Guten Morgen! Hier kommt dein Überblick über die Bundespolitik-Recherchen der Woche. Inklusive Tipps zum Lesen, Sehen und Hören. Ich habe in mehreren Nachrichtenredaktionen gearbeitet und schaue jetzt immer die Medien durch, damit du das nicht musst. Starte gut in die Woche!
Diesmal geht es unter anderem um einen bekannten Lieferdienst, Korruptionsvorwürfe gegen einen Bundestagsabgeordneten und einen Polizisten, der vor Gericht muss. In die Schule wiederum müssen/dürfen viele Kinder und Jugendliche wieder. Vielleicht hast du gehört, dass NRW für sie für gut zweieinhalb Millionen Euro eine Dreijahreslizenz für das Onlinelexikon Brockhaus (Öffnet in neuem Fenster) kauft. Enthüllt enthüllt: Das geht billiger! Bei vielen Bibliotheksausweisen ist die Nutzung nämlich kostenlos dabei. Die von Pressreader (Öffnet in neuem Fenster) - Zeitungen/Zeitschriften aus aller Welt - und Munzinger (Öffnet in neuem Fenster) - Datenbank mit Informationen zu allem Möglichen - übrigens auch.
Die Recherchen
Masken: Korruptionsvorwurf gegen CSU-Abgeordneten
Georg Nüßlein, stellvertretender Vorsitzender der CDU-/CSU-Fraktion im Bundestag, soll sich gegen Geld bei drei Bundesministerien für eine Schutzmasken-Firma eingesetzt haben (Öffnet in neuem Fenster). Weil er dem hessischen Unternehmen dem SPIEGEL zufolge dafür eine Rechnung über 660.000 Euro stellte, ermittelt die Staatsanwaltschaft “unter anderem wegen des Anfangsverdachts der Bestechlichkeit und Bestechung von Mandatsträgern”.
Der Politiker soll die “Vermittlungsgebühr” zudem nicht versteuert haben. Nüßlein ließ mitteilen, er halte die Vorwürfe für unbegründet, lasse aber aktuell sein Amt als Fraktionsvize ruhen. Der Bundestag hob seine Immunität auf, diese schützt Abgeordnete vor Strafverfolgung. Daraufhin durchsuchten Beamt:innen - etwa vom bayerischen Landeskriminalamt und der Steuerfahndung - sowohl sein Bundestags- als auch sein Wahlkreisbüro.
https://twitter.com/a_watch/status/1364963909912956940 (Öffnet in neuem Fenster) https://twitter.com/a_watch/status/1365627244459286530 (Öffnet in neuem Fenster)Kritik an Jens Spahn: Nicht (nur) wegen Corona
Dass es anders als vom CDU-Bundesgesundheitsminister angekündigt ab morgen doch keine kostenlosen Schnelltests für alle gibt, war einer von mehreren Gründen. Außerdem nahm er Medienberichten zufolge am Abend vor seinem positiven Corona-Test im Oktober 2020 entgegen seiner eigenen Appelle an die Bevölkerung an einer privaten Veranstaltung mit einem Dutzend Personen teil. Laut DER SPIEGEL (Öffnet in neuem Fenster) handelte es sich um ein Abendessen mit Unternehmern.
Diese sollen dafür je 9999 Euro für Spahns Bundestagswahlkampf gezahlt haben. Ab mehr als 10.000 Euro hätten ihre Namen veröffentlicht werden müssen. Darüber hinaus kritisierten Journalist:innenorganisationen Spahn im Zusammenhang mit dem Thema Pressefreiheit. Hintergrund: Dem Tagesspiegel zufolge (Öffnet in neuem Fenster) forderte er von einem Berliner Grundbuchamt - erfolgreich - Namen und Anfragen Vertreter:innen mehrerer Medien, die über umstrittene private Immobiliengeschäfte (Öffnet in neuem Fenster) berichtet hatten. Der Politiker bestreitet die gegen ihn erhobenen Vorwürfe.
https://twitter.com/hmtillack/status/1365654948197859333 (Öffnet in neuem Fenster) https://twitter.com/a_watch/status/1364548403380826115 (Öffnet in neuem Fenster)Mutmaßlich rechtsextrem: Polizist angeklagt
Ein Beamter in Hessen ist unter anderem wegen als rassistisch und volksverhetzend gewerteten Chatnachrichten angeklagt worden. WDR und Süddeutsche Zeitung berichteten (Öffnet in neuem Fenster), dem Mann würden laut Anklageschrift neben Volksverhetzung die Verwendung verfassungsfeindlicher Symbole sowie ein Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz vorgeworfen.
