Guten Morgen! Hier kommt dein Überblick über die Bundespolitik-Recherchen der Woche. Inklusive Tipps zum Lesen, Sehen und Hören. Ich habe in mehreren Nachrichtenredaktionen gearbeitet und schaue jetzt immer die Medien durch, damit du das nicht musst. Starte gut in die Woche!
Die Recherchen
Datenschutz: Lecks bei Facebook und Corona-Testzentren
Durch ein Datenleck bei Facebook sind die Handynummern und andere Daten von mehr als 500 Millionen Menschen öffentlich geworden. Darunter befinden sich laut Netzpolitik.org rund sechs Millionen Deutsche, davon mehr als 50 Bundestagsabgeordnete. Mehrere von ihnen hat das Portal angerufen (Öffnet in neuem Fenster), viele haben erst dadurch von dem Vorfall erfahren. Das Unternehmen hatte zuvor mitgeteilt, es wolle die Betroffenen nicht informieren. Manche haben laut Bericht Fake-SMS mit Links zu Schadsoftware (Öffnet in neuem Fenster) (Link -> allgemeine Polizei-Infos) erhalten. Rückmeldungen auf Twitter zufolge sind auch Menschen betroffen, die selbst nicht Facebook nutzen. Hier (Öffnet in neuem Fenster) kannst du prüfen, ob deine Nummer dabei ist.
NDR, RBB und MDR (Öffnet in neuem Fenster) wiederum melden: “Wegen einer Sicherheitslücke sind Corona-Testergebnisse und persönliche Daten ungeschützt ins Netz gelangt.” Demnach sind unter anderem Wohn- und Mailadressen, Telefonnummern sowie das Geburtsdatum von Tausende Menschen in Berlin, Hamburg, Leipzig und Schwerte (NRW) betroffen. Netzpolitik.org (Öffnet in neuem Fenster) schreibt dazu: “Während das Testen für die Pandemiebekämpfung eine immer wichtigere Rolle spielen soll, ist auf Datenschutz und Datensicherheit in eilig hochgezogenen Testzentren weiterhin kein Verlass.” Der Sprecher des NRW-Datenschutzbeauftragten bestätigte den Medien darüber hinaus weitere Fälle von Datenlecks bei Testzentren.
https://twitter.com/netzpolitik/status/1380580096835256321 (Öffnet in neuem Fenster) https://twitter.com/NDRinfo/status/1380389322482987009 (Öffnet in neuem Fenster)Vernichtung von Waren: Verordnung nicht umgesetzt
Ein halbes Jahr nach dem Inkraftreten des sogenannten Kreislaufwirtschaftsgesetzes fehlt noch immer eine wichtige Vorgabe. Laut des ARD-Magazins Kontraste (Öffnet in neuem Fenster) sollte eine Rechtsverordnung sicherstellen, dass neuwertige Ware nicht mehr vernichtet werden darf. Entsprechende Pläne hatte das Bundesumweltministerium vor zwei Jahren verkündet. Nun teilte es dem Bericht zufolge mit, für die Vorbereitung der Verordnung sei “die Herstellung von Transparenz bei den Herstellern und Vertreibern notwendig”. Es soll erst einmal einen Bericht geben.
Hintergrund: Kontraste zitiert ein Marktforschungsunternehmen, wonach jedes Jahr im Schnitt 230 Millionen “neuwertige Bekleidungsstücke” geschreddert werden. Dazu kommen zurückgeschickte Pakete, deren Zahl die Universität Bamberg für 2020 auf 315 Millionen schätzt. 2018 wurden der Hochschule zufolge rund 20 Millionen Produkte zerstört. “In etwa 40 Prozent der Fälle wäre auch eine Spende zumindest theoretisch möglich gewesen”, heißt es weiter. Aus “wirtschaftlichen Gründen” seien 7,5 Millionen Artikel stattdessen aber vernichtet worden.
