Antisemitismus im Januar 2025: Eine Bestandsaufnahme
Der Überfall der Hamas auf Israel hat nicht nur den Nahen Osten erschüttert, sondern weltweit eine gefährliche Entsolidarisierung mit Jüdinnen und Juden ausgelöst. Der offene Antisemitismus wird lauter, sichtbarer und aggressiver. Ob auf sozialen Netzwerken, in politischen Debatten oder im alltäglichen Leben – die Hemmschwellen fallen. In der zweiten Januarhälfte ist die Zahl antisemitischer Vorfälle erneut gestiegen. Dieser Artikel dokumentiert nicht nur Einzelfälle, sondern zeigt ein klares Muster auf, denn Antisemitismus äußert sich in vielen Facetten und stellt uns als Gesellschaft vor eine fundamentale Frage: Wie reagieren wir auf den Hass, der sich zunehmend entlädt?
Am 20. Januar 2025 wurde Donald Trump zum zweiten Mal als US-Präsident vereidigt. Bei der anschließenden Feierlichkeit in der Washingtoner Capital One Arena, Washington D.C., USA betrat Elon Musk die Bühne und führte eine Geste aus, die ein Hitlergruß war: Mit entschlossenem Gesichtsausdruck legte er die rechte Hand aufs Herz und streckte sie dann zackig nach oben. Während rechtsextreme Kreise in Online-Foren wie Stormfront die Geste feierten und mit Kommentaren wie "Heil Hitler" bedachten reagierten die meisten deutschen Medien auffallend zurückhaltend. Statt die Geste klar als das zu benennen, was sie war – ein offensichtlicher Hitlergruß –, wurde vielfach von einer "umstrittenen" oder "missverständlichen" Geste gesprochen. Diese Zurückhaltung wirft Fragen auf: Warum zögern deutsche Medien, einen klaren faschistischen Bezug zu benennen, wenn er so offensichtlich ist?
Am 21. Januar 2025 eskalierte der Antisemitismus an der Columbia University, New York City, USA einmal mehr zur offenen Einschüchterung. Eine vermummte Gruppe stürmte ein Seminar zur modernen israelischen Geschichte, das von dem israelischen Historiker Avi Shilon geleitet wurde. Mit Trommel, Kamera und Flugblättern bewaffnet, hielten die Störer eine Rede gegen die Veranstaltung – oder vielmehr gegen die bloße Existenz eines israelischen Dozenten auf dem Campus. Laut der jüdischen Nachrichtenagentur JNS war der Angriff kein Zufall. Ein Student berichtete, dass gezielt dieses Seminar gestört wurde, weil es von einem Israeli gehalten wurde. Dass an US-amerikanischen Universitäten mittlerweile Veranstaltungen über Israel nur noch unter Polizeischutz stattfinden können – sofern sie überhaupt noch zugelassen werden – ist längst traurige Realität. Die Proteste gegen den Gazakrieg dienen dabei oft nur noch als Deckmantel für blanken Judenhass.
Am 21. Januar 2025 wurde ein Kindergartengebäude in Sydney, Australien durch Brandanschläge und Graffiti beschädigt. Die Polizei vermutet, dass die Taten in Verbindung mit antisemitischen Symbolen stehen, die auf dem Gebäude hinterlassen wurden. Es gab keine Verletzten, jedoch werden Ermittlungen geführt, um die Hintergründe und mögliche Täter zu ermitteln.
Ebenfalls am 21. Januar 2025 erfolgte durch eine Entscheidung von Außenministerin Annalena Baerbock, den deutschen-israelischen Stand auf der Frankfurter Buchmesse 2025 abzusagen. Ein politisches und kulturelles Desaster. Sie offenbart nicht nur ein mangelndes Verständnis für die Bedeutung der israelischen Literaturwelt, sondern auch eine bedenkliche Nachgiebigkeit gegenüber pro-palästinensischem Druck, der in den letzten Jahren zunehmend die öffentliche Debatte dominiert.
Am 22. Januar 2025 wurden an der Technischen Universität München, Gebäude in der Maxvorstadt mit Graffiti besprüht, die rote Dreiecke, verbotene Parolen und Aufrufe zur Zerstörung Israels zeigten. Die Kriminalpolizei hat Ermittlungen aufgenommen.
