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S(i)eems GREAT to me: Meine Tipps für Sie (Nr. 4/23)

Herzliche Grüße aus der (überraschend) schönen Hafenstadt Palermo, sehr geschätzte Unterstützer der LuxusProbleme. Die letzte Station unserer Sizilienrundfahrt ist erreicht und vier Wochen ständigen Kulissenwechsels neigen sich ihrem Ende entgegen. Berauscht von den Eindrücken – und erschöpft vom Roadtrip-Urlaub mit einer Hundediva (Öffnet in neuem Fenster) – sitze ich im abgedunkelten B&B-Kämmerchen mit Blick auf adrette Häuserfassaden, Palmen und Fährschiffe. Warum? Natürlich, um mit diesem Newsletter wieder eine Menge Kultur- und weitere Empfehlungen mit Ihnen zu teilen. Andiamo, amici!

Nehmen Sie sich auch immer zu viel vor, wenn eine Job-Auszeit aka ein Erholungsurlaub ansteht? Damit meine ich nicht heillos überfrachtete Sightseeing-Agenden oder das enzyklopädische Einlesen in sämtliche Ziele à la Studiosus (Öffnet in neuem Fenster)-Gruppenfahrt. Ich lebe bei der Ferienplanung einfach in einem naiven „Teletubbies (Öffnet in neuem Fenster)“-Land, in dem Tage und Kraftreserven nie enden, wo ich alles schaffen kann. Die auf dem iPad digitalen Staub sammelnden E-Books, zig Serienstaffeln, abendfüllende Diskussionen mit meinem Mann über den State of the World, ausgiebiges Am-Strand-Liegen, eifriges Stapfen durch antike Ausgrabungsstätten unter sengender Sonne ... In der Theorie gibt es nichts, was mir nicht gelingen dürfte.

Tja, und dann kracht die Wirklichkeit wie ein Meteorit mitten hinein ins mentale Idyll aus grünen Hügel, bunten Blumen und kichernden Wesen mit bunten Antenne auf dem Kopf. Statt everything goes und „Du schaffst es“ sind dringliche Fragen nach Parkplätzen in engen sizilianischen Gassen, mögliche Lösungsrouten für die Cavalier-Hündin und Strategien gegen die enervierende Kakofonie aus Mopeds, Ape 50, von Balkonen bellenden Vierbeinern, bis zum Anschlag aufgedrehten Autoradios und mit Verve geschrienen Unterhaltungen zu suchen.

Deshalb finden Sie unter den folgenden Tipps auch einige unerledigte To-dos. Was sie – in meinen Augen – nicht weniger empfehlenswert macht. Ich wünsche Ihnen von Herzen mehr Muße für Ihre Kulturkonsum-Pläne des Sommers. Bleiben Sie gesund und neugierig, Ihr Siems Luckwaldt

Kopfkino

For Your Own Good (Öffnet in neuem Fenster)“ von Samantha Downing: Dieses (Hör-)Buch hat mich nach etwas Anlaufzeit schwer begeistert und sei allen, die selbst Lehrer waren oder Lehrende kennen, wärmstens ans Herz gelegt. Weil darin der Elite-Schulbetrieb samt begüterter Schüler und deren anspruchsvollen Eltern höchst süffisant seziert werden. Die Handlung? Teddy Crutcher, „Lehrer des Jahres“ an der renommierten Belmont Academy, tut alles, um die ihm anvertrauten Jugendlichen zu bilden und aufs Leben vorzubereiten. Wirklich alles! Kleine Warnung: Es könnte passieren, dass Ihnen nach der Lektüre der Kaffee in Kantine oder Kollegenküche nicht sonderlich mundet.