Die Nachrichten soll er 2018 in WhatsApp-Gruppen auch an andere Polizist:innen verschickt haben. “Zudem sollen die Ermittler bei einer Hausdurchsuchung scharfe Waffen, darunter drei Revolver, Munition, eine Stahlrute und auch Sprengstoff gefunden haben”, so die Medien. “Weitere ähnliche Fälle könnten demnächst vor Gericht kommen”, heißt es in dem Bericht weiter.
https://twitter.com/seberb/status/1364712943099793412 (Öffnet in neuem Fenster) https://twitter.com/WDRinvestigativ/status/1364632453130952707 (Öffnet in neuem Fenster)Lieferando: “Fragwürdige Mittel” zur Umsatzsteigerung
Der Konzern hinter dem von der Corona-Pandemie profitierenden Lieferdienst betreibt Webseiten, die denen von Restaurants ähneln. Nach Angaben des Bayerischen Rundfunks (Öffnet in neuem Fenster) gibt es europaweit Zehntausende Fälle, der Großteil davon betreffe deutsche Angebote. “Just Eat Takeaway” heißt das niederländische Unternehmen, zu dem Lieferando gehört.
Lieferando teilte mit, die Seitenerstellung sei in den jeweiligen Verträgen geregelt und ein Service, von dem gerade kleinere Restaurants profitieren würden. Die Vorsitzende des Deutsche Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga) sprach bezüglich des Unternehmens von nahezu monopolistische[n] Strukturen", die “zu einer brutalen Abhängigkeit” der Gastronomen führen würden.
https://twitter.com/BR_Recherche/status/1365402471905001476 (Öffnet in neuem Fenster) https://twitter.com/hatr/status/1364826245092016128 (Öffnet in neuem Fenster)Umwelt: Alter Vertrag bedroht Klimaziele
Die Bundesregierung hat “einem Kohle-Unternehmen hunderte Millionen Euro garantiert, weil sie sich vor einer Klage nach dem Energiecharta-Vertrag fürchtet”: Zu diesem Schluss kommt ein Bericht von Buzzfeed News und dem Recherchenetzwerk Investigate Europe (Öffnet in neuem Fenster). Das Abkommen könnte Deutschland und andere EU-Staaten “in den kommenden Jahren hunderte Milliarden Euro kosten und den Kampf gegen die Klimakrise entscheidend verzögern”, schreiben die beiden Medien.
Demnach erlaubt der Vertrag Energieunternehmen, gegen Beschlüsse von Ländern etwa zu einem Ausstieg aus der Kohlekraft zu klagen und in dem Zusammenhang hohe Entschädigungen zu fordern. “Aus Angst davor schwächen Länder ihre Klimagesetze ab”, heißt es in dem Text. Das rund 30 Jahre alte Abkommen “sollte einst Konzerne schützen, die in Staaten mit unsicherer Rechtslage investieren.” Vor Kurzem wurde übrigens bekannt, dass die EU Deutschland wegen Verstößen gegen Vorgaben zum Natur- und Artenschutz verklagt (Öffnet in neuem Fenster).
https://twitter.com/danieldrepper/status/1364121130366357504 (Öffnet in neuem Fenster) https://twitter.com/Frontal21/status/1364598791098277891 (Öffnet in neuem Fenster)Weitere Recherchen
Netzpolitik.org: Gesetzesänderung verhindert Aufklärung des Cum-Ex-Skandals (Öffnet in neuem Fenster) -> Eine 2019 in einem Gesetz zu Elektromobilität (!) versteckte Vorgabe hebelt die Möglichkeit von Anfragen nach dem sogenannten Informationsfreiheitsgesetz (IFG) zu bestimmten Finanzthemen aus, wie ein aktuelles Gerichtsurteil zeigt.
