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Celebrity ... sells? Promis, Marken, schwache Daten (Juni 2023)

Kaum eine Woche ohne E-Mails, in denen Marken neue Werbegesichter, Botschafter oder friends of the brand enthüllen. In Deutschland bewegt sich das meist zwischen Reality-TV-Sternchen, Fußballer-Ex und „Keine Ahnung, wer das ist“. Von Veteran-Best-Sellern wie Heidi, Guido, Sylvie und Barbara abgesehen. Nur wirkt auch deren Glamour mittlerweile so müde und bemüht wie die begleitenden PR-Zeilen.

Muss ja trotzdem den Abverkauf ankurbeln, dachte ich bisher, würde ja sonst keiner ... Vor allem, weil Starpower durchaus Risiken birgt, wenn der gebuchten Lichtgestalt mal die Birne durchbrennt. Tja, und dann suchte ich nach aktuellen, belastbaren Daten zu celebrity endorsements und fand – wenig. Dafür (Zukunfts-)Trends, die dem deutschen Mode-Mittelstand Geld sparen oder ihn um Haus und Hochregallager bringen könnten.

Hier nun (m)eine Mischung aus Crashkurs zu Stars in der Werbemanege und Gedanken zur Zweckehe von Promi und Produkt.

Foto: PepsiCo.

„Wann haben Sie zuletzt ein Produkt gekauft, für das ein Influencer auf Social-Media-Kanälen Werbung gemacht hat?“ Fragte ich neulich den Science-Fiction-Autor und Tech-Kritiker Cory Doctorow (Öffnet in neuem Fenster) zum Einstieg unseres Interviews für „Business Punk“. Der kluge Mann mit der Leo-Lukoschik (Öffnet in neuem Fenster)-Gedenkbrille überlegte kurz und sagte: „Ich folge vielen Profi-Testern auf Twitter und YouTube. Deren Empfehlungen für neue Gadgets bin ich definitiv schon oft gefolgt.“

Auch mich persönlich haben Nichefluencer (eher als „Stars“) bereits hier und da auf Kaufbares aufmerksam gemacht, das ihren Worten nach versprach, meinen Alltag – oder Teint – zu optimieren. Ein Warenkorb voller K-Beauty, nahegelegt durch channels wie den von Ivan Lam (Öffnet in neuem Fenster) aus Los Angeles. Oder das Wasserspar-Dings von Ikea (Öffnet in neuem Fenster), präsentiert von diehuepsche (Öffnet in neuem Fenster) aus Berlin.

Noch stärker wirkt auf mich dagegen die klassische Targeting-Promo auf Instagram, mit der Start-ups und etablierte Player frischen Kollektionen, Hundebettchen und Smoothie-Pulver in mein Gedächtnis kleben. Eine bekannte Visage brauchen Label nicht zu bemühen, um an meine hart erschriebenen Medieneuros zu kommen. Tja, ich bin halt ein cheap date.

Doch zurück zur werbenden Prominenz. Die wird ja sicherlich Registrierkassen und PayPal-Accounts glühend heiß laufen lassen, dachte ich immer. Zumindest aber bisher kaum bekannte Marken ratzfatz in aller Munde sein und neue Käuferschichten erreichen lassen. Warum sonst der volle Griff ins Marketingbudget, um Herrn Schweinsteiger oder Frau Meis durch sämtliche Gütergenres hampeln zu lassen. Könnte man ja auch sinnvoll investieren, die rund 1,5 Millionen für den Ronaldo- oder Ariana-Grande-Post auf Instagram. Die 40 Nespresso-Millionen für George Clooney und immerhin 50 Pepsi-Millionen für Beyoncé. Die galaktischen (geschätzten) 500 Millionen, die Nike LeBron James in dessen Lebenszeit rüberwachsen lassen muss. Kein CFO würde das abnicken, wenn der ROI nicht planbar und grandios ausfiele.

In rund 25 Lifestyle-Dienstjahren häuften sich dennoch PR-Termine, wo mit euphorischem Tamtam testimonials verkündet wurden, deren Verpflichtung mir die Kinnlade gen Kniekehle klappen ließ. Das Schauspieler-Paar, beauftragt, den Hosenumsatz eines einstigen Branchenprimus anzukurbeln. Was Garn und Gehirn einiges Stretching abverlangte. Der Nationalkicker, der mir im (unangenehm einseitigen) Gespräch über seinen Einsatz für ein Fashion-Parfüm kein einziges (!) brauchbares (!!) Statement zu Outfit- oder Duftvorlieben in den Rekorder stammeln konnte.