Denk an mich, wenn du stirbst (Öffnet in neuem Fenster)“ von Jennifer Hillier: Schon ihr Spannungsroman „Liebe mich, töte mich (Öffnet in neuem Fenster)“ hat mich gut unterhalten, deshalb landete auch dieser Titel in meiner Bücherei-App (Öffnet in neuem Fenster). Nebenbemerkung: Wie deutsche Verlage auf ihre quälend prosaischen Übersetzungen englischer Originaltitel kommen, wird mir ewig ein Rätsel bleiben. „Liebe mich ...“ heißt eigentlich „Jar of Hearts“, das hier empfohlene Werk schlicht „Little Secrets“. Na ja, der geschickten Konstruktion dieses Krimis tut das Umschlags-Blabla keinen Abbruch.

Der Plot: Während des Weihnachtsshoppings in Seattles Pike Place Market (Öffnet in neuem Fenster) lässt Marin, Star-Friseurin und Gattin eines Unternehmers, ihren vierjährigen Sohn nur für Sekunden aus den Augen – und sieht später auf Überwachungsvideos, wie ein als Santa Claus verkleideter Unbekannter den Jungen Richtung Ausgang (ent-)führt. Keine Lösegeldforderung, kein Leichenfund, nichts. Ein Jahr später ist Marin ein Schatten ihrer selbst und ihr Mann hat eine Affäre. Das übersteigt die Leidensfähigkeit der Selfmade-Woman und sie geht zum Angriff über. Ziemlich radikal und ganz anders, als der Leser vermutet.

The House Across the Lake (Öffnet in neuem Fenster)“ von Riley Sager: Der frühere Journalist und Grafikdesigner Todd Ritter, der sich hinter dem Autoren-Pseudonym verbirgt, ist seit „Schwarzer See (Öffnet in neuem Fenster)“ (engl.: „The Last Time I Lied“) einer meiner Lieblinge. Manches seiner Bücher spielt mit Horrorelementen, andere sind sortenreine Psychothriller. So auch dieses, das Fans von „The Woman in the Window (Öffnet in neuem Fenster)“ gefallen dürfte – und literarisch deutlich raffinierter ist. Darin zieht sich die junge Schauspielerin Casey Fletcher nach dem Unfalltod ihres Mannes ins Ferienhaus der berühmten Mutter zurück. Von dort aus hat sie, bei etlichen Gläsern Bourbon, einen guten Fernglas-Blick zum anderen Seeufer. Und in die Fenster der glamourösen neuen Nachbarn. Deren perfekte Fassade bröckelt jedoch zusehends und Caseys Neugier ist geweckt. Doch, wie heißt es so schön: „Manche Geheimnisse bleiben besser verborgen.“ Inklusive der eigenen.

Wohlklang

„What if I have lived the impossible dream?
What if I have seen what we're not supposed to see?“

Utopia (Öffnet in neuem Fenster)“ von Lie Ning (Öffnet in neuem Fenster): Über diesen Shootingstar aus Berlin, dessen samtige Stimme wie schwerelos zwischen Indiepop, Soul und R 'n' B schwebt, könnte ich hier einiges notieren. Dass er eigentlich Peer Liening-Ewert heißt. Dass er in einer Kommune aufwuchs, in einem besetzten Haus. Dass er Sänger und Songwriter ist. Aber eben auch Tänzer, Model, Kurzfilmregisseur, LGBTQIA-Aktivist und Modedesigner. Vielleicht noch, dass ich sein kreatives Motto mag, das er in einem Porträt der „BZ (Öffnet in neuem Fenster)“ preisgab: „Die Projekte, die ich mache, fangen immer mit kleinen persönlichen Befreiungen an. Ein bisschen wie Therapie-Sitzungen.“ Ich könnte Ihnen aber auch einfach raten, dringend, seine Musik für sich sprechen und sich von ihr verzaubern zu lassen. Anspieltipps: „Utopia“ und das sphärische „I See You“.