https://twitter.com/schler/status/1380521496930566144 (Öffnet in neuem Fenster) https://twitter.com/bhoffmann_mdb/status/1380551526427594762 (Öffnet in neuem Fenster)Ministeriumsbeirat: Hartz IV zu wenig für gesundes Essen
“Der wissenschaftliche Beirat des Agrarministeriums erklärt die Hartz-IV-Regelsätze für unzureichend und empfiehlt, sie neu zu berechnen. Doch die Bundesregierung ignoriert den Hinweis der eigenen Berater*innen”: Das schreibt die Autorin eines in der taz (Öffnet in neuem Fenster) erschienenen Artikels. Dieser bezieht sich auf die Antwort des Bundesarbeitsministeriums auf eine sogenannte Kleine Anfrage des Bundestagsabgeordneten Sven Lehmann (Grüne). Der Beirat hatte in dem besagten Gutachten unter anderem geschrieben: „Auch in Deutschland gibt es armutsbedingte Mangelernährung und teils auch Hunger.“
Die Bundesregierung antwortete auf die Anfrage, man sehe keinen Überprüfungsbedarf. “Die Aufgabe der Regelbedarfsermittlung sei auch im Bereich Ernährung, ‘dass existenzsichernde Leistungen beziehende Menschen so gestellt werden wie alle einkommensschwachen Haushalte’”, heißt es im Bericht darüber. Alleinstehende bekommen als Regelsatz aktuell 446 Euro im Monat, für Lebensmittel und Getränke sind dabei offiziell 5,09 Euro pro Tag vorgesehen. Kinder, Jugendliche sowie Menschen in Paarhaushalten bekommen weniger. An der Höhe der Regelsätze (Öffnet in neuem Fenster) und ihrer Berechnung gibt es immer wieder Kritik (Öffnet in neuem Fenster).
Umstrittener CDU-Abgeordneter tritt nicht erneut an
Joachim Pfeiffer gibt seine Nominierung als Kandidat für die Bundestagswahl zurück und legt sein Amt als energie- und wirtschaftspolitischer Sprecher der Unionsfraktion nieder. Als offiziellen Grund nannte er der WELT AM SONNTAG (Öffnet in neuem Fenster) einen “gezielten Hackerangriff” (hier (Öffnet in neuem Fenster) seine Erklärung). Unbekannte haben Steuerdaten veröffentlicht, die im Zusammenhang mit Pfeiffers Unternehmensbeteiligungen stehen. Pfeiffer stand nach Recherchen zu seinen Nebentätigkeiten (Öffnet in neuem Fenster) in letzter Zeit in der Kritik.
DIE ZEIT (Öffnet in neuem Fenster) hatte herausgefunden, dass er sein Wahlkreisbüro an einen Unternehmer untervemietet, der gleichzeitig Honorarkonsul von Montenegro ist. Beide waren zusammen beim Premierminister des Landes. Dabei soll es um teure Projekte im Energiesektor gegangen sein. Darüber hinaus soll Pfeiffer Nebeneinkünfte aus einer ihm gehörenden Firma nicht korrekt angezeigt haben. Die SPD setzte nach dem Bericht Verhandlungen mit CDU/CSU zu Änderungen am Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) aus.
https://twitter.com/a_watch/status/1380957486870577154 (Öffnet in neuem Fenster) https://twitter.com/jdoeschner/status/1380938767889018885 (Öffnet in neuem Fenster)Nach “Corona-Geschäften”: Neue Vorwürfe gegen Sauter
Eine ungewöhnlich schnell in zwei bayerischen Ministerien aufgestiegene Tochter des früheren CSU-Justizministers Alfred Sauter sorgt für Aufsehen. “Wie es zu der Ausnahme-Karriere kam, beantworten Bau- und Sozialministerium (…) nicht”, so die Süddeutsche Zeitung (Öffnet in neuem Fenster) (SZ). Die Frau selbst beantwortete die Fragen der Zeitung ebenfalls nicht – etwa “jene, ob sie ihre Funktion als Gesellschafterin des Unternehmens, über das ihr Vater 1,2 Millionen Euro als Provision und Anwaltshonorar bekommen haben soll, als Nebentätigkeit angegeben hat.” Sauter organisierte laut SZ (Öffnet in neuem Fenster) außerdem Luxusessen des früheren CSU-Chefs und bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer mit Unternehmer:innen. Anlass der regelmäßigen Treffen war “Spenderpflege”, wie es hieß.
In meinem Blog gebe ich des Weiteren einen Überblick über aktuelle und vergangene Vorwürfe gegen jemanden, bei dessen Büroleiter sich Sauter für eine Schnelltest-Firma eingesetzt hat: Markus Söder. Der als Kanzlerkandidat der Union gehandelte Politiker bekommt seit Beginn der Corona-Pandemie sehr viel Raum in den Medien, um sich dort als “Macher” zu inszenieren. Dabei gibt es über ihn viel Kritisches zu erzählen (Öffnet in neuem Fenster). Ebenfalls im Blog habe ich kürzlich all die Enthüllungen über CDU-/CSU-Abgeordnete aus den vergangenen Wochen zusammengefasst (Öffnet in neuem Fenster) (dazu hatte neulich auch der Stern etwas Interessantes (Öffnet in neuem Fenster)). Apropos Parteien und Geld: CORRECTIV hat eine Datenbank veröffentlicht mit Informationen zu Spenden, die Abgeordnete erhalten haben (oder auch nicht). Am seltensten Auskunft gaben Politiker:innen von – CDU und CSU.
https://twitter.com/t_stoneman/status/1380624549440589824 (Öffnet in neuem Fenster) https://twitter.com/jsachse/status/1380086400217985025 (Öffnet in neuem Fenster)Weitere Recherchen
Buzzfeed News: Staatsanwaltschaft ermittelt nach Fälschungsskandal gegen Top-Psychologen (Öffnet in neuem Fenster)
-> “Es geht um die angebliche Manipulation einer Psychologie-Studie, die die Behandlung von Patient:innen in ganz Deutschland verändern sollte.”