Der Mime, Regisseur und, äh, Gastronom (?), der eine Schuhkapsel verkaufen sollte und stattdessen mit inakzeptablem Verhalten am Set auffiel. Und erst kürzlich die Info, man habe Matthias Schweighöfer, unseren Mann auf Netflix, für eine türkisfarbene Schmuckmarke gewonnen. Das Foto dazu zeigt ihn mit mehr Armreifen als Wolle Petry früher Freundschaftsbänder trug. Mein erster Satz am Frühstückstisch: „Ne, klar, denke ich Juwelen, denke ich Schweigi.“

Klicken Sie hier für die Audio-Version dieses Newsletters – vorgelesen von mir.

Foto: Tiffany & Co. / via Instagram

Irgenwann ließ sich die Ratio auch nicht mehr von Pauschalsätzen einschüchtern, wie: „Siems, das verstehst du nicht, das sind garantiert auf soliden Fakten und best cases basierende Entscheidungen.“ Würden sonst weltweit in 16 Prozent aller Anzeigen-, Fernseh- und Web-Werbung bekannte Visagen auftauchen (laut Kantar (Öffnet in neuem Fenster))? In Asien, beispielsweise Korea, geht es mit 75 Prozent quasi gar nicht mehr ohne Promis. Konkrete Fakten zu derlei Investments sind jedoch schwer zu erheben. Sieht man von Onlineshop-Codes, Zugriffszahlen, Tracker-Pixeln, Cookies sowie Likes und anderen Interaktionen ab, die im Backend und auf sozialen Plattformen zählbar sind.

Ein ganzheitliches Urteil über die langfristige psychologische Wirkung und POS-Effektivität von Werbestars lässt sich damit erst recht nicht fällen. Was übrigens, dazu später mehr, auch die in diesem Bereich tätigen Forscher seit rund 20 Jahren beklagen und kaum zu ändern imstande waren. Gleichwohl gibt die überwiegende Mehrheit der Budget-Verantwortlichen an, etwa 80 Prozent, dass sich der Einsatz von Stars und Influencern auszahlt. Nur bitte keine Nachfragen. Danke.

Ehe ich hier Wissenswertes, How-tos, Chancen und Gefahren für Sie zusammenstelle – und einen Blick ins Morgen der Promiwerbung wage – kurz zur Erinnerung: Was sind eigentlich noch mal celebrities? (Sorry, das offenbar dt. Wort „Zelebritäten (Öffnet in neuem Fenster)“ bringe ich nicht über die Fingerkuppe.)

Traditionell versteht man (Öffnet in neuem Fenster) unter dem Konzept einer Berühmtheit eine Person, die von der Öffentlichkeit erkannt und als Vorbild für die Gesellschaft angesehen wird: aufgrund von beruflicher Kompetenz oder Schönheit. Prominente können die Begehrlichkeiten, Hoffnungen und Träume von Konsumenten inspirieren. Zudem sind celebrities als Verkörperung einer Marke tätig und helfen so dabei, eine Bindung mit und Verbundenheit zu Konsumenten zu erzeugen.“ Klingt ziemlich ernst und verantwortungsvoll, oder? Merkt man jemandem wie Janina Kunze gar nicht an, diese Schwere ihrer Funktion, wenn sie durch Billo-Einrichtungskataloge springt. Na ja.

Übrigens ist der Werbeeinsatz bekannter Menschen ein recht alter Hut (Öffnet in neuem Fenster). Schon mancher Gladiator im Alten Rom soll sich mit der Promotion eines bestimmten Olivenöls etwas dazuverdient haben. Und spätestens seit Baseball-Legende „Babe“ Ruth (Öffnet in neuem Fenster) vor über 90 Jahren für Geld einen ordentlichen Schluck aus der „Red Rock Cola“-Pulle nahm, verbindet Sport, Entertainment und das Produkteverhökern eine lukrative Symbiose.

Oben: Beispielmontagen einer Studie, die Probanden Bilder von Stars mit verschiedenen Produkten und dazu negative bzw. positive Schlagzeilen zeigte.