Nach drei Wochen dolce vita e fare niente bei sehr begrenzten Kaufoptionen, bot uns das Sicilia Outlet Village (Öffnet in neuem Fenster) in Agira reichlich Möglichkeit zum entspannten Schlendern, Stöbern und Label (neu) entdecken. Ein Vergnügen, selbst bei 36 Grad, was am perfekten Soundtrack lag, der stundenlang aus den Lautsprechern hallte. Zwei Entdeckungen, die dank Shazam (Öffnet in neuem Fenster) gleich in meiner iPhone-Mediathek landeten:

Un Altro Mondo (Öffnet in neuem Fenster)“ von Merk & Kremont (Öffnet in neuem Fenster) (feat. Tananai, Marracash), einem schwer angesagten Mailänder DJ-Duo, dessen Mitglieder eigentlich Federico Mercuri und Giordano Cremona heißen. Ebenfalls zu empfehlen: „Gucci Fendi Prada (Öffnet in neuem Fenster)“ vom gleichen Turntable-Team.

Außerdem schwer beschwingt hat mich „Ladada (Mon Dernier Mot) (Öffnet in neuem Fenster)“ des im Kongo geborenen Holländers Claude (Öffnet in neuem Fenster), der mit diesem track nicht nur in Italien mächtig Furore macht. Mit seinem Vorbild Stromae (Öffnet in neuem Fenster) ist er übrigens bereits auf Tour gewesen, als dessen Warm-up Act. Läuft doch.

Both Sides Now (Öffnet in neuem Fenster)“ von Joni Mitchell (Öffnet in neuem Fenster): Es ist viele Jahre her, dass ich diesen Klassiker zum ersten Mal gehört habe, und zwar als Coverversion (Öffnet in neuem Fenster) auf einem Album der Sängerin Susan Eagan (die Ur-„Belle“ des Musicals „Disney's Beauty and the Beast“ am Broadway). Später war ich schwer beeindruckt von der Interpretation der wundervollen Judy Collins (hier 73-jährig in einer Live-Aufnahme (Öffnet in neuem Fenster)), die damit 1968 in den USA Charterfolge feierte. Und damit noch ehe Songwriterin Mitchell ihn selbst für ihre Schallplatte „Clouds“ einsang.

https://www.youtube.com/watch?v=jxiluPSmAF8 (Öffnet in neuem Fenster)

Mindestens 1500 Mal ist „Both Sides Now“, eine lyrische Reflexion über das Leben und ob man etwas daraus lernt, von immer neuen Künstler:innen intoniert worden. Inspiriert wurde Mitchell übrigens durch das Buch „Der Regenkönig (Öffnet in neuem Fenster)“ von Saul Bellows, dessen Protagonist an einer Stelle im Flugzeug nach Afrika sitzt und die Wolken unter sich betrachtet. Trotz ihres hohen Alters von 79 Jahren und einem Schlaganfall 2015 gab sich die Legende im letzten Jahr beim Newport Folk Festival die Ehre – ein sakrales Ereignis, das ich nur zu gern mit Ihnen allen teile.

Gaumenschmaus

Je älter ich werde, desto mehr erschließen sich mir fremde Gefilde weniger durch alte Gemäuer und geschichtliche Fakten, sondern durch ihre Küche. Vom gefeierten In-Restaurant über versteckte Gar-Büdchen bis zu Produkten aus dem Supermarkt, welche die locals in ihren Einkaufskorb legen. In Sizilien genossen und auf Vorrat geshoppt haben wir unter anderem:

Das Pesto Olive e Capperi (Öffnet in neuem Fenster)“ von Tigullio, das mit (Dosen-)Tunfisch und frischen Kühltheken-Linguini nebst Olivenöl ein köstliches AirBnB-Abendmahl ergab. Extratipp: Famos und vom gleichen Hersteller ist die Variante mit Trüffel, Ricotta und schwarzem Pfeffer (Öffnet in neuem Fenster) (beides z. B. bei puntogusto.de (Öffnet in neuem Fenster)).

Die Kartoffelchips „Più Gusto Lime & Pink Pepper Capri“ von San Carlo – hauchdünn, leicht gesalzen und mit rosa Pfeffer sowie einem erfrischenden Schuss Limonensaft abgeschmeckt. Ein Snack-Knaller, erhältlich bei Andronaco (Öffnet in neuem Fenster).