Report München (ARD): NS-Vergangenheit des ehemaligen SS-Generals war dem Geheimdienst bekannt (Öffnet in neuem Fenster) -> Franz Josef Huber arbeitete nach dem Zweiten Weltkrieg für den Bundesnachrichtendienst (BND) und war zuvor als Gestapo-Chef in Wien für den Tod von Zehntausenden Menschen verantwortlich.
Stuttgarter Nachrichten/Frontal 21 (ZDF): Gruppe S. wollte „auf einen Schlag“ alle Politiker im Reichstag töten (Öffnet in neuem Fenster) -> Eine mutmaßliche Rechtsterrorismus-Gruppe soll Attacken auf den Reichstag und auf deutsche Innenstädte geplant haben.
Buzzfeed News: Kita- und Schulkinder können Infektionen als Arbeitsunfall melden (Öffnet in neuem Fenster) -> “Wenn sich Kinder oder junge Erwachsene in Kita, Schule oder Universität mit dem Coronavirus infizieren, können sie entschädigt werden.”
DER SPIEGEL: Das Millionengeschäft mit den Klimabäumen (€) (Öffnet in neuem Fenster) -> Bäume pflanzen: Staaten und Unternehmen in der ganzen Welt machen es, dem Klimaschutz nützt das aber oft nichts.
Die Medientipps
Auch ich gehe davon aus, dass Markus Söder Kanzlerkandidat der Union (CDU/CSU) wird. Anna Clauß, die für den SPIEGEL seit vielen Jahren über Bayern berichtet, hat sich ausführlich mit ihm beschäftigt. In Ihrem Buch “Markus Söder – Die andere Biografie” (Öffnet in neuem Fenster) (und hier zum Beispiel auch im BR (Öffnet in neuem Fenster)) beschreibt sie, wie der vom Journalisten zum Ministerpräsidenten gewordene Franke politische Trends sozusagen riechen kann und entsprechend danach handelt.
Das Buch hat 176 Seiten und kostet 20 Euro.
Thema im Buch “Fehlender Mindestabstand” (Öffnet in neuem Fenster) sind “Die Coronakrise und die Netzwerke der Demokratiefeinde”, wie es im Untertitel heißt. Rund 40 Autor:innen haben Texte dazu beitragen. Die Herausgeber:innen schreiben in der Einleitung: “Wir sind (…) keineswegs einer Meinung über die richtigen Schritte zur Bekämpfung des Virus.” Die Beteiligten eine aber unter anderem “(…) die Verzweiflung über um sich greifenden Hass (…)”.
Das Buch hat 352 Seiten und kostet 22 Euro.
Die Auskunft
Das Robert-Koch-Institut (RKI) wollte nicht, “dass die Zusammenfassung von Erkenntnissen zum Übertragungsrisiko durch vollständig geimpfte Personen veröffentlicht wird”, meldete die Computerzeitschrift c’t. Einzelne Medien hatten das Dokument bekommen, aber online erscheinen sollte es laut RKI nicht. Dort veröffentlichte es dann das Transparenzportal FragDenStaat (Öffnet in neuem Fenster).
https://twitter.com/heiseonline/status/1379493130773397515 (Öffnet in neuem Fenster)Das noch
Fünf Jahre ist es her, dass der Bundestag entschied, die Gutachten seines Wissenschaftlichen Dienstes kostenlos zu veröffentlichen. Vorausgegangen war eine Kampagne von FragDenStaat (Öffnet in neuem Fenster), die erreichen sollte, dass das gewissermaßen von uns allen bezahlte Wissen für die Allgemeinheit verfügbar ist. Hier (Öffnet in neuem Fenster) sind die Informationen und Analysen zu allen möglichen Themen zu finden.
Der von einem ehemaligen Grünen-Bundestagsabgeordneten gegründete Verein Bürgerbewegung Finanzwende stellt seine Recherchen ebenfalls gratis der Öffentlichkeit zur Verfügung. Es gibt unter anderem Studien und sonstige Materialien zum Cum-Ex-Steuerskandal, Problemen bei der Rieser-Rente sowie zu Nachhaltigkeit in der Finanzwirtschaft. Hier (Öffnet in neuem Fenster) sind sie.
Die Unterstützung
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