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Widerstand beginnt im Kopf

Warum wir jetzt für die Demokratie kämpfen sollten

Heute wird gewählt. Und niemand kann behaupten, er hätte es nicht kommen sehen. Die CDU unter Friedrich Merz wird wohl triumphieren, während die AfD weiter erstarkt – nicht als Protest, sondern als kalkulierte Sabotage an der Demokratie. Der Rechtsruck ist kein diffuses Unbehagen mehr, sondern eine gesellschaftliche Zäsur.

Adorno schrieb, dass der Faschismus nicht von außen über die Gesellschaft hereinbricht, sondern aus ihren eigenen Widersprüchen erwächst. Die Krise der Demokratie ist hausgemacht, mit einem neoliberales Wirtschaftssystem, das soziale Sicherheit zugunsten von Wettbewerbsfähigkeit opfert, eine Öffentlichkeit, die sich in Empörung erschöpft, anstatt zu handeln. Die Verhältnisse sind nicht einfach so – sie wurden gemacht. Und sie lassen sich ändern. Wer jetzt in Schockstarre verfällt oder auf „die da oben“ schimpft, verkennt die eigene Verantwortung. Demokratie ist kein Automatismus, sondern eine tägliche Entscheidung. Aktiv werden. Kämpfen.

Wie wir hierhergekommen sind

Die letzten Jahre haben bewiesen, wie fragil das vermeintlich stabile Fundament unserer Gesellschaft ist. Krisen – ob Pandemie, Inflation, Kriege oder die Klimakatastrophe – schaffen Verunsicherung. Und in solchen Momenten gewinnen nicht jene, die Lösungen erarbeiten, sondern jene, die einfache Feindbilder präsentieren. Rechte Parteien haben dieses Prinzip perfektioniert. Sie setzen auf Angst statt Argumente, auf Ressentiment statt Reflexion. Sie versprechen eine Ordnung, die es so nie gab, ein „früher war alles besser“, das nichts anderes ist als eine autoritäre Fata Morgana. Genau dieses Bedürfnis nutzen die Rechten – und die politische Mitte beginnt mitzuspielen. Aus Angst vor Wählerverlusten übernimmt sie Narrative, grenzt sich rhetorisch ab, aber politisch an. Doch wer glaubt, man könne der AfD das Wasser abgraben, indem man ihre Themen aufgreift, gießt in Wahrheit nur weiter nach. Wer nach rechts rückt, stabilisiert nicht die Demokratie – er untergräbt sie.

Die Fehler der Etablierten

Die Sozialdemokratie taumelt zwischen Vergangenheit und Beliebigkeit, die Grünen zerschellen an den Widersprüchen zwischen Anspruch und Regierungspraxis, die Linke stabilisiert sich zu spät, und die FDP klammert sich an ein Freiheitsideal, das längst zum Marktfetisch verkommen ist. Und die CDU? Sie verkauft mit Friedrich Merz einen politischen Schachspieler, der sich je nach Lage mal als wirtschaftsliberal, mal als autoritär inszeniert – Hauptsache, die Machtperspektive stimmt. Wer sich in taktischen Manövern verliert, statt klare Kante gegen die Feinde der Demokratie zu zeigen, bereitet den Boden für ihren Zerfall. Wer rechtsextreme Akteure duldet, sie gar umwirbt, statt sie konsequent zu bekämpfen, macht sie hoffähig. Und wer die demokratische Ordnung verteidigen will, darf nicht schweigen, wenn sie attackiert wird. Appeasement war nie eine Lösung – und heute ist es erst recht keine. Die Grenze muss gezogen werden. Jederzeit. Überall.

Was können wir tun?

Widerstand organisieren. Demokratie stirbt nicht über Nacht. Sie zerbröselt, schrittweise, oft unbemerkt. Doch manchmal geht es schneller, als man denkt – schneller, als eine Nacht reicht, um zu überlegen, was zu tun ist. Deshalb zählt jeder Tag, jede Stunde. Aufstehen, ob auf der Straße, in der Uni, am Arbeitsplatz oder im Supermarkt. Jede Diskussion, jedes klare Bekenntnis, jede Demonstration ist ein notwendiger Gegenpol zur Normalisierung des Autoritären.

