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Elon Musk, der Hitlergruß und die gefährliche Macht des Wegschauens

Der Umgang deutscher Medien mit dem gezeigten Hitlergruß von Elon Musk wirft erneut die Frage auf, warum in der Berichterstattung eine offensichtliche Faktenlage nicht klar benannt wird. Während sich Expert:innen und Historiker:innen einig sind, dass es sich um eine bewusst ausgeführte rechtsextreme Geste handelt, sind die Schlagzeilen in Deutschland auffallend defensiv. Es scheint, als ob eine klare und unmissverständliche Einordnung als das, was es ist – eine offen zur Schau gestellte Geste, die nicht nur historisch belastet, sondern auch politisch gefährlich ist – im Interesse einer vermeintlichen Ausgewogenheit vermieden wird. Diese Zurückhaltung in der Wortwahl ist nicht nur symptomatisch für eine fehlerhafte Medienberichterstattung, sondern auch für eine Gesellschaft, die sich immer wieder schwertut, klare Linien zu ziehen, wenn es um die Auseinandersetzung mit den extremen Rändern des politischen Spektrums geht.

Die US-amerikanische Historikerin Claire Aubin, Expertin für den Nationalsozialismus in den Vereinigten Staaten, hat sich zu dem Vorfall auf X geäußert, bei dem Elon Musk einen Gruß zeigte, der Ähnlichkeiten mit dem „Sieg Heil“ der Nationalsozialisten aufwies. „Nach meiner professionellen Einschätzung haben sie alle Recht“, erklärte Aubin und stützte sich auf die Parallelen, die zahlreiche Nutzer:innen bereits gezogen hatten. Ihre Einschätzung fügt der Diskussion eine neue Dimension hinzu: Als Wissenschaftlerin, die sich intensiv mit der Verbreitung nationalsozialistischer Ideologie in den USA auseinandersetzt, bringt sie eine fundierte Perspektive in die öffentliche Debatte.

Römisch, italienisch, oder einfach nur rechtsextrem?

Besonders bizarr wird die Debatte, wenn Musks Anhänger in aller Ernsthaftigkeit behaupten, es habe sich nicht um einen „Hitlergruß“, sondern um einen „Römischen Gruß“ gehandelt. Dass diese Geste von den italienischen Faschisten adaptiert wurde, bevor sie in der Nazi-Ära als Vorbild für den „Hitlergruß“ diente, scheint den Diskutanten jedoch entgangen zu sein. Beide Gesten sind nichts anderes als ein und dieselbe faschistische Symbolik, die mit Unterdrückung und Ausgrenzung korreliert. Die Frage bleibt: Warum wird diese vermeintliche Differenz so oft als Argument herangezogen? Warum benennen die Medien den Vorfall nicht einfach, als das, was er ist: eine gezielte Inszenierung von Symbolen des Rechtsextremismus? Es handelt sich um eine Handbewegung, die sich der gewaltigen Bedeutung und Wirkung dieser Gesten bewusst ist und diese gezielt in die Gegenwart überführt, um eine gefährliche Ideologie zu normalisieren.

Die Rolle der deutschen Medien: Neutralität oder Verharmlosung?

Deutsche Medien wollen vermeintliche Neutralität in der Berichterstattung wahren – ein Ansatz, der besonders bei Themen wie Antisemitismus oder Rechtsextremismus regelmäßig nach hinten losgeht. Die simple Benennung eines Hitlergrußes würde nicht nur die „Debatte anheizen“, sondern auch das Risiko mit sich bringen, selbst ins Visier der Kritiker zu geraten: „Überinterpretation“ oder gar „Cancel Culture“ wären die gängigen Vorwürfe. Doch genau in dieser vorsichtigen Haltung wird übersehen, dass sie die gesellschaftlichen Kräfte stärkt, die die Normalisierung rechtsextremer Symbolik vorantreiben. Indem man wegschaut und den Diskurs nicht scharf führt, verschafft man den Kräften des Ungehemmten erst den Raum, ihre Ideologien in aller Ruhe zu verbreiten.

Ein solcher Ansatz erfordert, die Bedeutung von Ereignissen und Taten nicht zu relativieren, sondern unmissverständlich darzustellen. In einem diskursiven Raum, der oft durch eine weichgespülte Sprache gekennzeichnet ist, geht es darum, die tatsächlichen Konsequenzen von Handlungen und Äußerungen klar zu benennen. Der Verzicht auf vorsichtige Formulierungen wie "umstrittene Geste" im Zusammenhang mit dem Hitlergruß verhindert, dass die Schwere solcher Symbole verharmlost wird. Stattdessen sollte der Fokus darauf liegen, die Verantwortung der Gesellschaft und der Medien zu betonen, sich nicht in relativer Unschärfe zu verlieren, sondern die Verhältnisse genau zu benennen, um damit den demokratischen Werten zu dienen.

Angst vor juristischen Konsequenzen?

Elon Musk, als milliardenschwerer Unternehmer und eine der einflussreichsten Figuren in der Tech-Welt, setzt nicht nur auf wirtschaftliche, sondern auch auf mediale Macht. Journalist:innen wissen, dass eine kritische Berichterstattung über Musk nicht nur in scharfen öffentlichen Reaktionen resultiert, sondern auch in potentiellen juristischen Konsequenzen. In einer Zeit, in der Shitstorms und Klagen zu festen Bestandteilen der Kommunikationsstrategie rechtsextremer Akteure gehören, neigen viele Medienhäuser dazu, zurückhaltend zu agieren, wenn es darum geht, sich mit solchen Gegnern anzulegen. Diese Zurückhaltung ist eine kalkulierte Entscheidung: die Abwägung zwischen journalistischer Integrität und den potenziellen, oft eskalierenden Konflikten, die mit einer Konfrontation einhergehen. Die Sorge vor möglichen Folgen für die Reputation und die wirtschaftliche Stabilität von Medienunternehmen könnten ein Grund für die zurückhaltende Benennung sein.

Es steht viel auf dem Spiel 

Der Vorfall muss benannt werden – ein Zurückweichen vor der klaren Darstellung von Musk’s Handlung ist nicht nur ein Versäumnis, sondern auch ein Rückzug aus der Verantwortung der Medien. Es geht nicht nur um die Entlarvung eines einzelnen Akteurs, sondern um die Signalwirkung gegen die Normalisierung antisemitischer und rechtsextremer Symbolik. Will die Medienlandschaft in Deutschland weiterhin mit euphemistischen Begriffen und Relativierungen operieren, oder wird sie endlich den Mut finden, gegen die Träger von Hass und Intoleranz klare Kante zu zeigen?

Es ist an der Zeit, die bequeme Position der Unkritik zu verlassen. Der Preis, den die Gesellschaft für diesen Rückzug zahlt, ist zu hoch. Wenn Journalist:innen nicht bereit sind, die Verstrickungen von Macht und Extremismus zu benennen, verlieren sie ihre Aufgabe als kritische Instanz. Das Schweigen und die Bagatellisierung geben den Kräften des Extremismus Raum, sich weiter auszubreiten.

Demokratie lebt von der Fähigkeit, Missstände zu erkennen und klar zu benennen. Wer dies nicht tut, riskiert, dass die Gesellschaft in eine gefährliche Resignation abdriftet. Der Weg des Wegschauens ist der kürzeste, den die Demokratie zu ihrer Zerstörung führen kann.

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