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Club-Post 12: Die Thumbnail-Wissenschaft

Was bewegt die Generation Streaming? Im Happy Streaming Club (Öffnet in neuem Fenster) teilt David Streit von Shelfd (Öffnet in neuem Fenster) einmal im Monat relevante Insights über die Streaming-Nutzung, inspirierende Best Practices und neueste Statistiken.

Hej, nach ein paar Monaten Pause geht es hier nun wieder regelmäßig mit frischem Streaming-Input weiter. Ich habe in der Zwischenzeit den Newsletter-Verteiler von Mailchimp (mäh) zu Steady (yeah) umgezogen. Für dich ändert sich nichts. Los gehts!

💡 Verstehen

~ Die grün markierten Thumbnails klicken am besten, weil darauf Schurken zu sehen sind (Foto: Netflix)

Wahrscheinlich weißt du längst, dass alle Netflix-Nutzer*innen andere Vorschaubilder ausgespielt bekommen – abhängig von ihrem jüngsten Klickverhalten. Aber wusstest du, wie weit sich die Wissenschaft dahinter erstreckt?

Der Journalist und Podcaster Trung Phan hat alle verfügbaren Infos dazu in einem Twitter-Thread (Öffnet in neuem Fenster) zusammengestellt:

Netflix analysiert von jedem Video (!) jedes einzelne Standbild (!) im „Frame Annotation“ Verfahren. Zu den verarbeiteten Daten zählen etwa Standartwerte wie der Kontrast, Schärfeverlauf und ob ein Gesicht gezeigt wird – aber auch außergewöhnliche Werte wie die Hautfarbe der Person(en), ihre Bekanntheit, Nacktheit, den Kamerawinkel, die Symmetrie des Bildes und ob es sich um ein „hervorstechendes Ereignis“ handelt.

Anschließend werden all diese Einzelbilder danach gerankt, welche das größte Klickpotential haben (ausdrucksstarke Gesichter, Hauptcharacktere, Strahlkraft). Merke: Bilder mit Schurken und Schurkinnen lassen alle anderen hinter sich. Und sobald mehr als drei Personen abgebildet sind, wird es schwierig.

So optimieren sie Original für Original durch. Und hin und wieder führt dieses Vorgehen auch zu skurilen Phänomenen, wie etwa dem Hervorheben von Stars in unbedeutenden Nebenrollen, weil man die besonders gerne sieht...

📎 The Power of a Picture (Öffnet in neuem Fenster) (Netflix)

📎 Selecting the best artwork for videos through A/B testing (Öffnet in neuem Fenster) (Netflix)

📎 Why your Netflix thumbnails don’t look like mine (Öffnet in neuem Fenster) (Vox)

📎 Video-Analyse: There's a reason your Netflix thumbnails don't look like your best friend's or your mom's (Öffnet in neuem Fenster) (Vox)

📎 Netflix responds to claims that they changed the artwork of shows based on viewers’ race (Öffnet in neuem Fenster) (NME)

Immer neue Reichweitenrekorde von Streaming-Neustarts verlieren an Aussagekraft, wenn sie nicht in Bezug zur sich stetig verändernden Gesamtreichweite a.k.a. den zahlenden Abonnent*innen eines Dienstes gesetzt werden. Augen auf bei allzu plakativen Presse-Mitteilungen!

📎  Why Red Notice was able to beat Bird Box as Netflix’s biggest movie debut ever (Öffnet in neuem Fenster) (The Verge)

📎 Let’s Overanalyze Netflix’s New Viewing Metrics (Öffnet in neuem Fenster) (Vulture)

~ Playlist-Cover, die für jede*n anders sind  (Foto: Spotify)

Spotify beschäftigt UX Writer wie Diane Murphy, die sich vornehmlich darum kümmern algorithmenbasierten Playlisten zu kreieren und diese mit möglichst aussagekräftigen Titeln zu versehen (wie etwa „Release Radar“ oder „Discover Weekly“). In einem Blog-Post teilt sie den Kreationsprozess ihres Teams.

Demnach muss ein Playlist-Name genauso einprägsam wie engaging sein. Sie sollen also sowohl beschreiben, was man bekommt, als auch zum Hören anregen.

Der Kreationsprozess sieht vier Schritte vor: 1) Den Mehrwert der Playlist herausarbeiten (kommt dieser z.B. von einem thematischen Fokus oder dem Update-Rhythmus?); 2) Titelideen brainstormen; 3) Real-World-Test (wie liest sich der Vorschlag in einem Tweet, einer News-Headline oder wie klingt er, wenn man die Playlist an Freund*innen weiterempfiehlt?); 4) Feedback von Spotify-Hörer*innen einholen.

Jüngst hat man übrigens auch das Wort „Your“ aus allen generierten Playlisten gestrichen. Dieses wurde anfangs verwendet, um den Aspekt der Personalisierungs zu verdeutlichen, wurde aber mehr und mehr redundant. Das löst man heute etwa mit Vorschaubildern von Artists, die dem User vertraut sind.

📎  Naming Personalized Playlists at Spotify (Öffnet in neuem Fenster) (Spotify) via ✏️ Zine-Newsletter (Öffnet in neuem Fenster) von Club-Mitglied Johannes Klingebiel

Was lassen sich Netflix-Mitarbeiter*innen einfallen, wenn man sie alles machen lässt? Beim Winter-Hackathon 2021 sind Prototypen für automatisch generierte Szenen-Zusammenfassungen, eine virtuelle Arbeitsumgebung im Pixelart-Stil und automatische Drehbuch-Umsetzungen in Storyboards entstanden.