DIE HIRNCHEMIE: EIN RAT VON (IMAGINÄREN) FREUNDEN

Die innige Liebe zwischen Stars und Sales wurde von der Marketing-Evolution befördert, das kann man in „Mad Men“ (Öffnet in neuem Fenster) lernen. Sie hat aber darüberhinaus vor allem neurologische Ursachen. Unser Hirn fährt einfach voll auf Promis ab, weil es früher – in den Zeiten von „Vikings“, „Game of Thrones“ oder „Mulan“ – überlebenswichtig war, blitzschnell zwischen Freund und Feind zu entscheiden. „Kenn ich nicht, also lieber drauf mit der Keule“, lautete die Devise. Blöd nur: Unsere grauen Zellen sind nicht für die heutige multimediale Welt geschaffen. Deshalb fällt es ihnen schwer, zwischen echten Kumpel:innen im real life und den parasozialen (Öffnet in neuem Fenster) Beziehungen zu unterscheiden, die wir zu Stars, Sternchen und Influencern auf Social Media führen.

Da wird der Promi rasch zum Quasi-Bekannten, und wir übertragen diese Vertrautheit rasch auf von ihm oder ihr in die Kamera gehaltene Waren. Eine Kaufempfehlung, begleitet von der gleichen positiven Emotion wie der Tipp des Lieblingskollegen oder der Mama. Grinst dann noch ein hochkarätiger Schauspieler für Kaffeekapseln, transferieren wir dessen Premium-Aura auf die Aludöschen mit dem braunen Pulver.

Weitere Vorteile des Werbens mit bekannten Persönlichkeiten:

  • Im Kampf um Aufmerksamkeit (Öffnet in neuem Fenster) ist man bei einem Promi (theoretisch) in einer besseren Startposition als mit Nobody-Werbung, dank grundsätzlichem Medieninteresse und hohen Follower-Zahlen.

  • Laut einer vielzitierten (angestaubten) Studie der Harvard Business School sorgt Promiwerbung für ein durchschnittliches Umsatzplus von rund 4 Prozent und einen Anstieg des Aktienwertes um 0,25 %. Verschwindend gering bei Neugründungen, gigantisch bei Megakonzernen.

  • Blick in die USA: 68 % der Männer lassen sich oft von Star-Spots zum Kauf verleiten, bei den Frauen sind es nur 37 Prozent.
    Die Entscheidung, Mode zu kaufen, beeinflussten bekannte Namen nur mit plus vier Prozent, wohingegen 54 % der Amerikaner ein von BTS oder Travis Scott beworbenes McDonalds-Menü bestellten. Im Match Pommes vs. Pullis steht es demnach 1:0.

  • Blick ins UK: 28 Prozent der 18- bis 34-Jährigen kaufen gern, was Promis empfehlen. [Quelle der meisten Zahlen: soocial.com (Öffnet in neuem Fenster)]

  • Marken, die sich (teure) Stars leisten, scheinen erfolgreich(er) zu sein und wertige Produkte zu fertigen, denn sonst würde sich der jeweilige bekannte Name schließlich dafür nicht hingeben, oder? #zwinkerzwinker

  • Promis verstärken unsere aspirative (Öffnet in neuem Fenster) Neigung: Wir wollen sein wie sie, haben und benutzen, was sie besitzen und täglich gebrauchen.

„Ich fahre ein amerikanisches Auto, einen Chrysler. Das ist aber keine persönliche Empfehlung von mir, sondern eher ein Flehen um Mitleid.“
– Michael Moore, US-Filmemacher und Aktivist

Okay, und wie steht es um die Schattenseite der glamourösen Medaille? Also von den Problem-Sneakern des Ye (Öffnet in neuem Fenster), den leeren Kryptoversprechen (Öffnet in neuem Fenster) von Matt Damon und Gisele Bündchen sowie den Rossmann-Düften einer seit 30 Jahren rundum unappetitlichen deutschen Metalformation einmal abgesehen. Und von Johnny Depp (Öffnet in neuem Fenster) vielleicht. Was kann alles schiefgehen (Öffnet in neuem Fenster), wenn zwei das Gleiche wollen: Einfach ordentlich Zaster scheffeln?

