Klimakommunikation: Fehleinschätzungen und Veränderungspotential
Von Manuel Benjamin Lehmann
Wenn ich mit Menschen spreche, die sich für eine grünere Politik engagieren, höre ich sehr häufig den Wunsch, dass sich mehr Menschen den Problematiken rund um den Klimawandel oder der Biodiversitätskrise bewusst sein sollten. Sie sehen die Notwendigkeit, dass Überzeugungsarbeit geleistet werden muss. Aufgrund verschiedener Studien kann aber eigentlich davon ausgegangen werden, dass eine Mehrheit der Menschen weiss, dass Veränderungen notwendig sind.
In meinem Essay «Das schöne Leben 2.0 (Öffnet in neuem Fenster)» beziehe ich mich auf eine bereits 2012 von Petra Pinzler in der «ZEIT» zitierte Studie, die die Bertelsmann Stiftung in Auftrag gegeben hat. [1] Die Studie sagt aus, dass mehr als 80 % der Bevölkerung der Meinung sind, dass es große Veränderungen braucht, um die gegenwärtigen Herausforderungen zu meistern.
Es gibt sogar eine breite Mehrheit für den Klimaschutz, wie eine 2024 veröffentlichte Studie zeigt, die von Verhaltenswissenschaftler:innen der Universität Bonn, des Leibniz-Instituts für Finanzmarktforschung SAFE in Frankfurt sowie der Universität Kopenhagen erstellt wurde [2]. In 125 Ländern wurden in einer repräsentativen Umfrage 130'000 Menschen befragt. 86 % Prozent befürworten klimafreundliche Normen und 89 % Prozent wünschen sich verstärkte politische Massnahmen. Immer noch 69 % Prozent sind sogar bereit, ein Prozent ihres Einkommens für Klimaprojekte zu spenden.
Die Studie zeigte aber auch, dass die Bereitschaft anderer sich zu engagieren, grundsätzlich als viel zu tief eingeschätzt wird. «Die systematische Fehleinschätzung der Bereitschaft anderer, etwas gegen den Klimawandel zu unternehmen, kann ein Hindernis für den erfolgreichen Kampf gegen den Klimawandel darstellen. Menschen, die die öffentliche Unterstützung für den Klimaschutz unterschätzen, sind oftmals weniger dazu bereit, selbst aktiv zu werden», sagt Armin Falk von der Universität Bonn zur Publikation der Studie.
Die Medien räumen in ihrer Berichterstattung gegensätzlichen Meinungen häufig gleich viel Platz ein. Dies kann zu Verzerrungen führen. Es entsteht der Eindruck, dass gleich viele Menschen gegen ein Anliegen wären wie dafür. In Wahrheit kann es sein, dass 90 % Prozent die Notwendigkeit sehen, wie bei Massnahmen gegen die Klimaerwärmung. Hier müsste sich etwas ändern. Dies könnte geschehen, indem betont wird, dass es sich um eine Minderheitenmeinung handelt.
Was müsste sich in der Kommunikation verändern? Antworten darauf sind in einer Charta zu finden, die Ende September anlässlich eines Kongresses zur Umweltkommunikation in Graz veröffentlicht wurde [3]. Diese hält fest, dass nur vor Klimaveränderungen zu warnen, zu kurz greift. Es braucht eine Kommunikation, die den Menschen mit seinen Denkweisen, Lebenswelten und Bedürfnissen ernst nimmt. Lösungsoptionen müssen in einem gesellschaftlichen Prozess der Aushandlung diskutiert werden. Diese können nicht widerspruchsfrei sein. Es hat vermutlich nichts nur Vorteile. Wir brauchen eine Klimakommunikation, die der Polarisierung und gesellschaftlicher Spaltung entgegenwirkt. Diese muss in meinem Empfinden stärker auf Ängste und Bedenken eingehen und zugleich Vorteile aufzeigen.
[1] Petra Pinzler (2012). Wir Postmaterialisten. Hamburg: DIE ZEIT.
https://www.zeit.de/2012/34/Wirtschaftsordnung-Postmaterialisten-Nachhaltigkeit (Öffnet in neuem Fenster)[2] Andre, P., Boneva, T., Chopra, F, and Falk, A. (2024), Globally Representative Evidence on the Actual and Perceived Support for Climate Action. Nature Climate Change.
[3] Grazer Charta der Klimakommunikation (2024)
https://k3-klimakongress.org/grazer-charta-der-klimakommunikation/ (Öffnet in neuem Fenster)Bild: streetsh (unsplash)
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