NDR: Was tun gegen den niedrigen Milchpreis? (Öffnet in neuem Fenster)
-> Landwirte fordern mehr Geld für ihre Produkte und finanzielle Hilfen von der Politik, weshalb sie seit Monaten demonstrieren.
SWR: Mogelpackung - Wie Preiserhöhungen vertuscht werden (Öffnet in neuem Fenster)
-> “Hersteller arbeiten mit Tricks, von denen die Verbraucher oftmals gar nichts mitbekommen”, heißt es in der Dokumentation.
DER SPIEGEL: KSK-Munitionssammlung war im Ministerium lange bekannt (Öffnet in neuem Fenster) -> Entgegen bisheriger Angaben wusste das Bundesverteidigungsministerium schon länger von einem Straferlass, der Bundeswehr-Soldaten versprochen wurde, wenn sie gestohlene Munition zurückbringen (siehe Enthüllt #2).
Deutschlandfunk: Warum die Vernetzung der Gesundheitsämter hakt (Öffnet in neuem Fenster)
-> Die Umstellung auf ein digitales System für die Kontaktverfolgung bei Corona-Fällen verzögert sich weiter.
Die Medientipps
Heute gibt es anders als in den ersten beiden Newsletter-Ausgaben keinen Schwerpunkt, sondern eine Mischung verschiedener Themen. Mitte Februar erschien die Dokumentation “Forschung, Fake und faule Tricks” (Öffnet in neuem Fenster), die aktuell gut passt, wie die Beschreibung des Senders deutlich macht: “Im immer hitzigeren Ringen um die Wahrheit kommt der Wissenschaft die fragwürdige Rolle des Meinungsmachers zu, und dazu wird sie nach Belieben beeinflusst, manipuliert und untergraben. Die Reportage zeigt anhand mehrerer großer Umwelt- und Gesundheitsskandale die Strategien zur Instrumentalisierung der Wissenschaft.”
Zu der Doku passt auch ein bereits Mitte 2020 erschienenes Werk der Journalist:innen Susanne Götze und Annika Joeres zum Thema Lobbyismus. Ihr Buch “Die Klimaschmutzlobby” (Öffnet in neuem Fenster) beschreibt, wie “mächtige Netzwerke den Klimaschutz sabotieren”.
Das Buch hat 304 Seiten und kostet 20 Euro.
Eine weitere Dokumentation: "Mafia-Kolonie Ostdeutschland" (Öffnet in neuem Fenster). Der Untertitel lautet “Der blinde Fleck der Deutschen Einheit”. Margherita Bettoni, Axel Hemmerling und Ludwig Kendzia erzählen “die Geschichte einer jahrelangen Kooperation zwischen Italien und Deutschland, durch die es erst in den letzten Jahren in mehreren großen Verfahren gelungen ist, erfolgreich gegen die italienische Mafia in Deutschland vorzugehen – doch bisher nicht im Osten”.
Margherita Bettoni war nicht nur an der Doku beteiligt, sondern hat mit Laura Backes auch das Buch “Alle drei Tage” (Öffnet in neuem Fenster) geschrieben, das morgen erscheint. Darin geht es um Femizide, also um “tödliche Gewalt gegen Frauen (…) aufgrund des Geschlechts” (Duden).
Das Buch hat 208 Seiten und kostet 20 Euro.
Das noch
Das oben erwähnte Informationsfreiheitsgesetz (IFG) kann von jedem Menschen in Deutschland genutzt werden. Die Transparenzplattform FragDenStaat (Öffnet in neuem Fenster) hilft beim Stellen von Anfragen. Sie hat zuletzt den Bundestag verklagt auf Auskunft zu einer Karnevalsfeier. Mitarbeiter:innen veranstalteten sie am Tag nach dem Anschlag von Hanau - “während nebenan eine Mahnwache für die Opfer stattfand” (Öffnet in neuem Fenster). Apropos IFG, ich hätte da eine Frage an dich: https://wxo8uk51upk.typeform.com/to/BMQAfY0n.
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