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Ein Schatz, der nur dir gehört

Mit meinem Fotonewsletter helfe ich dir gute Fotos zu machen, auch, wenn du glaubst, dass du nicht fotografieren kannst. Heute schauen wir uns den emotionalen Wert unserer Bilder genauer an. 

Plötzlich fing sie an, zu tanzen. Kurz vorher hatte ich eine Frau – es könnte auch ein Mann sein – in meinem Augenwinkel wahrgenommen. Mit ihrem orangefarbenen Oberteil und dem Hund an der Leine spazierte sie parallel zu mir auf der gegenüberliegenden Straßenseite. 

Sie marschierte einen Ticken schneller und als ich nach links sah, bemerkte ich, wie sie sich zu Beginn zögerlich, doch dann stetig freier auf dem Gehweg tanzend bewegte. 

Mit der Kamera in der Hand machte ich vier, fünf Aufnahmen und wartete, bis sie sich zwischen den beiden geparkten Autos am Straßenrand befand. Wie bei einem letzten Puzzleteil passte jetzt alles zusammen. Ihre offenbar gute Laune steckte mich an und ich empfand unbekümmerte Leichtigkeit. 

Ist das nicht erstaunlich? Ohne auch nur einen Blick mit mir auszutauschen,
gelang es ihr in diesem Moment, etwas von ihrer Lebensfreude zu teilen. 

Ganz ehrlich: Ich werde mit diesem Foto keinen Blumentopf gewinnen. Schließlich fotografierte ich keinen dramatischen Sonnenuntergang in den Alpen und keine komplexe Straßenszene, in der zwanzig Dinge gleichzeitig miteinander harmonieren. Dieses Bild könnte nicht einfacher sein und ist gerade deshalb für mich etwas Besonderes.

In den vergangenen Tagen musste ich mir diese Fotografie immer wieder ansehen. In der U-Bahn auf dem Weg ins Büro, abends vor dem Einschlafen und morgens beim ersten Kaffee kramte ich es aus und betrachtete es in Ruhe. Und jedes Mal spürte ich die Leichtigkeit des Momentes. 

Liebe Leser:in, du merkst es bestimmt: Für mich hat diese Aufnahme einen emotionalen Wert - und unterscheidet sich deshalb von tausenden Bildern meines Archivs.  

Das fotografische Prinzip

Schau dir mal deine letzten 50 Bilder an, die du gespeichert hast, weil du sie gut findest. Untersuche sie nicht hinsichtlich der technischen Eigenschaften. Komposition, Belichtungszeit, Tiefenschärfe sind jetzt einmal egal. 

Findest du eine Fotografie, das für dich einen emotionalen Wert hat? Wenn du es gefunden hast: Drucke es aus, hänge es an die Wand und schaue es dir immer wieder an. Frage dich: Was macht dieses Bild so besonders? 

Sind es die Menschen, die darauf zu sehen sind? Ist es der Ort, der für dich wichtig ist? Findest du eine Geste, die etwas mit dir macht? Oder etwas ganz anderes? Schreibe die Gründe auf einen Zettel.

What if …? 

Ich behaupte: Dieses eine Foto könnte dir ein Geheimnis verraten – und dir zeigen, auf welche Art Fotos du dich in den kommenden Monaten konzentrieren solltest. Jedes Mal, kurz bevor du auf Fototour gehst oder dein nächstes Shooting planst, kannst du einen kurzen Blick darauf werfen und die Inspiration mitnehmen.  

Was wäre, wenn du in den nächsten Monaten zehn, 20, vielleicht 30 Fotos machen würdest, die für dich einen tieferen emotionalen Wert innehaben? Ich lehne mich mal aus dem Fenster: Du würdest einen Schatz erarbeiten, der nur dir gehört und den dir niemand nehmen kann. Selbst wenn diese Bilder keine Likes bekommen und niemand versteht, warum sie dir gefallen, wärst du stolz darauf.