt uns Hanif, unser Glück, das Glück der Freiheit auch wertzuschätzen. Und nach dieser Lektüre erinnert man sich wieder daran. Aber er entfaltet noch eine weitere Dimension: Selbst nach einem Schicksalsschlag gibt es Ressourcen, die das Leben verbessern: Freunde, Familien, Lesen und Schreiben, die Dinge der Kultur, die Erinnerungen und die Liebe. Last not least, auch wenn es manchem banal klingt: das Gesundheitssystem. Hanif ist voller Bewunderung für die Menschen, die ihn pflegen.

https://hanifkureishi.substack.com/ (Öffnet in neuem Fenster)

In ersten Zeiten schlägt die Stunde der Komödien. In Frankreich spielt hier die legendäre Serie der OSS 117- Filme eine wichtige Rolle. Rassismus, Ignoranz und Arroganz werden parodiert, es ist eine Zeitreise in die Epoche der Agentenfilme und der eleganten Ausstattung, aber eben mit dem Wissen von heute. Sehr empfehlenswert und in der Rundfunkgebühr bereits enthalten in der ZDF -Mediathek, auch mit der originalen französischen Tonspur.

https://www.zdf.de/filme/oss-117/oss-117--liebesgruesse-aus-afrika-100.html (Öffnet in neuem Fenster)

In so einen Solo-Newsletter schleichen sich immer wieder mal Fehler ein, darum freue ich mich, wenn mich Leserinnen und Leser darauf hinweisen.

Die Anekdote mit Hilary Mantel letzter Woche kann - eine Leserin schrieb mir dazu mit dem Betreff Top Fun - zeitlich nicht stimmen, denn Mantels Abitur muss lange vor dem Kinostart von Tom Cruises Top Gun 1986 gelegen haben. Womöglich ist Top Gun aber auch ein gängiger Begriff, so wie Flieger-As, ganz unabhängig vom Film.

Helmut Hafner schrieb, um den Eindruck zu korrigieren, die Münchner Rätepublik sei ein Club von Fantasten gewesen und legte das Manuskript einer Rede bei, die er einmal auf Gustav Landauer gehalten hat – Danke dafür.

Und meine Tochter wies mich darauf hin, dass es sich beim Klimaschutz-Urteil des Verfassungsgerichts noch nicht um ein Urteil, sondern um einen Beschluss handelt.

Der Philosoph und Ethnologe und Künstler und -Koch Fabien Vallos gehört zu meinen liebsten Entdeckungen in dieser Saison. Daher heute statt eines Rezepts - seine umfassende Sammlung von wunderbaren mediterranen Gerichten findet man auf seinem Insta-Account

https://www.instagram.com/fabienvallos/ (Öffnet in neuem Fenster)

Hier ist ein kurzer Film über ein Bankett, das Vallos in einem Restaurant in der Camargue angerichtet hat - inspiriert von den Rezepten der Reiseberichte von Alexandre Dumas. So etwas könnte es öfter geben.

https://www.youtube.com/watch?v=yl3ktFSiI_0 (Öffnet in neuem Fenster)

Kopf hoch,

ihr

Nils Minkmar

PS: Staus, Bahn-Chaos, Flughafen-Huddel - verreisen Sie doch in Zeit und Raum anhand eines guten Buches oder verschenken sie es:

https://www.fischerverlage.de/buch/nils-minkmar-montaignes-katze-9783103972948 (Öffnet in neuem Fenster)

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