Ebenfalls am 22. Januar 2025 hat die Polizei Wohnungen von Mitgliedern des Vereins "Palästina e.V." in Frankfurt durchsucht, da der Verdacht besteht, dass der Verein antisemitische Propaganda verbreitet und gegen die Verfassung verstößt. Der Verein, der 2022 gegründet wurde, ist wegen seiner israelfeindlichen Haltung und Verbindungen zu linksextremem Antisemitismus im Fokus der Ermittlungen. Insbesondere nach den Terroranschlägen der Hamas auf Israel im Oktober 2023 geriet er in die Schlagzeilen. Das Innenministerium prüft ein mögliches Verbot des Vereins.
Am 24. Januar 2025 meldet sich der Dani Dayan, Direktor von Yad Vashem zu Wort und kritisiert die verzerrte Darstellung jüdischer Geschichte in Deutschland und die zunehmende Verbreitung von Antisemitismus, besonders durch die AfD. Er betont, dass Bildung und das Recht entscheidende Instrumente im Kampf gegen rechte Ideologien seien. Die fortschreitende Normalisierung von Antisemitismus sei nicht nur eine Bedrohung für die jüdische Gemeinschaft, sondern gefährde auch die demokratischen Grundwerte der Gesellschaft. Ein klares Signal gegen den Rechtsextremismus ist dringend erforderlich.
Am 25. Januar 2025 wurde durch die Sendung Aktenzeichen XY ... ungelöst der 27-jährige Tatverdächtige festgenommen, der am 5. April 2024 einen Molotowcocktail auf die Synagoge in Oldenburg geworfen hat. Glücklicherweise kam es zu keinem Verletzten. Der Tatverdächtige konnte in Vechta festgenommen werden. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung werden nun weitere Details zu seinem Motiv ermittelt. Es wird geprüft, ob der Täter in Haft bleibt, um einer möglichen Flucht zuvorzukommen.
Am 25. Januar 2025 meldet das Jüdische Museum Frankfurt, dass es zunehmend im Fokus antisemitischer Angriffe steht. Im Museum häufen sich Vandalismusakte – Hakenkreuze und antisemitische Sticker tauchen auf, sowohl im Außenbereich als auch in den Ausstellungsräumen. Hinzu kommen Beschimpfungen gegenüber Mitarbeitenden und Besuchenden, darunter öffentlichkeitswirksame Anfeindungen gegen die Museumsdirektorin Mirjam Wenzel. 2024 musste das Museum bereits zwölf Strafanzeigen stellen, ein Trend, der sich 2025 fortzusetzen scheint.
In Brooklyn, New York City, USA wurde am 26. Januar 2025 ein israelisches Restaurant Ziel antisemitischer Schmierereien. Unbekannte besprühten die Fenster und die Tür des Restaurants „Miriam“ mit den Parolen „Genocide Cuisine“ und „Israel steals culture“. Zudem wurde rote Farbe am Eingang des Lokals in Park Slope verschüttet.
Am Morgen des 26. Januar 2025 entdeckt ein Passant mehrere mit antisemitischen Parolen beschmierte Wahlplakate im Saarland. Betroffen sind vor allem Plakate demokratischer Parteien, die sich gegen rechts positionieren.

In einem Interview vom 27. Januar 2025 äußert sich Sigmount Königsberg, der Antisemitismus-Beauftragte der Jüdischen Gemeinde zu Berlin, besorgt über den zunehmenden Antisemitismus in Deutschland. Er betont, dass jüdische Einrichtungen und Personen vermehrt Ziel von Angriffen sind und fordert die Gesellschaft auf, entschieden gegen antisemitische Tendenzen vorzugehen.
