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Folge 11: Dietrologia – Verschwörungsglauben nach italienischer Art

Liebe Newsletter-Abonnentinnen und -Abonnenten,

die neue Kurz gesagt: Italien-Episode ist gerade erschienen. 

Das unübersetzbare Wort ist diesmal: dietrologia.

Ich erzähle darin die Geschichte von einer unübersetzbar italienischen Art von Verschwörungserzählungen, die seit den 1970er Jahren in Italien enorm populär ist.

https://kurzgesagt-italien.podigee.io/11-dietrologia (Öffnet in neuem Fenster)

Italien, seit Jahrzehnten ein Spielfeld finsterer, geheimer Mächte? Von Udine bis Palermo glauben das erstaunlich viele Menschen – nicht, weil Italienerinnen und Italiener besonders anfällig für Verschwörungserzählungen wären. Sondern, weil sich in Italien seit den 1970er Jahren die dietrologia durchgesetzt hat: ein Verschwörungsglauben italienischer Art, dem hochrangige Politiker und reichweitenstarke Medien zum Erfolg verholfen haben.

Ich erzähle in dieser Folge vom unübersetzbar italienischen Verschwörungsglauben namens dietrologia. Die Geschichte dreht sich um die aufsehenerregendste Entführung der italienischen Geschichte, um eine mächtige Geheimloge – und um einen Sieg der italienischen Demokratie, über den sich kaum jemand wirklich freut.

Zu Gast in dieser Episode sind Alessandro Parodi, Autor des Podcasts Il Grande Vecchio, (Öffnet in neuem Fenster) und Roberto Paura vom Bildungsverein Cicap.

Das ist die 11. Folge von Kurz gesagt: Italien – dem Podcast, der Italien erklärt. Wort für Wort.

Der Palazzo Cenci-Bolognetti an der Piazza del Gesù in Rom, das Gebäude mit der ehemaligen Parteizentrale der früheren Partei Democrazia Cristiana (DC), der jahrzehntelang mächtigsten Kraft der Politik Italiens.

Der Palazzo Cenci-Bolognetti an der Piazza del Gesù in Rom, das Gebäude mit der ehemaligen Parteizentrale der früheren Partei Democrazia Cristiana (DC), der jahrzehntelang mächtigsten Kraft der Politik Italiens.

Dietrologia ist ein Phänomen, dem man in Italien ständig begegnet: beim Lesen, Hören und Anschauen von Nachrichten, in Fernsehtalkshows, bei Gesprächen in der bar und im Verwandten- und Freundeskreis. Gerne begleitet von einem leicht verschwörerischen Raunen oder dieser Geste: jemand zieht mit dem Zeigefinger seine Augenhöhle leicht nach unten – um zu zeigen: Das hab' ich durchschaut, diese trübe Geschichte habe ich verstanden.

Bei der Arbeit an dieser Folge ist mir andererseits deutlich geworden, wie sehr diese dietrologia gerade manchen Menschen nutzt, die in der Politik Verantwortung tragen: Menschen, die glauben, dass hinter vielen politischen Ereignissen finstere Gestalten stecken, verlieren sich häufig in Theorien, die keine Lösung anbieten. Wer die Mächtigen stattdessen als Menschen mit menschlichen Fähigkeiten und Fehlern sieht, als Personen, die in einer Demokratie für ihre Arbeit Rechenschaft ablegen müssten, stellt vermutlich eher unbequeme Fragen.

Der aktuellen Podcast-Folge wird demnächst die aktuelle Ausgabe des monatlichen Bonus-Newsletters Mensile folgen, in der ich eine besonders bizarre Geschichte zur erschütterndsten Entführung der jüngeren italienischen Geschichte erzähle: zum Fall des mächtigen christdemokratischen Politikers Aldo Moro.

Es geht um eine Gruppe Universitätsprofessoren, die an einem regnerischen Nachmittag aus Spaß zu den Geistern Verstorbener sprechen wollen – und dabei einen Namen erfahren, den damals nur Terroristen kennen können. Eines der Rätsel der italienischen Geschichte, um die wohl die meiste dietrologia betrieben wurde – die sich aber auch ohne Verschwörungsraunen erklären lässt.