  • Nun, es könnte statt des Produktes, das die Kampagne finanzieren soll, bloß das bekannte Gesicht im Gedächtnis bleiben. Ein wichtiger Balanceakt für die Inszenierung!

  • Der Samsung-Botschafter David Beckham (Öffnet in neuem Fenster) könnte sich mit einem Smartphone der Konkurrenz fotografieren lassen. #oops

  • Ein beliebter Star könnte in Skandale oder Twitter-Scharmützel verwickelt sein. Da fällt uns allen jetzt ein Kilo von Beispielen ein, oder? Dramatische Patzer stören die besagte parasoziale Beziehung und enttäuschen uns ebenso, wie wenn ein Bruder dem anderen Freund oder Freundin ausspannt. Eine Irritation, die vom Star beworbene Marken und Produkte abfärbt. Stimmt, das Publikum vergisst schnell, doch manche cancellation hält ewig. Fragen Sie mal Kevin Spacey oder Chris Noth.

  • Wer mit Promis wirbt, macht auf sich aufmerksam und lädt damit zur genaueren Überprüfung seines Sortiments, Unternehmens und seiner Werte ein. Da sollte also besser alles tipptopp sein.

  • Weil so viele Marken uns mit Berühmtheiten umwerben, setzt mitunter eine Ermüdung bei den Konsumenten ein.

  • Kunden wissen, für diese Zusammenarbeit floss Geld, was zu Apathie, Zynismus und Abschreckung oder Ignoranz gegenüber dem beworbenen Objekt führen kann.

  • -> Weitere Risiken haben zwei Wissenschaftlerinnen aus Boston hier aufgelistet und besprochen (Öffnet in neuem Fenster).

Grafik: winnerbrands.in

DIE AUSWAHL: DRUM PRÜFE, WER SICH (FÜR GELD) BINDET

Gut, und wie wähle ich im besten Fall meinen Superpromi aus, der meine Kollektion, Beautylinie oder neue Limo als Turnover-Rakete ins All schießt?

  • Lieber keine one ad stands, eine langfristige Zusammenarbeit trägt die saftigeren Früchte und erlaubt ein spannenderes Contentspiel mit allen Stärken der Partner.

  • Es muss passen!!! Man kann natürlich durch die Kombination von Gegensätzen viel gewünschte Reibung und kommunikative Energie erzeugen. Ergo muss nicht alles so angegossen sitzen wie dem Turnspringer die Speedo, dem Actionhelden die Pilotenuhr oder dem urban hipster die Glitzer-Crocs.
    Ein aktuelles Beispiel ist ein Clip, der Rapper Lil Nas X mit Make-up von Yves Saint Laurent (Öffnet in neuem Fenster) zeigt. Keine offensichtliche, dafür aber umso mitreißendere Paarung, die YSL in neue Szenen trägt – und Montero Hill (Öffnet in neuem Fenster) auf den Luxusolymp.
    Dennoch bleibt ein guter fit ratsam, etwa ...

    • stilistisch, also weil schlicht der Look (überein-)stimmt.

    • in der Attitüde, z. B. bei Rockstars und einem Label mit rockigem Chic.

    • beim Wertekanon, wenn Star und brand für bestimmte gesellschaftliche oder umweltpolitische Prinzipien eintreten. Nachweislich und gern langjährig.

    • mit stark kongruierenden Communities, die auf bestimmte Kollabos sehnsüchtig warten, weil sie ein match made in fan heaven wären.

    • durch einen gewissen „Lauf“ im aktuellen Zeitgeschehen, den man gemeinsam nutzt, um temporär allerorts Rabatz zu machen. Für eine gezielte Aktion, einen Launch, eine Message mit Verfallsdatum.

    • eweil ine immens hohe Begehrlichkeit und hotness auf beiden Seiten vorhanden ist: Calvin Klein und Dior x BTS (Öffnet in neuem Fenster), Prada x Enhypen (Öffnet in neuem Fenster).

  • Wichtig: Lieber sehr engagierte newcomers on the rise einkaufen, gerade bei knappen Budgets, als vom obersten Bord und dafür kaum mehr als einen Tag Fotoshooting zu bekommen. Denn die Ansprechbarkeit eines Werbegesichts im Verlauf einer Kampagne, etwa über soziale Medien, ist gerade bei der Gen Z essenziell für den Erfolg der Zusammenarbeit.
    Was Influencern natürlich einen Vorsprung verschafft, die in der dauerhaften Bespaßung ihrer Follower und prompten Reaktion auf deren Wünsche, Fragen, Nöte, ihr Geschäftsmodell gefunden haben. Schicken Sie mal Julia Roberts nachts um elf eine DM auf Instagram ... Eben.