Der Holocaust-Gedenktag am 27. Januar 2025 zeigte einmal mehr die tiefe Kluft in der deutschen Erinnerungskultur. In Coswig bei Dresden eskalierte die Situation, als Proteste gegen die Beteiligung der AfD an der offiziellen Gedenkveranstaltung stattfanden. Dies löste eine alternative Gedenkaktion aus, die die offensichtlichen politischen Spannungen widerspiegelte. Die Stiftung Brandenburgische Gedenkstätten zog klare Grenzen, indem sie der AfD die Teilnahme an der Gedenkveranstaltung in Sachsenhausen verwehrte. Ein Schritt, der von Opferverbänden begrüßt wurde, die die geschichtsrevisionistischen Bestrebungen der Partei als unvereinbar mit der Erinnerung an den Holocaust erachten. Doch der Skandal erreichte seinen Höhepunkt am selben Tag im Berliner Abgeordnetenhaus, als der AfD-Abgeordnete Marc Vallendar mit einer Verharmlosung des Holocausts für einen Eklat sorgte, der die weiterhin bestehende Gefahr einer Relativierung des Nationalsozialismus verdeutlicht. Die AfD und ihr Verhältnis zur Erinnerungskultur bleibt ein Sammelbecken für Geschichtsrevisionismus und antisemitische Codes. Björn Höcke, Fraktionsvorsitzender in Thüringen, will den Straftatbestand der Volksverhetzung abschaffen – was nichts anderes bedeutet, als Holocaust-Leugnung zu legalisieren. Dasselbe Höcke, der das Holocaust-Mahnmal als „Denkmal der Schande“ bezeichnete und eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad“ forderte. Innerhalb der Partei stößt das auf Zustimmung.
In Neuseeland haben anti-israelische Aktivisten am 28. Januar 2025 eine Hotline eingerichtet, um IDF-Soldaten und Reservisten ausfindig zu machen, die das Land besuchen. Die Gruppe Palestine Solidarity Network Aotearoa (PSNA) verkündete den Start der Initiative in ihrem Newsletter und forderte dazu auf, israelische Soldaten zu melden, falls sie im Urlaub gesichtet werden. „Israelische Soldaten sollten sich in Neuseeland nicht von einem Genozid erholen dürfen“, heißt es in der Mitteilung. „Wir brauchen eure Hilfe, um sie aufzuspüren und ihnen klarzumachen, dass sie hier nicht willkommen sind.“
Am 29. Januar 2025 haben anti-israelische Aktivisten zwei Fakultäten der Columbia University, New York City, USA verwüstet. Laut Angaben der Universität und verschiedener Aktivistengruppen wurden die Fassade eines Gebäudes mit roter Farbe besprüht und Zement in die Toiletten gespült. In einem Video und einem anonym eingereichten Manifest, das die Gruppe Unity of Fields veröffentlicht hat, erklären die mutmaßlichen Täter, sie hätten Beton in die Abflüsse der School of International and Public Affairs gekippt, um die „Abwasserleitungen des gesamten Gebäudes zu zementieren“ – mit dem Ziel, den Betrieb lahmzulegen.
Frankreich meldet am 29. Januar 2025 das die Zahl antisemitischer Vorfälle 2024 im Vergleich zum Vorjahr um knapp sechs Prozent gesunken ist. Dennoch gab es mit 106 gewalttätigen Übergriffen mehr antisemitische Gewalttaten als in jedem anderen Jahr des vergangenen Jahrzehnts. Das geht aus den am Mittwoch veröffentlichten Zahlen des jüdischen Schutzdienstes SPCJ hervor. Insgesamt wurden 1.570 antisemitische Vorfälle registriert, 2023 waren es 1.676. Die leichte Abnahme ändert jedoch nichts daran, dass Antisemitismus in Frankreich weiterhin auf einem Rekordniveau ist. Zum Vergleich: 2022 gab es 436 Vorfälle, 2014 lag die Zahl bei 851.
Im EU-Parlament wurde am 29. Januar 2025 eine Schweigeminute zum Gedenken an die Opfer der Shoah gehalten. Doch der polnische Rechtsaußen-Politiker Grzegorz Braun nutzte den Moment für einen gezielten Eklat, in dem er zwei Mal lautstark rief: „Lasst uns für die Opfer des jüdischen Genozids in Gaza beten.“ Parlamentspräsidentin Roberta Metsola reagierte umgehend und ließ ihn unter Applaus aus dem Saal entfernen.
Am 29. Januar 2025 mahnt der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, vor der Bedrohung, die von der AfD und dem BSW für das jüdische Leben in Deutschland ausgeht. In einem eindringlichen Schreiben an die 103 im Zentralrat organisierten Gemeinden warnt er vor der Wahl dieser Parteien. „Diese beiden Parteien verschleiern ihre Absichten kaum noch. Umso größere Sorgen bereiten mir die aktuellen Umfragewerte“, schreibt Schuster. Sein Appell richtet sich an Gemeinden von Konstanz bis Flensburg. Er hebt hervor, dass sowohl AfD als auch BSW den demokratischen Diskurs gezielt untergraben und auf populistische Rhetorik setzen.
