I feel like a weight has been lifted off my shoulders
Freitag 19. April, 2024. Während ich diesen Newsletter schreibe, stapeln sich die Umzugskartons, Rucksäcke und IKEA-Taschen um mich herum. Es ist der letzte Tag in meiner Wiener Wohnung, bevor ich wieder nach Berlin zurückkehre. Die Mieter haben unterschrieben. Das neue Album von boygenius läuft seit drei Tagen in Dauerschleife.
But you're not special, you're evil.
You don't get to tell me to calm down.
Diesmal plane ich, zum ersten Mal in meinem Leben, nicht mehr wegzugehen.
Zwei Wohnorte haben mich zwei Jahre beschäftigt gehalten. Meine Zeit in Wien hat mich zu Menschen geführt – und mich gleichzeitig von meinem eigenen Leben abgehalten. Oft fühlte ich mich wie Besuch, der nicht wirklich willkommen ist. Und: Indem ich in beiden Städten war, war ich in keiner Stadt so wirklich.
Diese Realisierung hat mich viel Kraft gekostet, weil ich nicht hinsehen wollte, wie es mir wirklich mit dieser Entscheidung geht. Ich habe versucht, es „durchzudrucken“, zu viele Personen in meine Pläne involviert, bis ich am Ende das Gefühl hatte, mir und meinen eigenen Bedürfnissen überhaupt nicht mehr gerecht zu werden. Was ich in Wien besonders vermisst habe: meine Freundschaften, und die Menschen in Berlin, ganz generell.
Den Vibe, wenn ich durch die breiten Straßen laufe. Das Gefühl, hier zuhause zu sein und mir aus dem Nichts etwas aufgebaut zu haben. Ich vermisse die edgy Weirdos in der U-Bahn, den Zeitgeist, die vielen Bars, die sich kilometerweit ziehen.
Den Kink, den Sex, den Geruch der Seestraße im Frühling. Ich vermisse meine Lieblingscafés, die Diversität in Punkto Beziehungsmodelle, Liebe und Flanieren. Ich vermisse es, irgendwo hinzufahren, wo ich noch nie gewesen bin. Das Geräusch, wenn sich die Türen der S-Bahn schließen, die Sonne durch das Fenster scheint und ich weiß, dass ich genauso, wie ich bin, hierher passe.
Die finale Entscheidung für Berlin war schließlich recht einfach. Als ich Ende März am Südkreuz von meinen beiden Ex-Freunden abgeholt wurde, um im Anschluss erstmal bei meinem besten Freund zu hängen, wusste ich: this is it. This, is my family.
Sie sieht anders aus, als bei anderen Menschen; nein, ich habe keine zwei Kinder und bin mit keinem der Männer verheiratet. Aber sie sind meine Familie, das konnte ich an diesem Tag, und den darauffolgenden Tagen genau spüren. Jeder Tag war voller Freundschaft, schöner Momente, intensiven Abenden, Partys und Gesprächen. Natürlich waren auch mein Girlfriends am Start! Ich war keinen Tag alleine.
Ich wusste, ich möchte bleiben.
* * *
Kennt ihr das, wenn man spürt, dass gerade eine Zeit der Veränderung angebrochen ist? Bei mir ist ganz offensichtlich gerade decision time, was sicher auch damit zusammenhängt, dass ich mein drittes Buch „Potenziell furchtbare Tage“ (Öffnet in neuem Fenster) (VÖ: 06.06.2024) fertig habe. Und mit fertig meine ich: druckfertig. Das Buch, das ich zwischen Sommer 2022 und März 2024 immer und immer wieder durchgegangen bin, und damit auch meine darin thematisierten Probleme.
Jetzt, im April, blicke ich mit meinen neuen Bangs aus einer gewissen Distanz darauf. Ich frage mich: Wie weit kann dich ein Buch als Mensch bringen? (Sehr weit.) Was hast du in dieser Zeit, in der du das Buch geschrieben hast, gelernt? (Sehr viel.)
Ich persönlich glaube, dass man als Autorin immer geistig und mental an dem Buch hängt, das man gerade schreibt. Und damit automatisch auch an seiner damaligen Lebenssituation- und Denkweise. Ich konnte nicht loslassen, weil das Buch … noch über mir schwebte.
Jetzt, wo es erscheint, kann ich meinen eigenen Entwicklungsfortschritt in Buchform an Fremde verkaufen.
Was habe ich denn gelernt?
Ich bin heute sehr viel sicherer, was ich vom Leben möchte, als damals, als ich das Buch angefangen habe. Ich bin nicht mehr mit der Person zusammen, mit der ich zusammengewohnt habe, als ich das Manuskript begonnen habe. Es kommt mir fast absurd vor, dass dieses Leben mit ihm irgendwann meines war. Who can relate?
Während des Entstehungsprozesses dieses Buchs habe ich mich getrennt, bin zwei Mal hin- und hergezogen, war in Indien, Spanien und Italien, habe unzählige Stunden damit verbracht, meine Sexualität zu erforschen und mir zu überlegen, wie ich die kommenden Jahre fernab festgelegter Lebenspfade leben möchte.
Niemand sagt dir das.
Niemand zeigt dir das.
Ich bin definitiv mutiger, als 2022. Gerade, weil ich weiß, wie wertvoll die Zeit ist, die ich mit jemandem verbringe. Ich habe mich an unterschiedlichsten Zeitpunkten gegen ein konventionelles Leben und gegen Männer entschieden. Und trotzdem hat es gedauert, es; mich so anzunehmen. Mich im Spiegel anzuschauen und zu wissen: „Es ist genau richtig so, wie es gerade ist.“
Du hast dich so entschieden, niemand hat das für dich übernommen.
Du hast so oft Nein gesagt (zu: broke white men (Öffnet in neuem Fenster)), und nochmal Nein gesagt (zum Zusammenziehen (Öffnet in neuem Fenster)), und nochmal Nein gesagt (zu: Gewalt gegen Frauen (Öffnet in neuem Fenster)), weil du für dein eigenes Modell, ein noch nicht-fertiges Modell, kämpfen musstest. Auch in Momenten, wo es leichter gewesen wäre, „Ja“ zu sagen. Nachzugeben. Einzuknicken.
In diesem Buch steckt so viel Schmerz, so viel Wut, so viel Scham, und so viel Analyse. Es steckt mein Essay über die Abtreibung drinnen, genauso wie die Auseinandersetzung mit meinem Vater. Es geht – neben klassischen Arbeitsthemen – um Intimität, und um the art of living. Um das, wer wir sein wollen.
Wenn ich eine Bitte hätte, dann, dass ihr das Buch vorbestellt (Öffnet in neuem Fenster). Und nicht wartet, bis ihr es im Laden kaufen könnt. Denn die Vorabbestellungen haben einen großen Einfluss auf die Rankings in diversen Händler-Portalen. Sie bestimmen, wo ein Buch in welcher Anzahl ausgelegt wird und helfen dem Buch beim Start in den Markt.
Capitalism, baby!
Kauft das Buch also am besten direkt bei meinem Verlag: Haymon (Öffnet in neuem Fenster).
Ich danke euch! Und freue mich so sehr, auf alles, was kommt.
Bianca Jankovska