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Mit YouTube-Wissen von deinem Gesicht ablenken

Ich weiß nicht mehr, wer's sagte, aber es war gut: YouTube ist die letzte Plattform, auf die sich alle, WIRKLICH ALLE, einigen können. Da hängt mein Dad rum, da bist du, da sind die Kids. Eine große, glückliche Familie! Grund genug, sich schnell die Trends für 2022 zu geben, um am Stammtisch noch in diesem Jahr voll landen zu können!

YouTube selbst schreibt in seinem Trendreport (Öffnet in neuem Fenster): Pop culture just got even more personal. Das klassische virale Video der späten Nullerjahre weiche den Favs großer Fan-Communitys. Ok, YouTube hat einen Punkt. Hängt aber auch damit zusammen, dass es nicht mehr die passende Plattform für schnell teilbare Zünder ist (Quick Reminder: Das Top-Video bei TikTok war ein Typ, der eine überlebensgroße Giraffe aus Schokolade baut).

Doch Recht hat es: Fandoms sind die mächtigste Form der Community. Über 60% der US-Kids sind von irgendetwas oder irgendwem SUPER Fan (fühlt sich noch jemand erinnert an die geilen Fan-Hefter mit BRAVO-Ausschnitten, die wir früher mühsam gesammelt haben?). Dabei ist weniger wichtig, ob das persönliche Nerd-Thema auch für die Peers relevant ist. So sind 3 der 10 US-Favoriten (Öffnet in neuem Fenster) sehr persönliche Botschaften von Creators, die die breite Masse nicht einmal kennen dürfte. 

Ein viertes Beispiel zählt nur halb, denn die Story der Game- und Life-YouTuberin Jaiden Animations (Platz 6 der US-Charts) ist zwar sehr persönlich, aber auch ohne Fandom eine sehr amüsante und tiefe Geschichte über Aromantik und Asexualität. Für mich das sehenswerteste Video der Top 10 US-Videos, das ich dir ans Herz lege:

https://www.youtube.com/watch?v=qF1DTK4U1AM (Öffnet in neuem Fenster)

Auch der Professional ist on the Rise, der tiefe Analysen zu Themen wie Film, Mode oder Games liefert. Die Formen werden hybrider und interaktiver (Streaming, Podcasting, interaktives Gerödel à la Metaverse) – wobei YouTube vermutlich oft in die Rolle Archiv für die Nachwelt abrutschen wird.

Krise und generelles Unwohlsein boostet indes zwei Trends: Soothing content, der den User an einen anderen Ort trägt und die gute, alte Nostalgie, die wir vielleicht nie mehr richtig los werden. Auch Horror wird geliebt, wobei der Millennialsche Jumpscare langsam subtileren Formen des atmosphärischen Grusels weicht – wie bei The Backrooms (Platz 8 der US-Charts) gut spürbar.

https://www.youtube.com/watch?v=H4dGpz6cnHo (Öffnet in neuem Fenster)

Promis der Stunde: Will Smith und seine Schelle. Millie Bobby Brown, einfach weil sie existiert. Und natürlich MrBeast und seine exzentrischen Geschenke an Teilnehmende seiner Wettbewerbe. Der Kracher dieses Jahr: eine nachgebaute Willy Wonka-Schokoladenfabrik.

Der Blick in die deutschen Charts (Öffnet in neuem Fenster) gestaltet sich derweil deutlich news-lastiger

Jan Böhmermann spricht über Flynn Kliemann, Rezo über GNTM, MrWissen2go über den Ukraine-Konflikt – das ist alles gute Ware. Auf Platz 1, is klar: 7 vs. Wild. Ich gönne es den Brushcraft-Bois rund um Fritz Meinecke, dass sie mit ihrer Eigenproduktion auch dieses Jahr dem scripted Survival-Fernsehen den Stinkefinger zeigen. Auch wenn ich mir wünsche, dass Fritz außerhalb dieses Formats bei seinen (Schnitz-)Leisten bleibt. Das ist ein bisschen wie bei vielen Leuten aus meiner Heimat im Erzgebirge: Sie sollen bitte gerne geil vor sich herschnitzen und mir beibringen, wie man aus gefundenen Rehknochen Pyramiden baut. Wir können auch geil Klöße zusammen essen. Aber lass einfach nicht über Politik reden.

Noch nicht genug Info, um am Stammtisch dein mittelmäßiges Gesicht mit coolen Facts zu kaschieren? 


Na gut: Unter den Top 50 der Most disliked YouTube-Videos (Öffnet in neuem Fenster) der letzten Jahre sind zum Beispiel Justin Biebers Baby (Platz 6 – schaffte es damit sogar ins Guinness Buch der Rekorde), die einmalige Songauskopplung von BibisBeautyPalace (Platz 39) und der Trailer zu Call of Duty: Infinite Warfare (Platz 34), der als meistgehasster Gametrailer im Internet gilt. Der Trailer für die Realverfilmung von Arielle ist übrigens auf Platz 50. Wir wissen alle warum und es ist sad. Seltsamerweise werden Kinderlieder extrem viel disliked bei YouTube. Eltern: Fühlt ihr es?

Noch eine letzte News und Botschaft zum Schuss, die nix mit YouTube zu tun hat: 32% der Angestellten hierzulande planen, über Weihnachten in ihre Mails zu schauen. Verdammter Bockmist, Leute. Reißt euch zusammen. Knapp zwei Drittel werden ihre Dienst-Mails über die Feier­tage mehrmals täglich abrufen. 77 % behaupten, das aus eigenem Antrieb zu tun. In Australien und den USA wollen sogar doppelt so viele Leute erreichbar bleiben (Morgenpost (Öffnet in neuem Fenster) via turi2). Solange diese Dinge so sind, gibt es keinerlei Gründe, über die Anti-Work-Haltung der Gen Z zu mosern. Die werden zwar alle früher oder später Influencer und Solopreneurs und arbeiten auch über die Feiertage und brennen alle gnadenlos aus, ABER wenigstens nicht für ihren Boss, der sich gerade auf Musks neuesten Coup Einen keult. Welche bessere Möglichkeit gibt es, unbeschadet zu prokrastinieren, als die toten Tage zwischen Weihnachten und Silvester? Think about it! Lasst uns gemeinsam getrennt richtig hart abchillen! 

Das war die 26. Ausgabe des vollkommen subjektiven Newsletters über Medien, digitales Gedöns und extrem viel Privatleben. Ich freue ich mich des Todes, wenn du dabei bleibst, den Beitrag teilst oder HEISE SCHEISE (Öffnet in neuem Fenster) empfiehlst. Zum Abschluss noch eine allererste Sahne Jochen-Schweizer-Geschenkidee für die Krisenzeit:

(Keine Werbung, it's just incredibly funny. Viel Erfolg am Stammtisch, XOXO GOOOOOOSSIP GRRRRL)