NEUNERs #010
Die Bundestagswahl liegt tatsächlich erst eine Woche zurück. Die Union blieb weit unter den Erwartungen (aber bereits voll im Potential?), die SPD lag im Rahmen der Erwartungen (aber weit, weit unter ihrem Potential?), die AfD wurde verdoppelt, die Grünen haben gerade so die Kurve bekommen, die FDP ist raus, die Linke ist dabei, das BSW ist ungläubig nicht drin.
Medial schabloniert war dann ein bisschen viel von „unvollendet“ die Rede und vom Scheitern. Die Bühne verlassen zum Teil recht junge Poltiker*innen. Verbraucht? Jetzt schon? Vor wenigen Jahrzehnten wäre das noch der Nachwuchs gewesen.
Hier eine Reihe von Auswertungen und Deutungen:
Analyse der Konrad-Adenauer-Stiftung (Öffnet in neuem Fenster)
Kommentar der Heinrich-Böll-Stiftung (Öffnet in neuem Fenster)
Analyse der Friedrich-Ebert-Stiftung (Öffnet in neuem Fenster)
Kommentar der Friedrich-Naumann-Stiftung (Öffnet in neuem Fenster)
Analyse der Rosa-Luxemburg-Stiftung (Öffnet in neuem Fenster)
Analyse der Amadeus Antonio Stiftung (Öffnet in neuem Fenster)
Ganz gut gefallen, wenn es auch am Ende etwas aufgeregt zugeht, hat mir die Folge vom „Jung & Naiv“ Podcast mit Albrecht von Lucke und Ulrike Hermann.
https://pca.st/episode/dcaad062-3208-49c7-b296-40947a31265d (Öffnet in neuem Fenster)Zurecht reagieren viele mit Empörung und Befremden auf das Schaustück im Oval Office von Freitag. Lange Zeit lassen Trump und Vance das Treffen mit Selenskyj laufen. Vance allerdings muss dem Chef gefallen, ein Zeichen setzen. So wie Musk das immer vorführt. Ist ja schließlich Airtime und TV-Show, es zählen Performance und Konflikte. Und dem Chef gefällt es deshalb, wen einer ruppig und bold auftritt und gleichzeitig dafür sorgt, dass die Dinge weiter im geplanten Plot laufen. So geht Vance dann voll rein, nachdem sich der ukrainische Präsident gegen die Täter-Opfer-Umkehr durch Trump gewehrt hat. Ob das nun smart war von Selenskyj, oder nach drei Kriegsjahren „moderat“ genug. Ob die Suche nach seiner Mitverantwortung schon die nächste Täter-Opfer-Umkehr ist. In jedem Fall will sich einer vom Schlage Trumps nicht öffentlich sagen lassen, dass die USA als nächstes dran seien. Und auf gar keinen Fall will er in so einer Audienz was von irgendwelchen Unsicherheiten für sein Land hören, schon gar nicht von einem, der positive Referenzen zu Biden macht. Und es nervt ihn, dass der Krieg nicht binnen der von ihm versprochenen Tage beendbar ist. Da muss Selenskyj, der für diesen Zweck zu wenig funktioniert und zu wenig unterwürfig ist, klein gemacht und am besten bald ersetzt werden, um einen „schnellen Frieden“ und einen gewinnbringenden Deal um Bodenschätze (freilich ohne verlässliche Gegenleistung) für Trump zu ermöglichen. Außenminister Rubio repostet (Öffnet in neuem Fenster) später Vance, der Trump repostet, der postet: „I have determined that President Zelenskyy is not ready for Peace if America is involved“. So war das eben kein Zufall, sondern ein weiterer Schritt auf dem aktuellen Kurs der USA. Die US-Regierung versucht erst gar nicht erst, irgendwas zu verpacken. Hier wird nicht mehr über Werte und Verbundenheit und gegenseitige Verantwortung gesprochen, hier wird kein verdaubarer Übergang gebaut (wobei das nach Eppler (Öffnet in neuem Fenster) auch ein schräges Sprachbild ist). Es geht eins zu eins um Interessen. Und vor diesem Hintergrundbild spielen dann die spezifischen Persönlichkeiten, ihre jeweilige Psychologie und ihre Beziehungen. (Rubio?). Selenskyj baut auf seine bewährte Argumentationsstrategie. Sie zieht nicht. Im Gegenteil: „Was erlauben Selenskyj?“. Hätte er eine Chance gehabt, etwas anders zu machen und damit etwas anderes zu erreichen? Vielleicht. Die übergeordnete Strecke aber ist die Machtpolitik der USA, die unverblümt auf die (von Trump und Co) definierten Interessen des Landes zielt und der jeder weitere Schaden (letztlich auch der des eigenen Landes) egal ist. Der „Event“ war eine Etappe. Selenskyj hatte so gesehen keine Chance. Um Diplomatie ging es nie.
Mehr und andere Gedanken bei „The Rest Is Politics“ und „The Rest Is Politics US“. Deutsche Kommentare und Perspektiven reichen angesichts der Lage nicht aus.
https://pca.st/episode/43b71527-26b7-4ce5-9dfc-84ac2884b397 (Öffnet in neuem Fenster)https://pca.st/episode/13e14557-7e9a-415e-83bd-296aab3f371e (Öffnet in neuem Fenster)Empfehlungen
Lesen
Ein sehr vielversprechendes Buch ist Ende Januar erschienen - „Traumaland“ (Öffnet in neuem Fenster) von Asal Dardan. In ihrer „Spurensuche in deutscher Vergangenheit und Gegenwart“, mit der sie „Vorgehens- und Denkweisen“ ausprobieren und anbieten will, um an die Ursachen von Gewalt zu kommen und sie zu verhindern, schreibt Dardan:
„Sich Zeit zu nehmen, um der Bedeutung des Verlusts nachzuspüren, immer wieder, ist Teil von Trauerarbeit. Sie widmet sich den Spuren eines einzelnen Menschen, eines individuellen Lebens und seiner Bedeutung für das eigene Leben. (…) So möchte ich Geschichte betrachten, räumlich, perspektivisch, offen, lesbar, nicht in Form gebracht. (…) Ich möchte die Machtstränge aufdrehen, nach den fallen gelassenen Strängen suchen.“
Asal Dardan, Traumaland

Essen
Ich bin endlich den verschiedenen Empfehlungen (die Berliner Zeitung (Öffnet in neuem Fenster) besucht extra den Westen, der Tagesspiegel (Öffnet in neuem Fenster) bleibt mit Sissi Chen einfach dort) ins Do De Li (Öffnet in neuem Fenster) in der Berliner Kantstraße gefolgt und habe die Aubergine mit Hackfleisch (#70) gegessen.
Klint gut? So klingt zumindest der leise auf dem Stövchen simmernde Topf, umgeben von Menschen an Tischen mit anderen Töpfen und Schüsseln vor sich.

Danke für die Kontenance.
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