Grafik: E-Score

  • Zum Risiko „Promi-Mensch“, dem eine Situation, die Karriere oder das ganze Leben entgleisen kann, sagte Marketing-Professor David Dubois (INSEAD) (Öffnet in neuem Fenster) kürzlich gegenüber CNN: „Marken sollten mit einem Pool von celebrities zusammenarbeiten, das streut eventuelle negative Folgen breiter. Außerdem ersetzt ein prominenter Fürsprecher nicht die eigentliche Markenstrategie, sondern stellt bloß eine Taktik in deren Umsetzung dar.“

  • Marketing-Professorin Giana M. Eckhardt von der King's Business School in London (Öffnet in neuem Fenster) wies im gleichen Artikel darauf hin, dass „Marken durch einen Blick auf das (Online-)Verhalten eines Prominenten in der Vergangenheit recht gute Aufschlüsse für die Zukunft erhalten können. Leute wie Donald Trump lassen uns wissen, wer sie sind. Und auch bei Kanye West gab es eine lange Geschichte wirrer Tweets.“

  • Glaubwürdigkeit und ein gewisses Knowhow bzw. eine natürliche Neugier gegenüber dem Produkt ist ein unverzichtbarer Erfolgsfaktor. So nimmt man Matthew McConaughey (Öffnet in neuem Fenster) ab, dass er einen Lincoln fährt. Dwayne „The Rock“ Johnson (Öffnet in neuem Fenster) wirkt stimmig in Sportklamotten von Under Armour und, dass sich Reese Witherspoon (Öffnet in neuem Fenster) mit Crate & Barrel einrichtet, scheint ebenso glaubwürdig.
    Währenddessen halten Experten den Kardashian-Clan trotz wahnwitziger Reichweiten für kaum geeignet, Waren feilzubieten, die nicht dem eigenen Imperium entstammen oder Teil von Joint-Venture-Projekten sind. Andererseits gelten der bewusste Tabubruch oder augenzwinkernde Clip-Comebacks wie das von bad boyCharlie Sheen (Öffnet in neuem Fenster) als Aufmerksamkeitsmagnet.

  • Als grobes Brainstorming-Raster scheinen das von winnerbrands.in (Öffnet in neuem Fenster) vorgeschlagene Quintett aus Creativity, Clarity, Credibility, Coverage und Consistency hilfreich (s. oben).

  • Weniger sinnvoll sind die „E-Score“-Momentaufnahmen (s. oben), nach denen diese Agentur (Öffnet in neuem Fenster) die weltweite Prominenz in Datensätze presst. Kurzfristige Skandale, Flops oder einen überschrittenen Zenith sieht das Tool nicht vor. Oder zu spät.

  • -> Mehr zu dem komplexen Thema hat Martin Roll hier (Öffnet in neuem Fenster) notiert und ausgeführt.

„Trotz des omnipräsenten Pochens auf datenbasierten Entscheidungen wählen (zu) viele Marken und Agenturen ihre Werbestars weiterhin rein nach Bauchgefühl, Sympathie oder persönlichen Kontakten des CEOs aus.“

– Marketing-Experte Steve Olenski auf Forbes.com (Öffnet in neuem Fenster)

DIE NO-NAME-KONKURRENZ: A BRAND(FLUENCER), LIKE A FRIEND

Nicht so teuer wie Hollywoodgrößen, ähnlich Reichweiten-stark, deutlich nahbarer, algorithmisch versiert und mit viel credibility für ihr jeweiliges Spezialgebiet – so punkten Influencer im Mediamix. Wobei allmählich die Grenzen verschwimmen: zwischen traditionellen Stars mit riesigen Followerzahlen und Markenpatenschaften, den „reinen“ Influencern mit eigenen Produktlinien sowie nativem Content und diversen anderen Persönlichkeiten – aus der Glotze und fernab – die sich im gleichen Kosmos Raum und Reichtum sichern wollen.

