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Liebe Leser:innen,

in der vergangenen Ausgabe habe ich über die Auszeichnung von Darnella Frazier durch das Pulitzer-Preis-Komitee (Öffnet in neuem Fenster) geschrieben und die 17-jährige in meinem Text auch zitiert: „Viele Menschen nennen ich eine Heldin, ich selbst sehe mich nicht so.“ Dabei ist mir noch einmal bewusst geworden, wie sehr mich der Held:innenbegriff mittlerweile umtreibt.

Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich tue mich schwer mit dem Held:innenbegriff in unserer Gesellschaft und unserem Drang, Menschen zu Held:innen zu (v)erklären. Ich finde, dass wir den Betroffenen da ein ziemliches Päckchen aufladen, das allzu oft mit vielen hohen Erwartungen einher geht. Und wie das so ist, wenn man sich solche Erwartungen nicht selbst steckt, sondern sie von außenstehenden Dritten definiert werden, können unsere Held:innen daran auch ziemlich schnell scheitern – und dann ist unsere Empörung groß.

Ich kann euch dazu herzlich empfehlen, die Folge zur „Heldenmülltrennung“ im fantastischen „Was Denkst Du Denn“-Podcast (Öffnet in neuem Fenster) von Nora Hespers und Rita Molzberger zu hören. Noras Namen habt ihr vielleicht schon häufiger gelesen oder gehört (sie war kürzlich auch bei mir im Podcast zu Gast, als wir über Frauen im Widerstand (Öffnet in neuem Fenster) gesprochen haben): Nora ist Sportjournalistin, podcastet als „Die Anachronistin“ über ihren Großvater Theo Hespers, der als Widerstandskämpfer von den Nazis ermordet wurde, und hat darüber auch gerade ein Buch geschrieben. Rita ist Philosophin und bringt bei mir als Hörerin von „Was Denkst Du Denn“ mit ihren sehr klugen Überlegungen regelmäßig die Synapsen zum Glühen, um mich dann mit ihrem unverblümten Humor zum Lachen zu bringen.

So auch in der Folge zur „Heldenmülltrennung“: Die geht schon damit sehr gut los, dass Rita davon erzählt, laut Lexikon war der althochdeutsche Begriff „Helt“ gleichbedeutend mit: Mann.

Ja nu.

Hört euch die Folge einfach selbst an, Nora und Rita entpacken dieses ganze Thema auf wunderbare Weise! Sie sprechen auch über die nahen Verwandten der Held:innen, nämlich Idole und Vorbilder. Und sie stellen eine kluge Frage: Wer bestimmt eigentlich, wer zum Vorbild taugt – wer wählt Vorbilder aus?

Ich finde wir sollten uns nicht von Presse oder Gesellschaft einreden lassen, wer sich als Vorbild eignet – die Entscheidung treffe ich viel lieber selbst. Weil ich Vorbilder für mich als Menschen definiere, von denen ich etwas lernen oder mir etwas abgucken kann, das mich selbst weiterbringt. Weil ich lieber von jemandem etwas lerne und dabei selbst wachse.

Das können mächtige Wirtschaftsfrauen sein wie Sallie Krawcheck, die nach zwei sehr öffentlichen Kündigungen ihr eigenes Ding machte und jetzt mit einem Finanzdienstleister explizit für Frauen sehr erfolgreich ist. Oder Menschen wie Georgine Kellermann, die mich beeindruckt, wie sie mit Humor und Höflichkeit auf Onlinehass gegen Transgender-Menschen reagiert, bei dem ich nicht höflich bleiben könnte.

Das sind nur zwei spontane Beispiele – viel mehr interessiert mich aber, wer für euch Vorbilder sind: Wer beeindruckt euch, von welchen Menschen schaut ihr euch Dinge ab, wer gibt euch Denkanstöße?

Schreibt mir an feedback@herstorypod.de (Öffnet in neuem Fenster) und eure Vorschläge landen wenn ihr mögt im nächsten Newsletter.

Bis dahin viel Spaß mit der heutigen Ausgabe,  
Jasmin

Regenbogen-Tsunami gegen Viktor Orbán: Ungarn hat ein LGBTQ-feindliches Gesetz verabschiedet, das EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen eine „Schande“ nannte und während der Europameisterschaften für Aufregung sorgte. Die queeren Tänzerinnen Réka und Anita sprechen im Interivew darüber, was das Gesetz für ihren Alltag bedeutet und wie sie die Solidarität rund um die Euro 2020 empfinden. (taz (Öffnet in neuem Fenster))

