Bauernproteste III: Die Macht der Angst (vor Veränderung)
(eigenes Foto)
Liebe Leute,
weiter in der Beobachtung der Bauernproteste, nachdem ich gestern einen Teil des Tages mit dem, ähm, “autonomen” rechten Flügel der Bauernbewegung, nämlich den “Freien Bauern” verbracht habe. Wie schon kommentiert: holy shit, stand da viel taktisches Blockadepotenzial auf der Straße, war da viel Entschlossenheit.
Im Grunde sagen die radikalen Bauern: "wir machen weiter, bis alle Kürzungen weg sind". Die Ampel, steuerungs- und regierungsunfähige lame duck, sagt "wir haben uns geeinigt, das bleibt so”, was ehrlich gesagt ang. der Desertion mancher SPD-Landesfürsten unwahrscheinlich wirkt, aber nungut, wir glauben es ihnen vorerst mal, weil diese Ampelkompromisse ja mittlerweile so schwierig auszuhandeln sind, dass ein Wiederaufmachen der Verhandlungen ebenso unwahrscheinlich ist.
D.h.: Die Machtprobe kommt, und die Bauern sind stark: "In Sachsen & MeckPomm blockierten die Bauern fast flächendeckend Autobahnzufahrten (Öffnet in neuem Fenster)." Seriously: was für ein krasses Störpotenzial die haben... "Städte wie Cottbus oder Brandenburg/Havel waren zwischenzeitlich von außerhalb fast nicht mehr zu erreichen."
Und obwohl die Bauernproteste derzeit populär sind, fragen sich Manche: verspielen die sich jetzt die viele Sympathie, die sie bisher hatten? Meine Antwort: nein, vorerst werden sie das nicht tun, egal, wieviel sie den Alltag stören.
"Aber wieso denn, das ist doch mit den Klimaklebern auch so gewesen: je mehr stör, desto mehr Gegenwehr." Klar, aber es geht nicht darum, was sie tun, sondern, was sie artikulieren. Es geht nicht um diese oder jene Blockade einer Autobahnauffahrt, es geht um den "Affekt", die kollektive Gefühlslage, die von einer Praxis/einem Akteur artikuliert, also aufgenommen & politisiert wird.
Affekte als politische Produktivkraft
Diesen Affekt kann man sich als "politische Produktivkraft" vorstellen. Etwas, das politische und gesellschaftliche Prozesse antreibt, & eben von politischen Akteuren geformt und in bestimmte Richtungen gelenkt wird. Die "Klimakleber", die LG artikulierte die "better angels" der Verdrängungsgesellschaft, das gute Gewissen, und wird daher gehasst. Die Bauernproteste artikulieren eher das "Es" der Gesellschaft: nicht nur den Arschlochteil (der mehr für sich & die seinen will), auch den kindlichen, trotzigen Teil, der sich vor der Veränderung verstecken will, der glaubt, wenn die Ampel weg wäre, wär auch nix mit Klima.
Ich würde sagen, dass diese totale Ablehnung jeglicher Veränderung, als typische Reaktion eines verdrängenden Subjektes auf das Stärkerwerden dessen, was zu verdrängen ist, momentan eine der stärksten politischen Produktivkräfte des Landes ist - sie treibt die AfD an. Sie öffnet den Raum im Parteiensystem für Lady Voldemorts Death Eater-Truppe, und Fieberträume einer Werteunionspartei. Sie bedeutet, dass die Ampel ab jetzt 100% regierungs- & transformationsunfähig ist. Sie neutralisiert die Klimabewegung vollkommen.
Nicht stören!