Die Limonade Mandarino Verde (Öffnet in neuem Fenster)“ von Tomarchio Bibite mit 16 Prozent sizilianischem Mandarinensaft für ein ganz besonders intensives Zitrusaroma; zu bestellen bei mehreren Onlineshops in der Schweiz sowie BeNeLux. #googeln

Bewegtbild

Für Filme oder Serien waren in den letzten Wochen unsere Augen einfach zu müde. Schließlich mühten die sich den ganzen Tag ab, die neue Umgebung mit allen Facetten einzufangen. Deshalb habe ich von In the Company of Rose (Öffnet in neuem Fenster) (Regie: Tony- und Pulitzer-Preisträger James Lapine) bisher auch nur den Trailer gesehen. Der mich allerdings so beeindruckt hat von der Dichterin und Menschenrechtskämpferin Rose Styron, dass ich die über sechs Jahre gefilmte Doku mit viele pointierten Interviews unbedingt sehen will. Immerhin war deren Star lange mit dem Schriftsteller William Styron („Sophies Entscheidung (Öffnet in neuem Fenster)“) verheiratet, kannte intellektuelle Ikonen wie Truman Capote oder James Baldwin und urlaubte mit den Kennedys der Ära JFK. Ein erfülltes Leben ist dafür ein fast euphemistischer Ausdruck.

Die schwedische Erfolgsserie „Liebe & Anarchie“ (Netflix) ist eine der wenigen romantischen Komödien, die ich nicht bloß ertragen konnte, sondern richtig klasse fand. Weil zwischen den Hauptdarstellern Ida Engvoll als Verlagsmanagerin Sofie und Björn Mosten als IT-Nerd Max die Chemie stimmt und ihre anfänglich recht kuriose Arbeitsaffäre bald komplett aus dem Ruder läuft. Diese gewisse Prise bitterer Konsequenz hebt die übrigen Slapstickeinlagen und Sexszenen weit übers Mittelmaß.

https://www.youtube.com/watch?v=97VS9HaEwY8 (Öffnet in neuem Fenster)

Um zwei Menschen, die der Zufall kollidieren lässt wie flammende Kometen, geht es auch in der Serie „Beef (Öffnet in neuem Fenster)“, die derzeit noch in der Netflix-Warteschlange ausharren muss. Darin geraten der fantastische Steven Yeun (Öffnet in neuem Fenster) (Oscar-nominiert für „Minari – Wo wir Wurzeln schlagen“; Glenn in „The Walking Dead“) und die ebenso tolle Ali Wong (Öffnet in neuem Fenster) (watch: ihr Comedy-Special „Baby Cobra“ (Öffnet in neuem Fenster)) in den verstopften Straßen des Molochs L. A. aneinander. Stichwort: road rage. Extrem. Statt „Schwamm drüber“ lassen beide ihre KFZ-Zwistigkeit hemmungslos eskalieren – mit unvorhersehbaren Folgen für ihr Seelenheil und Familienleben. Das klingt sehr nach meiner cup of tea.

Denkanregung

Cool, dachte ich, als ich im Flugzeug nach Palermo den „New Yorker“ aufschlug und direkt zu The Bling King (Öffnet in neuem Fenster)“ von Naomi Fry weiterblätterte, ihrem seitenlangen Porträt des Modeunternehmers Philipp Plein. Für mich besonders spannend, weil ich Plein vor ewig langer Zeit, da brachte er noch Designer-Hundebettchen an Herrchen und Frauchen, für „how to spend it“ interviewt habe.