Mit Social Media für mehr Freiheit: Dass Frauenhass im Internet sehr lebendig ist, ist kein Geheimnis mehr. In Ländern wie Iran kann schon allein die Social-Media-Präsenz einer Frau gefährlich sein: 2018 wurde die 22-jährige Tara Fares auf offener Straße erschossen, die auf ihren Social-Media-Profilen offen über die ihr widerfahrene häusliche Gewalt sprach und ihren unabhängigen Lebensstil zeigte. Eine Beitrag darüber, wie das Verständnis von Scham und Ehre das Internet für Iranerinnen gefährlich macht und wie Iranerinnen Social Media nutzen, um trotzdem aufzubegehren. (Rest of the World (Öffnet in neuem Fenster))

Räume schaffen für Queerness: Die amerikanisch-kanadische Eiskunstläuferin Kaitlyn Weaver ist dreimalige kanadische Meisterin und gewann mit ihrem Partner Andrew Poje dreimal die Weltmeisterschaft im Eiskunstlauf. Jetzt, im Pride Month, hat sie sich als queer geoutet – in ihrem Sport immer noch eine Ausnahme. Im Interview spricht Weaver über die heteronormativen Bilder, die Eiskunst-Paarlauf vermittelt, und was sie zum Coming-Out bewegte. (them (Öffnet in neuem Fenster))

Eine Frau gegen Big Chemical: Sharon Lavigne lebt in Louisianas „Cancer Alley”: die Region entlang des Mississippi hat ihren Namen von den mehr als 150 Petrochemie- und Ölunternehmen, die dort seit den 80ern ansässig sind und dessen Anwohner:innen – überwiegend Afroamerikaner:innen – einem 95 Prozent höheren Krebsrisiko ausgesetzt sind als durchschnittliche Amerikaner:innen. Die 68-jährige Lavigne stemmt sich mit ihrer Organisation RISE St. James gegen die Umweltverschmutzung und das Gesundheitsrisiko und bietet den Chemie- und Ölunternehmen die Stirn. Ein Porträt über die Frau, die für ihr Engagement gerade mit dem Goldman Environmental Prize ausgezeichnet wurde. (Bloomberg CityLab (Öffnet in neuem Fenster))

The greatest gymnast in history: Mit 24 hat Simone Biles ihren gesamten Sport revolutioniert: Neben zahlreichen Medaillen hat sie allein vier (!) Gymnastik-Moves geturnt, die nie zuvor geturnt wurden und nun nach ihr benannt sind. Zugleich ist sie die einzige Athletin, die sexuellen Missbrauch im Gymnastik-Verband USAG erlebte und ihren Sport noch aktiv ausübt. Die Pandemie und Lockdowns zwangen sie, mitten in der Olympia-Vorbereitung mehrere Gänge runterzuschalten und warf sie auf sich selbst zurück. Ein Porträt darüber, was sie heute als Athletin und junge Frau ausmacht: (Glamour (Öffnet in neuem Fenster))

Hör- und TV-Tipps

🎧  „Ich bin eine Frau, ich bleibe eine Frau“: Wie bringen es Frauen in der Politik ganz nach oben? Was tun sie mit dieser Macht? Der Podcast „Weltbewegend – Frauen und Macht“ nimmt Hörer:innen mit nach Neuseeland, Argentinien, Finnland und Liberia, um 10 Biografien von Politikerinnen vorzustellen und die Rahmenbedingungen weiblicher Macht in der Politik zu ergründen. Der Podcast erzählt nicht nur Erfolgsgeschichten, sondern porträtiert auch komplexe und komplizierte Politikerinnen wie Cristina Fernandez de Kirchner und Aung San Suu Kyi. (Weltbewegend, RBB Kultur (Öffnet in neuem Fenster))

📺  Selbständig und freigeistig: Eve ist neun Jahre alt und lebt sie mit ihrer Familie in einer der ältesten Off-the-grid-Gemeinden Englands. Weil sie gemobbt wurde, nahmen die Eltern sie vorübergehend aus der Schule, als sie in den Wald zogen. Eve liebt die Natur und ihr unabhängiges Leben – nach einem Jahr Auszeit muss sie nun in die Schule zurückkehren. Die Doku begleitet sie auf ihrem Weg zum 1. Tag zurück in der Schule. Meine Lieblingsstelle ist der Ratschlag ihres Bruders, als er ihr die Haare wäscht: „Don’t fart.“ (Guardian (Öffnet in neuem Fenster))

📺  Selbstlos und selbstbestimmt: Schauspielerin Friedrike Kempter besucht für die SWR-Serie „Friedrike Klopft An“ Frauen, deren Arbeit viel zu wenig anerkannt wird und die sich ungeachtet von Rollenerwartungen selbst verwirklichen. Hebamme Daniela, die in kleinen Dörfern im Schwarzwald schwangere Frauen versorgt. Daria, die Sexualbegleiterin für Menschen mit Behinderung ist und sich gegen die Stigmatisierung von Sexarbeiterinnen stemmt. Und die transgender Weinmacherin und Weinprinzessin Simona, die das Weingut ihres Vaters weiterführt. (SWR (Öffnet in neuem Fenster))

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