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Weltfrauentag für alle?

Der Weltfrauentag könnte eine Gelegenheit sein, die Fortschritte auf dem Weg zur Gleichstellung zu feiern, doch er offenbart auch die tiefen Risse innerhalb feministischer Bewegungen. Während global auf die Rechte der Frauen aufmerksam gemacht wird, bleibt eine essentielle Perspektive unbeachtet. Jüdische Frauen finden sich innerhalb des feministischen Diskurses kaum wieder. In feministischen Kreisen, die ansonsten mit Nachdruck gegen patriarchale Gewalt eintreten, herrscht seit dem 7. Oktober 2023, dem Überfall der Hamas auf Israel, auffälliges Schweigen zu der strukturellen sexualisierten Gewalt des Massakers und der Misshandlung der weiblichen Geiseln. Im schlimmsten Fall regt sich statt Empörung über die nachweislich begangenen Verbrechen Sympathie für die Täter.

Die Verzerrung der Wahrnehmung jüdischer Frauen ist ein gravierendes Problem, das weit über oberflächliche Stereotype hinausgeht. Oft werden sie als weiß und privilegiert gelesen, was ihnen jegliche besondere Schutzwürdigkeit abspricht. Diese Reduktion auf vermeintliche Privilegien blendet nicht nur die vielfältige Realität jüdischer Identität aus, sondern löscht auch eine Geschichte aus, die von jahrzehntelanger Verfolgung, Vertreibung und Gewalt geprägt ist.

Dieses Problem betrifft nicht nur jüdische Frauen. Auch Frauen aus vom Westen oft falsch eingeordneten Regionen wie Iranerinnen, Afghaninnen oder Kurdinnen, die gegen brutale Unterdrückung kämpfen, passen nicht ins ideologische Konzept vieler westlicher Feminist:innen und Linker. Ihr Widerstand wird ignoriert, weil er sich gegen die „falschen“ Täter richtet – jene, die nicht in das simplifizierte antiwestliche Narrativ passen. Der Westen als Aggressor, der globale Süden als Opfer. Wer diesem Weltbild widerspricht, wird ausgeklammert. Feminismus, der sich gegen patriarchale Gewalt stellt, hat in diesem Fall genau das getan, was er eigentlich bekämpfen sollte, denn es wurden bestimmte Frauen aus dem Schutzkreis ausgeschlossen. Wer sexualisierte Gewalt anprangert, kann nicht gleichzeitig schweigen, wenn jüdische Frauen davon betroffen sind. Doch genau das ist geschehen.

Die Hamas hat am 7. Oktober Frauen verschleppt, vergewaltigt und ermordet. Mehr noch, auch ganz normale Männer, die an diesem Tag über den Grenzzaun gestiegen sind, haben diese gewaltvollen Exzesse gefeiert und sich daran beteiligt. Die Berichte sind dokumentiert, die Überlebenden sprechen, die Beweise sind erdrückend. Befreite Geiseln berichten über die sexuelle Gewalt, die ihnen während der Geiselhaft angetan wurde. Doch Teile der feministischen Bewegung relativieren, leugnen oder schweigen – weil die Opfer nicht ins eigene ideologische Muster passen. Wie kann es sein, dass Feminist:innen kein Mitgefühl mit den Opfern des Massakers und der Geiselhaft haben?

Anastasia Tikhomirova trifft mit ihrem Zitat „#MeToo unless you're a Jew“ einen wunden Punkt. Die Doppelmoral, die hier offenbart wird, stellt einen Verrat an den Prinzipien des Feminismus dar. Ein Feminismus, der nur dann laut wird, wenn es politisch opportun ist, ist keiner. Wer sich wirklich für die Rechte von Frauen starkmacht, kann es sich nicht leisten, wegzusehen, nur weil es unbequem ist. Es ist nicht nur moralisch verwerflich, es ist ein Verrat an den Grundwerten des Feminismus. Die Erfahrungen jüdischer Frauen müssen in den feministischen Diskurs integriert werden – ohne Relativierung, ohne Ausgrenzung. Es ist daher wichtig, dass Initiativen und Organisationen unterstützt werden, die gegen antisemitische Gewalt und Diskriminierung kämpfen, und dass wir uns solidarisch mit denen zeigen, die vom westlichen Narrativ ausgeschlossen werden. Der wahre Fortschritt im Feminismus kann nur dann erreicht werden, wenn alle Frauen, unabhängig von Herkunft oder Identität, in die Diskussion einbezogen werden.

Am heutigen Weltfrauentag möchte ich noch einmal das Bewusstsein dafür schärfen. Es ist nicht neu, worüber ich hier schreibe und was wir nach dem 7. Oktober 2023 erfahren haben. Es ist eine Realität, die bereits vorher existiert hat. Wir sollten uns nicht mit Worten begnügen, sondern nach Wegen suchen, wie wir solidarisch handeln können. Da ich ein Fan von Lernen und guten Büchern bin, möchte ich einige Buchempfehlungen teilen, die weiterhelfen können, diese Perspektiven besser zu verstehen:

Gojnormativität von Judith Coffey und Vivien Laumann (Öffnet in neuem Fenster)

Israel, 07. Oktober - Protokoll eines Anschlags von Lee Yaron (Öffnet in neuem Fenster)

Frenemies - Antisemitismus, Rassismus und ihre Kritiker:innen - Meran Mendel, Saba-Nur Chema, Sina Arnold (Öffnet in neuem Fenster)

Stromlinienförmig - Anastasia Tikhomirova (Öffnet in neuem Fenster)

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