Am 30. Januar 2025 wurden in Hannover niedergelegte Kränze an der Gedenkstätte Ahlem mutwillig beschädigt, gestohlen oder in die Gartenanlage geworfen. Überwachungskameras erfassten den mutmaßlichen Täter, die Polizei und der Staatsschutz ermitteln.
Am 30. Januar 2025 kam es am Berliner Holocaust-Mahnmal zu einem Angriff. Ein 36-jähriger Mann attackierte zwei Personen und beschädigte mehrere Gedenkkränze, die beiden Opfer erlitten leichte Verletzungen. Die Polizei nahm den Täter noch vor Ort fest.
Am 30. Januar 2025 wurde an der KVB-Haltestelle Severinstraße in Köln ein Straßenschild antisemitisch verunstaltet. Der Name Tel Aviv wurde durchgestrichen und durch „Free Palestine“ ersetzt.

Ebenso am 30. Januar 2025 wird die israelsolidarische Kneipe "Bajszel" in Berlin-Neukölln erneut Ziel eines antisemitischen Angriffs. Zwei mutmaßlich arabischstämmige Männer betraten das Lokal, bedrohten den Betreiber Alexander Carstiuc mit Parolen wie "Fuck Israel, Viva Hamas, Tod den Juden, Destroy Israel" und fragten ihn, ob er Jude oder Israeli sei. Sie zerrissen Flyer und Sticker und warfen einen Stuhl in den Raum. Carstiuc forderte sie zum Gehen auf und täuschte vor, sie würden gefilmt, woraufhin die Männer den Ort verließen. Später erkannte er einen der Angreifer auf einem Social-Media-Beitrag wieder, der eine Gruppe junger Männer mit islamistischen Symbolen zeigt. Carstiuc betonte, dass es sich diesmal nicht um linke Studenten aus der "Pro-Palästina"-Szene handelte, sondern um eine andere Gruppe.
Am 30. Januar 2025 richtet sich Eva Umlauf, eine Überlebende des Holocausts, in einem eindringlichen Appell an die Union. In einem offenen Brief an Friedrich Merz, den Kanzlerkandidaten der Union, fordert sie ihn auf, am Freitag kein Gesetz gemeinsam mit der AfD zu verabschieden. »Tun Sie es nicht, Herr Merz«, heißt es in dem Brief, der von der Süddeutschen Zeitung veröffentlicht wurde und auch der Deutschen Presse-Agentur vorliegt. In ihrem Appell warnt sie Merz eindringlich: »Unterschätzen Sie die Rechtsextremisten nicht.« Sie fordert ihn auf, »umzukehren« und sich von dem gefährlichen Kurs zu distanzieren, den er am Mittwoch eingeschlagen hatte. Sie appelliert an die Union, sich den demokratischen Kräften zuzuwenden und nach Kompromissen zu suchen.
Am 31. Januar 2025 mussten jüdische Schüler:innen in Sydney, Australien unter Polizeischutz in ihre Schulen. Zuvor hatten die Behörden einen geplanten antisemitischen Sprengstoffanschlag vereitelt. Die Bedrohungslage ist real – und eskaliert. Allein am Donnerstag gab es an drei Orten in Sydney erneut antisemitische Schmierereien.
Der vorliegende Artikel erhebt keinen Anspruch auf Vollständigkeit. Was er jedoch bietet, ist eine Momentaufnahme nicht nur antisemitischer Vorfälle, sondern auch der zugrunde liegenden Haltungen zu Israel sowie der Dynamiken, die Antisemitismus begünstigen, und der wiederholten Mahnungen jüdischer Menschen, die uns alle zum Nachdenken anregen. Die Recherche basiert auf den zum Zeitpunkt der Veröffentlichung verfügbaren Informationen, doch die Situation ist alles andere als statisch. Ich werde die Entwicklungen weiterhin verfolgen und den Artikel gegebenenfalls aktualisieren.
Wer sich vertieft mit der Thematik auseinandersetzen möchte, dem sei geraten, sich auch mit weiterführenden Quellen und Perspektiven auseinanderzusetzen.