Seitdem hat PP viele Totenkopf-Lederjacken verkauft, die Kollektionen wie das hysterisch-hedonistische Markenimage lassen mich jedoch ziemlich kalt. Endlich würde jemand wortgewandt und unerbittlich am Hochglanzlack des Nieten-und-Strass-Imperiums kratzen, das der hemmungslose Egomane aufgebaut hat. Ohne Kredite oder Investoren, angeblich. Das scheint mir auch ohne BWL-Abschluss erstaunlich, vor allem bei dem irren Tempo, das Plein mit Artikelzitaten wie „We’re opening 300 stores in the next 36 months“ untermauert.

Nun liegt es mir fern, hier irgendwelche wilden Verdächtigungen auszusprechen. Mich irritiert – und ärgert – als Journalist allerdings, dass eine so qualitätsversessene Redaktion wie die des „New Yorker“ eine Geschichte veröffentlicht, die sich wie eine notdürftig kaschierte Lobhudelei liest. Obwohl Plein ja angeblich keine oder kaum Printwerbung schaltet, wittere ich bei diesem Stück den langen Arm der Anzeigenabteilung von Condé Nast. Was mich nicht wundern, wohl aber schwer enttäuschen würde. So warte ich weiter auf Investigativ-Reporter, die den Alphamale-Kitsch Pleins auf links drehen.

Spellcaster: The Fall of Sam Bankman-Fried (Öffnet in neuem Fenster)(Wondery): Und wieder jemand, der als Messias gefeiert wurde und doch bloß ein schlecht frisierter Hütchenspieler war. So meine Reaktion auf den Kollaps der (wohltätigen ...!) Krypto-Plattform FTX samt der Festnahme ihres Gründers Sam Bankman-Fried. Der ehemals reichste 29-Jährige des Planeten saß kurzzeitig in U-Haft statt auf dem CEO-Olymp. Was blieb, sind geprellte Kleinanleger und der schale Nachgeschmack, den der (vorgekaukelte) Altruismus vieler Milliardäre bei genauerem Hinsehen hinterlässt.

Doch wie konnte der dickliche Strubbelkopf, der in Interviews kaum einen geraden Satz herausbringt, selbst ausgebuffte Finanzjongleure so fulminant foppen? Ein neuer Podcast von Wondery und der „Bloomberg“-Redaktion geht dieser Frage nach, mit teils erstmals veröffentlichten Interviews aus dem Innersten der FTX-Blase. Spannend!

Ist das Konzept der Kreativität eine Erfindung des Kapitalismus? Diese steile und faszinierende These stellt der Kulturhistoriker Samuel W. Franklin in seinem neuen Sachbuch „The Cult of Creativity: A Surprisingly Recent History (Öffnet in neuem Fenster)“ auf. Es zeichnet nach – vom Beginn der Industrialisierung bis zu den tech bros des Silicon Valleys – wie sich eine einst rein ökonomische Strategie zu einem Rundum-Lifestyle, vielleicht gar einem Kult entwickelt hat. Mit eigenem Dresscode, Cold-Brew-Cafés und meist ohne Gewerkschaftsvertretung.

Interessant: Laut Franklin platzte die creativity bubble in der Unternehmenswelt zum Ende der 1960er Jahre und wurde erst in den Nineties (und bis heute) eifrig wieder aufgepustet. Und wirklich unterscheiden, so Franklin weiter, würden sich hippe break-out sessions mit digitalem Whiteboard im Übrigen nicht von den Brainstormings der 1950er. Auf Papier und vermutlich mit der Erlaubnis zum Dabei-Rauchen.

Ich mag Kollegen-bashing nicht, das will ich vorab betonen. Wenigstens ein Kommentar sei mir zu den aktuellen Titelseiten der deutschen „Elle“-Ausgabe und ihrem südkoreanischen Schwestermagazin aber gestattet: Wer hat an der Uhr gedreht, liebe Münchner? Ist das noch zeitlos bzw. retro oder schickt 1973 gleich ein Fax und will sein Cover-Design zurück? Samt der Zeile „Unsere 40 Lieblingskleider“.