Ein Unterscheidungsmerkmal zwischen Influencern und „dem Rest“ ist die Frage, in welchem Medium er oder sie zuerst bekannt wurde: in althergebrachten Entertainmentformen wie dem Kino, der Popbühne, der Fernsehserie, in einer Sportarena – oder eben auf Plattformen wie YouTube, TikTok und dergleichen.

Während Schauspieler vor allem mit ihrer Präsenz, ihrer Attraktivität, ihrem Lächeln Sweater und Schweizer Uhren an Mann oder Frau bringen wollen, jedoch kaum als Kenner der Materie gelten, kriegen Influencer vielleicht keinen Stunt à la „Mission Impossible“ hin, wissen dafür aber, was Pantone-Farben oder ein Tourbillon sind. Außerdem sind Influencer oder Digital Creators, wie man jetzt sagt, meist direkt in den Prozess der Inhalteerstellung involviert und machen mehr mit als ein Leinwandheld oder Rap-Gott.

Erste Studien legen zudem nah, dass sich gerade bei jungen Zielgruppen die Wirkung klassischer Promiwerbung zugunsten der positiven Effekte von (Mikro-)Influencer-Kampagnen verschiebt. In manchen Umfragen liegt die Differenz bereits bei Faktor 10! Auch Think With Google gibt an, dass 70 Prozent der Teenager, die einem YouTube-Kanal folgen, deren Machern mehr vertrauen als Stars aus Film, Funk und Fernsehen. Vier von zehn Abonnenten im Millennial-Alter glauben gar, dass sie ihr liebster Digital Creator besser versteht als Freunde oder Familie.

Grafik: YouGov.org

DIE FORSCHUNGSLAGE: GIMME DATEN, BABY, GIMME DATEN!

Neben bereits zitierten Zahlen gibt es wie oben erwähnt, kaum frische und sämtliche Facetten der Promiwerbung umfassende Studien. Und auch kaum anekdotisches Material. Denn auf Nachfrage äußert sich kein deutscher Textilhersteller dazu, wie viele Bundfaltenhosen und Sakkos mehr (!) man denn mit der Ausstattung irgendeines Hockeyclubs oder TV-Kommissars verkauft hat. Zu groß die Sorge – wie man off the record erfährt – teils eher homöopathische Zuwächse bekennen zu müssen oder gar satte Verluste, bei etwaigen shit storms durch charakterliche Kurzschlüsse eines Promis. 

Ja, ich höre auch immer wieder zu Promi-Kollabos, dass eine capsule collection binnen Sekunden ausverkauft gewesen sei, ein Live-Shopping-Event die Server gecrasht und die Eröffnung eines Pop-up-Stores wegen Überfüllung die Polizei auf den Plan gerufen hätte. Bloß von welchen Stückzahlen wir reden, wie dauerhaft der Zuspruch ist und welche Starklamotte rasch in den press sale verschoben wurde, dazu fehlt jeglicher Kommentar.

Mal ist in Studien von einem satten POS-Plus von bis zu 40 Prozent die Rede, sowie ein Promi medial auftaucht, mal reicht gar die reine Ankündigung für den Aufschwung – mal fällt das Ergebnis kaum messbar aus. Zudem haben die meisten Angaben (etwa hier (Öffnet in neuem Fenster) und hier (Öffnet in neuem Fenster)) einen längeren Bart als LeBron James.

Immerhin weist eine Studie von 2019 (Öffnet in neuem Fenster) neben der Wichtigkeit einer stimmigen Paarung aus Promi und Produkt (s. o.) auf die deutlich gestiegene Empfindlichkeit von Millennials und jüngerer Zielgruppen hinsichtlich der Verfehlungen eines Stars hin. Da könnte man jetzt Reizworte wie wokeness und cancel culture dranpinnen, oder es weniger aufpeitschend schlicht als Evolutionsschritt oder consequence culture beschrieben. Ganz gleich, ein neues Eau de Rammstein dürfte schwierig werden. Ebenso wie eine Ringelpulli-Kapsel von Bill Cosby oder Kreditkarten von Anna „Delvey“ Sorokin (Öffnet in neuem Fenster).