📎 Netflix Hack Day — Winter 2021 (Öffnet in neuem Fenster) (Netflix) – mit den Links zu allen vorherigen Ausgaben bis zurück ins Jahr 2015 (ganz unten im verlinkten Artikel)

🎓 Fortbilden

➽ RSVP: Melde dich jetzt unverbindlich für eine Masterclass mit mir an. (Öffnet in neuem Fenster) Die biete ich zu den Themen Audience, Wellbeing, Usability, Discovery, Data, Streaming Wars und Video Plus an. 🔎 Hier liest du alles zu den sechs Fokus-Themen. (Öffnet in neuem Fenster)

Ab fünf Teilnehmer*innen pro Fokus-Thema gehen wir auf Terminsuche. Dann entscheidest du final, ob du dabei sein möchtest. Bei Detailfragen zu den Masterclasses erreichst du mich jederzeit per Mail an david@shelfd.com.

📊 Belegen

Und noch zwei interessante Zahlen aus dem Twitter-Thread zu den Netflix-Thumbnails: User schauen im Durchschnit nur 1,8 Sekunden auf Vorschaubilder und wenn sie nach einem expliziten Titel Ausschau halten, stoppen sie die Suche spätestens nach 1:30 Min.

📎  Analyse von Netflix' Vorschaubildern im Twitter-Thread (Öffnet in neuem Fenster) (@TrungTPhan)

Das Überangebot an „Musst-du-gesehen-haben“-Hits führte 2020 bereits zu einem Erstärken der Video-Piraterie. In Deutschland stiegen die Aufrufe im Vergleich zum Vorjahr um ganze 36% (in anderen europäischen Ländern sogar bis zu 66%).

📎  Film & TV Piracy Surge During Covid-19 Lockdown (Öffnet in neuem Fenster) (Muso)

📎  Auf Kosten der Qual (Öffnet in neuem Fenster) (SZ) via ✏️ VOD-Newsletter (Öffnet in neuem Fenster) von Club-Mitglied Rushlake Media

📝 Reflektieren

Ich denke in letzter Zeit viel über den Begriff „Gemeinwohl“ nach und was dieser für unsere Branche bedeuten kann. Aktuell gibt es nämlich noch keine gemeinwohlorientierten Erfolgskennzahlen, auf die man sein Angebot hin optimieren kann. Lass uns das ändern!

Für mich persönlich beschreibt „Gemeinwohl“ ethische Werte wie demokratisch, sozial gerecht und verantwortungsbewusst, die ich auch als Selbstverständnis für unternehmerische Entscheidungen bei Shelfd anlege.

Ich reflektiere dann nicht mehr nur kurfristige Effekte, sondern immer auch die langfristigen Auswirkungen meines Handelns. Das hilft mir ganz konkret die Innenperspektive zu verlassen und unsere Community stets voran zu stellen.

Zugleich beschreibt der Begriff technische Aspekte wie diskriminierungsfreie Zugänge, das Herstellen von Öffentlichkeit und die Aufrechterhaltung einer journalistisch-redaktionellen Infrastruktur. Das abzuhaken, ist an sich schon ein Kraftakt.

Zuletzt fiel mir aber auf, dass es noch gar keine  gemeinwohlorientierten Erfolgskennzahlen (KPI's) gibt, auf die man Streamingdienste oder -inhalte hin optimieren könnte. Wie bemisst man also den „Public Value“ einer Video-Plattform?

Im Rundfunkstattsvertrag wurde ich dazu nicht fündig. Dort wird nur von einem Bildungs- und Informationsauftrag für alle Bevölkerungsschichten gesprochen, den ARD, ZDF, Funk & Co. dann mit Leben füllen. Sie tun das bravourös, wie ich als Konsument und Kurator finde – und wie man aktuellen Rekordreichweiten entnehmen kann.

Aber dient die „Quote“ (im Sinne vom Anteil erreichter Menschen) in einer On-Demand-Welt wirklich noch als aussagekräftigstes Messinstrument von Relevanz und Wirkung?

Ich glaube, dass die technischen Möglichkeiten uns befähigen (und fast schon dazu zwingen) noch viel genauer hinzuschauen. Etwa was den Impact von Inhalten anbelangt.

Wurde ein Video „nur gesehen“, auch verstanden, hat es zu einer Veränderung im persönlichen Denken beigetragen, zu einer genaueren Berichterstattung geführt, einen gesellschaftlichen Diskurs angestoßen oder sogar noch mehr erreicht?

Das wissen wir heute noch nicht. Genauso wenig mit welchen Methoden und Kennzahlen das (automatisiert) erhoben und ausgewertet werden kann. Aber ich glaube, dass es sich lohnt dieser Frage nachzugehen.

✏️ Schreib mir unbedingt, wenn du das schon im Kleinen oder Großen angehst und welche messbaren Werte du dabei zu Rate ziehst. Einfach als Antwort auf diese Mail.

🔄 Wiederholen

Hast du dir schon mal überlegt, was Freizeitparks mit Streaming zu tun haben? In beiden Fällen gilt es Menschen durch ein großes Angebot zu navigieren und Überforderung zu vermeiden.

📎 The Psychology Behind Disney’s “10 Commandments” for Experience Design (Öffnet in neuem Fenster) (Jennifer Clinehens)

Danke, dass du bis hier unten gelesen hast. Die nächste Club-Post gibt es dann in einem Monat wieder! Happy Streaming, David

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