Im übrigen hätte ich hier etliche weitere Modemagazine deutscher Produktion an meinen kleinen Newsletter-Pranger stellen können, die ebenso innen was von Aufbruch und Diversität faseln und außen biederen Kitsch für „die Dame“ feiern. Macht das noch Spaß bei der Gestaltung im InDesign oder trinkt man sich das längst mit ein paar Flaschen Franciacorta schön? Ich frage für eine Freund:in.

Kaufanreiz

Mit einer deutschen 0815-Version der Küchenschere „Alpen (Öffnet in neuem Fenster) (Stil classico italiano) von Ciselier & Company bin ich aufgewachsen. Keine Ahnung, wo das Modell aus meiner Kindheit abgeblieben ist. Wie gut, dass ich dieses gelungene Design in verschiedenen Ausführungen bzw. Lackierungen jederzeit nachbestellen könnte, sollte mich Nostalgie übermannen. Gute Idee: Die Klingen lassen sich abschrauben, um sie gründlicher reinigen zu können.

Bei dem Teppich „Wonderland Daisy“ von funny fuzzy, der übrigens perfekt ins weiter oben erwähnte Land der Teletubbies passen würde, dachte ich zunächst: Wie gemacht für unser Wohnzimmer. Das stimmt weiterhin, nur scheinen vor allem Vierbeiner und deren Bedürfnis nach flauschigem Fläzen gemeint zu sein. Egal, wir werden uns dieses Stück, frei gestaltet nach Van Goghs Weizenfeld, wohl ordern. Vielleicht lässt uns die Cavalier-Hündin ja mal darauf herumlatschen.

Ob in einer Trattoria in Catania, am Street-Food-Stand in Palermo oder in der Lounge des Yachthafens von Ortigia: Überall in Italien stehen auf den Tischen die LED-Leuchten der Marke Zafferano, meist das Modell „Ofelia“. Was mich überzeugt hat, dass wir zwei davon für unseren Gartenpavillon brauchen. Schlichte Optik, matte Oberfläche, verschiedene Farben und ein Lichtschein, der sich dimmen sowie kalt oder warm stellen lässt.

Zwerchfellkrampf

„1920 erreichten wir ein Verbot von Kinderarbeit in Minen. 2020 war ,Minecraft (Öffnet in neuem Fenster)‘ das populärste Videospiel auf dem Markt. Offensichtlich zieht es den Nachwuchs verstärkt unter Tage.“

– via patryc (Öffnet in neuem Fenster) / Twitter

Quittung

1 Stern bei Yelp:

... gibt es von mir für die mittlerweile inflationären und konzeptionell reichlich albernen „Top XX unter YY“-Listen. Und zwar nicht (nur), weil sich manche der für ihren Erfolg in jungen Jahren ausgezeichneten Gründer:innen und Topmanager:innen kurze Zeit später in dubiosen Geschäfte oder gar globalen Pleiten verheddern (vgl. hierzu Holmes, Elizabeth (Öffnet in neuem Fenster) et al). Eher, weil mich die immer gleichen Vitae langweilen. Die Mär von „Wir haben einfach nirgends ein passendes Produkt gefunden, darum haben wir es selbst ...“ oder Elite-Uni-Absolvent:innen, deren gesamte Ahnentafel bereits ähnliche Abschlüsse errang und beim Netzwerken half.

Der Twitter-User Peter Yang (Öffnet in neuem Fenster) fasste es kürzlich so zusammen: „Ich hatte gerade einen Call mit jemanden von der ,Forbes 30 unter 30‘-Liste, der mich schwer beeindruckt hat. Er verriet mir, wie er es so rasch in die Position des Vice President bei einem großen Tech-Unternehmen geschafft hat:
1. um 4:30 Uhr aufstehen
2. Kalt duschen
3. Dankbarkeits-Tagebuch führen
4. meditieren
5. seinem Vater gehört die Firma.“
Ungefähr so, genau.