Den aktuellen Bonus-Newsletter Mensile bekommen in den nächsten Tagen alle Mitglieder von Kurz gesagt: Italien. Wie man Mitglied wird, steht unten, beim P.S..

Aber jetzt erstmal: Buon ascolto, viel Spaß mit der aktuellen Folge.

Sebastian Heinrich

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Grazie mille!


Hier finden Sie und findet ihr die Links zu allen in der Episode genannten Quellen:

(1978) Sonderausgabe der Nachrichtensendung TG1 zur Entführung Aldo Moros (Öffnet in neuem Fenster)

(1978) Audio des mitgeschnittenen Telefonats, in dem die Roten Brigaden den Fundort von Moros Leiche mitteilen (Öffnet in neuem Fenster)

(2021) Die Geschichte von Blumenhändler Antonio Spiriticchio und seiner Nebenrolle im Fall Aldo Moro (Portal Le Trattative) (Öffnet in neuem Fenster)

Wörterbucheintrag für dietrologia im digitalen Wörterbuch Zanichelli Più (Öffnet in neuem Fenster)

(1991) Kolumne des Italien-Korrespondenten der taz, Werner Raith, zur Dietrologia (Öffnet in neuem Fenster)

(2013) Aufsatz “Die ‘Affäre Moro’ - Linksterrorismus und Verschwörungstheorien im Italien der späten 1970er Jahre” von Tobias Hof (Öffnet in neuem Fenster)

(2021) Studie von Cordonnier, Cafiero und Brunner zu Erfolgsfaktoren für Verschwörungserzählungen (Öffnet in neuem Fenster)

(2016) Buch “I nemici della Repubblica” von Historiker Vladimiro Satta (Öffnet in neuem Fenster)

(1977) “Spiegel”-Ausgabe 31/1977, mit dem berüchtigten Cover mit der Pistole auf dem Teller Spaghetti (Öffnet in neuem Fenster)

(1978) Radionachrichten aus den Archiven des öffentlich-rechtlichen Rundfunks RAI in den Tagen der Moro-Entfürung (Teil I) (Öffnet in neuem Fenster)

(1978) Radionachrichten aus den Archiven des öffentlich-rechtlichen Rundfunks RAI in den Tagen der Moro-Entfürung (Teil II) (Öffnet in neuem Fenster)

(2023) Podcast “Il Grande Vecchio” rund um die populärste Verschwörungserzählung hinter dem italienischen Linksterrorismus (Öffnet in neuem Fenster)

(2023) RAI-Podcast “Moro. L’ultima Battaglia” (Öffnet in neuem Fenster)

(2018) Artikel von Davide Maria de Luca auf “Il Post” zu den “falschen Geheimnissen” um die Entführung und Tötung von Aldo Moro (Öffnet in neuem Fenster)

(2021) Analyse von “Il Post” zur Geheimloge P2 (Öffnet in neuem Fenster)

(2017) Studie von Moreno Mancosu, Salvatore Vassallo und Cristiano Vezzoni zur Verbreitung von Verschwörungserzählungen bei bestimmten italienischen Wählergruppen (Öffnet in neuem Fenster)

(2022) Studie von Marco Salvatia et al. zum Einfluss von rechtsautoritärer Einstellungen auf Verschwörungsglauben (Öffnet in neuem Fenster) (2023) Artikel von Pagella Politica zur Verwendung der Verschwörungserzählung vom “Bevölkerungsaustausch” durch Meloni und Salvini (Öffnet in neuem Fenster)

(2021) Text von Davide Maria De Luca in "Domani" über die spiritistische Sitzung im Fall Moro (Öffnet in neuem Fenster)

1970er-Jahre-Sound: "Private Eye" von Kevin MacLeod ( (Öffnet in neuem Fenster)incompetech.com (Öffnet in neuem Fenster); Creative Commons: By Attribution 4.0 License) (Öffnet in neuem Fenster)

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