Deutlich aussagekräftiger ist eine 2017 veröffentlichte und großangelegte Meta-Untersuchung (Öffnet in neuem Fenster) von 46 Studien mit insgesamt 10 357 Teilnehmern, die sich mit der wissenschaftlich Nachweisbarkeit der Effektivität prominenter Werbeträger beschäftigt. Die Macher kommen darin zu dem Schluss, dass sich bisher einzig die folgenden sechs Aspekte valide belegen lassen:

  • Star-Werbung wirkt sich positiv auf die Meinung der Konsumenten über ein konkretes Produkt aus.

  • Männliche Markenbotschafter performen insgesamt betrachtet besser als weibliche.

  • Schauspieler gefallen mehr als Models, Musiker und Moderatoren.

  • Botschafter mit gutem Marken-fit sind effektiver (s. oben).

  • Neue Produkte übertrumpfen in der Werbewirkung bereits bekannte.

  • Star-Spots funktionieren besser als herkömmliche Werbung mit unbekannten Gesichtern, jedoch schlechter als Kampagnen mit Qualitätssiegeln, Preisauszeichnungen oder für Marken, die dem Botschafter selbst gehören.

Das war es schon mit den hard facts, leider. Bisher nicht oder nur dürftig erforscht bleiben die negativen Effekte der gerade von jungen Kunden genauestens verfolgten Star-Skandale, politischen Verirrungen, Misogynie-Momente und andere Szenen aus dem A-loch-Sein.

Die K-Pop-Gruppe Enhypen ist neuer Prada-Botschafter (Foto: Prada)

ALLE AUGEN AUF ASIEN: GO EAST, WHERE THE SKIES ARE BLUE ...

Seit einem Interview mit Inkyu Kang (Öffnet in neuem Fenster), Professor für Digital Journalism an der Penn State University (erschienen in „Business Punk (Öffnet in neuem Fenster)“), lässt mich der beispiellose Aufstieg der koreanischen Popkultur, kurz: K-Pop, nicht mehr los. Was als Musik- sowie Film- bzw. TV-Angebot allein für den heimischen und asiatischen Markt gedacht war, lässt in seiner globalen Wucht frühere Wellen wie die „Beatlemania (Öffnet in neuem Fenster)“ wie zarte Kreise auf dem Gartenteich aussehen.

Schon etliche Modewochen- und Messesaisons lang ist zu beobachten, dass die Luxusbranche ihre Werbestars stark Richtung K-Culture (Öffnet in neuem Fenster), J-Pop (Öffnet in neuem Fenster) und C-Pop (Öffnet in neuem Fenster)umschichtet, mit dem einen oder anderen US-Star dazwischen sowie homöopathischen Dosen lokaler Prominenz in den wichtigsten übrigen Märkten. Ein paar fulminante Paarungen der jüngsten Vergangenheit: BTS x Louis Vuitton, Blackpink (Öffnet in neuem Fenster) x Bulgari x Dior x Yves Saint Laurent x Tiffany & Co. x Celine x Calvin Klein, Jimin von BTS x Dior, Jackson Wang (Öffnet in neuem Fenster) (von Got7) x Fendi, Danielle von NewJeans x Burberry, Taeyang von BIGBANG x Givenchy, Suga von BTS x Valentino; G-Dragon x Chanel, EXO x Gucci, Hyuna x Loewe … Die Liste geht endlos weiter und ist auf dieser Seite (Öffnet in neuem Fenster) en detail zu verfolgen.

Was juckt es die (deutsche) Modebranche des mittleren und Premiumsegments, wenn Luxusgiganten Hunderte von Marketingmillionen für Popstars und Serienhelden aus Asien ausgeben? Vor zehn Jahren wäre meine Antwort gewesen: Nicht im Geringsten, sorry, dass ich davon angefangen habe. Heute würde ich sagen: Wake the f*ck up! Denn K-Pop und verwandte Trendströmungen bestimmen längst mit, was Gen Z und Gen A weltweit (!) hören, sehen, essen, reden, lernen (Koreanisch-Sprachapps boomen) und kaufen. Inklusive einer spannenden Neudefinition, wann ein Mann ein „echter“ Mann ist, denn ohne Komplett-Make-up und androgyne Stylings funktioniert kein K-pop act.