Dieser Affekt ist nicht nur bei Vielen (25-30% Faschos + Arschlöcher) dominant, er existiert auch bei vielen von Uns, die nicht so rechts stehen. Und gerade weil er zwar nicht überall dominant, aber doch omnipräsent ist, werden Proteste, die ihn artikulieren, legitim bleiben. Denn der störende Bauernprotest artikuliert den Wunsch danach, nicht gestört zu werden, und als solches wird die Störung gerade nicht der kausale Mechanismus, der die Delegitimierung der Proteste auslösen kann, sondern im Gegenteil:
"Wer nicht gestört werden will, wird die Proteste derjenigen unterstützen, die stören, um nicht mehr gestört zu werden."
Die Bauernproteste artikulieren den Wunsch Vieler, sich wie ein trotziges Kind den Veränderungen der Zeit entgegenzustellen & zu sagen: "mir doch egal!" Das bedeutet im nächsten Schritt, dass die Kraft, die die bäuerlichen Proteste antreibt und legitimiert, eine Art perpetuum mobile ist, denn sie entsteht aus der zunehmenden Reibung zwischen der Realität der Veränderung, & dem steigenden Wunsch, das alles sich gleich bleibe.
Treiber des Rechtsrucks
Dieser Affekt als treibende Kraft des Rechtsrucks zieht sich durch seine Geschichte seit, sagen wir mal, 2015/16 - als Pegida entstand, & sagte: "zu viele Ausländer verändern das Land zu sehr" - über Corona ("zu viele Eingriffe..."), hin zu den jetzigen Bauernprotesten. Er liegt auch im Freiheitsbegriff, der auf all diesen Protesten ähnlich verwendet wird, & den Jan Skudlarek am besten analysiert hat: es geht um Verteidigung der Freiheiten der schon Privilegierten gegen diejenigen, die für ihre Freiheit die Privilegien anderer einschränken.
Als ich gestern auf der Demo in Berlin war, war ich fasziniert davon, wie einfach & direkt die Forderungen der Hauptredner waren: einfach alle Regulationen, alle Einschränkungen, alle Regeln abschaffen, die die absolut freie Handhabe der Landeigentümer einschränken würden.
Denn: der Bauer (in diesem Fall: der weiße, männliche Eigentümer) weiß es am besten. Immer.
Düngemittel? Weg mit allen Einschränkungen.
Tierwohl? Das kann nur der Bauer einschätzen, was wissen die Eierköpfe in Brüssel schon davon.
Öko und Klima: FANG MIR NICH DAMIT AN!...
Kampf der Normalitäten
Es geht bei den Bauernprotesten also weniger um ökonomische Fragen im engeren Sinne, es geht darum, wessen "Normalität" richtig ist: die der jetzt schon Privilegierten, die sich in den vergangenen linksgrünversiffthegemonialen 50 Jahren ach so arg zurücknehmen mussten? Oder die transveganlastenradhomoklimakommunistischqueergenderndersojamilchende neue Normalität der neuen Weltordnung, des Bill Gates und George Soros, der EU Kommission und der Endzeitpredigerin Greta, die neue Normalität des Klimakollaps, Biodivkrise und Ressourcenendlichkeit?
Da die materielle Realität sich immer mehr letzterer anpassen wird, wird die soziale Realität sich immer mehr gegen diese Veränderungsprozesse verschließen, und jedes Mal, wenn die Physik mal wieder sagt: "hier müsste es lang gehen" wird sie sagen: wir gehen andersrum. Deswegen haben die Bauernproteste m.E. ein for the time being unerschöpfliches Potenzial, auf der Straße Legitimität zu gewinnen - was bei ihnen auf die jahreszeitbedingte Fähigkeit trifft, unbegrenzt auf den Straßen zu bleiben, sie haben ja auf dem Hof gerade nix zu tun.
Wir müssen uns auf die Art und Intensität von Störung einstellen, die der Klimabewegung gut zu Gesicht gestanden hätte, zu der wir aber niemals fähig gewesen wären. Wir werden sehen: nichts ist so stark, wie der Wunsch der Privilegierten, ihre Privilegien zu verteidigen.
Soviel dazu für heute,
Euer Tadzio