Lokale Politik beeinflussen. Nicht nur auf Bundesebene wird Politik gemacht. In Stadt- und Gemeinderäten, in Schulen und Vereinen werden Entscheidungen getroffen, die den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken oder gefährden können. An Sitzungen teilnehmen, kritische Fragen stellen, Druck ausüben.

Unternehmen in die Verantwortung nehmen. Firmen, die rechten Akteuren Werbefläche bieten oder mit ihnen zusammenarbeiten, sollten damit nicht durchkommen. Beschwerden schreiben, Boykotte organisieren, Unternehmen öffentlich konfrontieren – wirtschaftlicher Druck wirkt oft schneller als politische Appelle.

Kritischen Journalismus unterstützen. Kritischer Journalismus, der ohne Scheu unbequem ist, ist heute dringender denn je. In einer Zeit, in der Gleichgewicht und Neutralität allzu oft mit einem „Bothsideism“ verwechselt werden, ist es die Aufgabe der Medien, klare Positionen zu beziehen. Journalistische Arbeit, die Ursachen hinter Ereignissen und Entwicklungen aufdeckt und präzise einordnet, stärkt nicht nur das Vertrauen in die Demokratie, sondern schützt sie.

Medienkompetenz schärfen. Rechte Propaganda ist nicht laut, sie ist effizient. Sie flutet soziale Netzwerke, verstärkt durch Algorithmen, die auf Empörung programmiert sind. Polarisierung ist ihr Treibstoff. Wer sich dem entzieht, gewinnt. Wir müssen Fake News entlarven, Desinformation entgegentreten, alternative Erzählungen setzen. Information ist nicht neutral – sie ist ein Werkzeug. Nutzen wir es.

Solidarische Netzwerke stärken. Faschismus braucht Spaltung, Individualisierung, Isolation. Die Antwort darauf ist nicht bloßes Dagegensein, sondern der aktive Aufbau von Gegenstrukturen. Gewerkschaften, Nachbarschaftsinitiativen, politische Gruppen – sie sind das Rückgrat einer Gesellschaft, die sich nicht auseinanderdividieren lässt. Solidarität ist nicht nur ein Wort, sie ist eine Praxis.

Unterstützung für Betroffene organisieren.
Menschen, die von rechter Gewalt oder Diskriminierung betroffen sind, brauchen Solidarität. Spenden für Beratungsstellen, Begleitung zu Gerichtsprozessen, Anlaufstellen bekannt machen – auch das ist Widerstand.

Kultur und Bildung stärken.
Rechte Ideologien leben von Geschichtsvergessenheit und kultureller Verödung. Museen, Bücher, Filme, Gedenkstätten, Theaterstücke – all das sind Räume, die kritisches Denken fördern. Kulturelle Initiativen unterstützen, in Bildungsprojekte investieren, Lesungen und Debattenräume schaffen.

Klartext reden. Kein "aber" bei Rassismus. Kein "man wird ja wohl noch sagen dürfen" bei rechter Hetze. Keine falsche Toleranz für Intoleranz. Adorno schrieb, dass die kleinste Geste der Verrohung ein Vorbote des Schlimmeren ist. Wer schweigt, macht sich mitschuldig. Wer relativiert, ebnet den Weg. Haltung zeigen, Kante geben, klare Worte finden. Immer.

Die Demokratie ist noch nicht verloren – aber in Gefahr

In den USA hat es fast 250 Jahre gedauert, bis eine Demokratie so ins Wanken geriet, dass ein autoritärer Präsident sie von innen heraus zerlegen kann. In Deutschland wissen wir längst, wie schnell es gehen kann – und welche Konsequenzen es hat, wenn man die ersten Anzeichen ignoriert. Geschichte wiederholt sich nicht eins zu eins, aber ihre Muster sind erkennbar. Die Frage ist, ob wir sie rechtzeitig durchbrechen. Der Kampf um die Demokratie endet nicht an der Wahlurne. Er beginnt dort erst. Jeden Tag, in jeder Debatte, in jedem Widerstand gegen diejenigen, die sie demontieren wollen. Demokratie ist eine Entscheidung – unsere Entscheidung.

Solidarität ist kein leeres Wort, sondern die stärkste Waffe gegen Isolation, gegen das Gefühl der Ohnmacht. Fäuste hoch. Es gibt kein Zurück!

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