Stattdessen bin ich da ganz bei dem US-Lektor Doug Murano (Öffnet in neuem Fenster), der sich statt Jugend glorifizierenden Top-Listen eher das wünscht: „Menschen, die noch mit 60 ihren Doktor machen, nachdem sie alles verloren haben. Die mit 70 als Schriftsteller debütieren und mit der Weisheit eines Lebens voller Liebe und Trauer schreiben. Gebt mir Hände mit Schwielen und sanfte Herzen.“ #loveit

Und eine weitere Watschen teile ich an die Limbo Cola Zero (Öffnet in neuem Fenster) von „DSDS“-Alumni Pietro Lombardi aus, die ich kürzlich am Bahnhof gekauft habe. Early-adopter-Syndrom, ich kann ich nichts dafür. Das Dosendesign ist ja noch okay, aber ein Gesöff, das angeblich seit 2023 den „Spirit of Summer“ verströmt, sollte halt nach mehr schmecken als eine (teure!) Coke, die von geschmolzenen Eiswürfeln verwässert wurde. Bah.

Extra-Trinkgeld:

... und die „Coffee Carrier Bag (Öffnet in neuem Fenster)“ von Fendi verdienen alle Praktikant:innen, die für ihre Chefs kurz mal drei Kilometer durch die Stadt hetzen müssen, weil nur in diesem einen Hipster-Café einer guten Freundin ein mundender Cold Brew mit Erbsenmilch angeboten wird. Wenn schon prekäre Nonsense-Jobs, dann aber bitte mit adäquatem Accessoire. #payyourinterns

Mit den horrend bepreisten Cross-Body-Taschen von Rimowa (um die 1000 Euro), quasi Minikoffer zum Umhängen, habe ich so meine LuxusProbleme (s. o.). Richtig gelungen finde ich dagegen die Vintage-Kollektionrimowa re-crafted (Öffnet in neuem Fenster), für die altes Alu-Gepäck angekauft (für circa 250 Euro in Gutscheinform), aufgearbeitet und samt herrlicher Jetset-Dellen erneut angeboten wird.

Foto: „Un Giardino in Catania“ (2023) / Siems Luckwaldt

Bild schön!

Diese Aufnahme entstand während einer Gassirunde durch den Giardino Bellini (Öffnet in neuem Fenster) in Catania. Was aussieht wie eine sorgsam choreografierte Gruppenszene mit lässiger Resortwear ist in Wahrheit ein zufälliger Smartphone-Schnellschuss. Der allerdings massiv von der Schönheit der Umgebung und dem natürlichen Stilgespür der Einheimischen profitiert hat.

Ein Füllhorn weiterer Bilder aus vier Wochen Sizilien-Ferien finden Sie auf Instagram (Öffnet in neuem Fenster) unter den Highlight-Buttons. Als Inspiration, sollte es Sie einmal selbst auf diese Insel der Gegensätze ziehen, die herrliche Postkartenmotive mit schroffem Charme und extrem „unglamourösem“ Alltag abmischt. Eine Reise definitiv wert. Eine zweite? Mal schauen. Alla prossima volta!

Ein Hinweis zum Schluss: Alle Empfehlungen, die ich in diesem Newsletter mit Ihnen teile, liebe Abonnenten, sind ganz persönliche und daher hochgradig subjektive Tipps. Als solche verstehen sie sich natürlich nicht als fachlicher (Experten-)Rat in irgendeiner Form, sondern haben rein unterhaltenden Charakter. Außerdem mache ich mir durch die Verlinkung weder die auf den jeweiligen Websites ausgedrückten Fakten und/oder Meinungen zu eigen, noch stehe ich in irgendeiner Geschäftsbeziehung zu Anbietern oder Machern. Für diese Unabhängigkeit zahlen Sie schließlich freundlicherweise mit Ihrem Monats- oder Jahresbeitrag. Vielen Dank, dass ich so mehr (Gedanken-)Freiheit genieße als im traditionellen Mediengeschäft. Ich hoffe, mit jeder Ausgabe der LuxusProbleme profitieren auch Sie davon bestmöglich.

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