Klar kann kein Herforder Textilfabrikant auch nur eine Zoom-Minute mit BTS bezahlen und man bucht halt weiter Till Brönner oder Ursula Karven. Doch zu beobachten, wie K-Pop-Fangemeinde tickt, die für Konzert-Leuchtstäbe kurz mal 70 bis 100 Euro raushaut – und zwar pro Gruppe, die jeweils exklusive light stick Designs haben – scheint mir markenpsychologisch wie ökonomisch sehr interessant. Und ist eine riesige Herausforderung! Mehr dazu sicherlich bald bei Ihren Luxusproblemen, vielleicht ja mit aussagekräftigen Daten zu diesen Ost-Engagements.

DIE ZUKUNFT: WIRD FORTGESETZT ...

Zum Abschluss dieses umfassenden Exkurses (you are welcome) noch ein paar Schlaglichter für die weitere Entwicklung der Werbung mit prominenten Persönlichkeiten:

  • Influencer werden klassischen Promis weiter ihr lunch money streitig machen, weil sie mehr interaktiven Ehrgeiz besitzen, preisgünstiger, lenkbarer und authentischer einsetzbar sind. Direkte Tuchfühlung mit einem Produkt, wieder und wieder, dazu Live-Sessions, Bilder, Videos, Podcasts und Sendungsbewusstsein 24/7 – das will und schafft kein Entertainer der „alten Schule“.

  • Schauspieler und Popstars versuchen sich derweil verstärkt selbst als (Co-)Unternehmer: mit Kosmetik, Spirituosen (!), Telekommunikation, Kopfhörer, Festivals, Mode, Cannabis ... Eigener reach, eigene Rechnung, das belebt die jeweiligen Branchen und setzt dort etablierte Player unter Druck. Die kaufen deshalb, wenn möglich, die glamouröse Konkurrenz auf oder suchen das Bündnis suchen. Vgl. hierzu, Reynolds, Ryan (Öffnet in neuem Fenster).

  • Nicht erst seit Apples Vorstellung eines VR-Visiers warten AI-Stars im Metaverse oder bei Roblox (Öffnet in neuem Fenster) auf Fans aus Fleisch und Blut und mit Kreditkarte, um ihnen digitale oder physische Waren anzudrehen. Man wird sehen, ob sich die oben beschriebenen neurologischen Vorgänge nahtlos ins Universum der Bits und Bytes überführen lassen und ähnlich stark (kauffördernd) wirken.

  • Blich nach China: Hier schließt Star-Werbung inzwischen (endlich) auch Schauspielerinnen mittleren Alters ein, was beispielsweise Aktrice Hai Qing wohldotierte Verträge mit Chanel und Max Mara (Öffnet in neuem Fenster) einbrachte. 

Und in Deutschland? Mir scheint der Werbekader der DACH-Region reichlich abgenudelt und ausgeleiert. Ich will dem lieben Guido nix mehr abkaufen, mir ist Wurst, was Jauch für wen behauptet oder abfüllt und ich gönne Frau Klum ihre Multimillionen – wenn sie mich in Ruhe lässt. Selbst die Inszenierung neuer, frischer Gesichter verfällt allzu oft in altbackene Muster. Wenn Haarpflegespots mit Frauke Ludowig und Riccardo Simonetti nahezu gleich aussehen, dann ist das kreative Inkompetenz und verschenktes Potenzial.
One size fits all, wann war das denn zuletzt zutreffend? 1983?? Wer heute als Markenstratege noch glaubt, man dürfe sein Publikum – ganz gleich welches Alters – weder (über-)fordern noch überraschen, der ist herzlich eingeladen, mir den Felsbrocken zu zeigen, unter dem er oder sie die letzten zehn Jahre gekauert hat. Überrascht mich ihr Marken, gern mit ganz neuem Personal. Jetzt! Oder wenigstens nach meinen Sizilienferien.

Wir lesen uns Ende Juni wieder, dann mit meinen für Sie kuratierten Tipps unter dem Titel „Sie(e)ms Great To Me“. Bleiben Sie neugierig und gönnen Sie sich ein Pistazieneis – Ihr Siems Luckwaldt

PS: Falls jemand noch ein testimonial für cannoli siciliana sucht, für Riesling der Nahe-Region, Jeans-Overalls oder die Thriller von John Connolly – ich habe noch Kapazität und stehe gern zur Verfügung. Anfragen bitte an: luxusprobleme@luckyincmedia.com (Öffnet in neuem Fenster)

Kategorie Essays

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