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“Die sind nicht gegen alle Ausländer, nur gegen Araber” - Warum Migrant*innen die FPÖ wählen.

„Immer wieder Österreich“, tönt es am 1. Mai durch das Festzelt am Linzer Urfahranermarkt. Menschen in Tracht schwenken rot-weiß-rote Fahnen und lassen Bierkrüge aneinander krachen. Auch ohne das meterhohe Kickl-Plakat hinter der Bühne wäre völlig klar, welcher Partei sie ihre Stimme geben. In der ersten Reihe steht Tarek*. Er hat dunkle Hautfarbe, sein Vater kommt aus dem Libanon. Trotzdem wählt der 29-Jährige seit 10 Jahren die FPÖ. Warum, ist für ihn klar: „Es passiert so viel Scheiße: Gewalt, Vergewaltigungen, Straftaten. Und Kickl haut auf den Tisch, räumt auf und sagt die Wahrheit.“ Migrant und FPÖ-Wähler: Das scheint auf den ersten Blick ein Widerspruch zu sein. Wie lässt sich dieses Verhalten erklären?

Laut dem Integrationsbericht 2023 leben in Österreich 2,3 Millionen Menschen mit Migrationshintergrund. Davon besitzen rund 600.000 die Staatsbürgerschaft und sind wahlberechtigt. Welche Parteien diese Staatsbürger*innen wählen, lässt sich aufgrund der mangelnden Forschungslage nur tendenziell sagen. „Umfragen zufolge bevorzugen Menschen mit Migrationshintergrund eher Parteien links der Mitte“, sagt Politikwissenschaftler Laurenz Ennser-Jedenastik. Mit Blick auf die migrationsfeindliche Haltung rechter Parteien scheint das nicht verwunderlich. Dass die tatsächliche Antwort komplexer ist, zeigt jedoch ein Blick in die Vergangenheit. 

Unter Heinz-Christian Strache nähern sich die Freiheitlichen in den 2010er-Jahren einer migrantischen Gruppe an: Den österreichischen Serb*innen. Strache zeigt sich im Wahlkampf mit der „brojanica“, einem Gebetsarmband der serbisch-orthodoxen Kirche. In einem Interview im Jahr 2018 bezeichnet er den Kosovo als  (Öffnet in neuem Fenster)Teil Serbiens“. Die Annäherungsversuche dürften in der serbischen Community erfolgreich gewesen sein. In einer nicht-repräsentativen Umfrage von Peter Hajek zur Wien-Wahl 2015 kommt die FPÖ in dieser Gruppe auf 28 Prozent. Nach Straches Rücktritt im Jahr 2019 nimmt das Naheverhältnis zu den Austro-Serb*innen allerdings wieder ab. Wie viele von ihnen heute noch FPÖ wählen, ist unklar. 

Gerade für Menschen aus Ex-Jugoslawien scheint die FPÖ offensichtlich kein rotes Tuch zu sein. Auch Dario* ist ein FPÖ-Anhänger bei der Veranstaltung in Linz. Der 45-Jährige stammt aus einer kroatischen Einwandererfamilie und wählt erst seit wenigen Jahren die FPÖ. Die Forderungen von Herbert Kickl gefallen ihm – auch beim Thema Migration. „Die Europäische Kultur muss behalten werden“, findet Dario. „Moslems aus dem arabischen Raum sind ein Problem. Dort gibt es keine Frauenrechte, der Mann ist das Oberhaupt.“ Die FPÖ sei nicht gegen alle Ausländer, sondern nur gegen „Araber und andere Kulturen“. „Der Kickl fährt ja auch nach Kroatien in den Urlaub“, meint er mit einem Lächeln.

Für die Integrationsexpertin Emina Sarić sind solche Aussagen nicht verwunderlich. Sie sieht mehrere Gründe, warum sich Menschen trotz ihrer eigenen Migrationsgeschichte rechten Parteien zuwenden. Zum einen würden sich Menschen, die bereits länger in Österreich leben, bewusst von Neuankömmlingen abgrenzen. „Es geht darum, zu zeigen, dass man ein integrierter Teil der Gesellschaft ist“, so Sarić. Das passiere vor allem „aus Angst, selbst wieder als Migrant abgestempelt zu werden“. Dazu komme, dass gerade Migrant*innen der zweiten Generation weniger Bezug zur eigenen Einwanderungsgeschichte hätten: „Es gibt hier vielfach kein Gefühl der Dankbarkeit mehr und die Erwartungshaltung an den Staat ist damit eine höhere.“ Eine Nichteinlösung der Erwartungen könne zu Frustrationen führen, die Protestparteien wie die FPÖ gezielt ansprechen.

Dass Menschen wie Tarek oder Dario im Festzelt Herbert Kickl beklatschen, dürfte also vor allem emotionale Gründe haben. Sie haben ähnliche Ängste, wie sie große Teile der Bevölkerung beschäftigen, teils verstärkt durch die negativen Erfahrungen mit der eigenen Migrationsgeschichte. Bleibt die Frage, ob es Parteien gelingt, glaubhafte Lösungen darauf zu finden. Die 600.000 potenziellen Stimmen dürften jedenfalls ein Anreiz sein. 

*Namen wurden geändert

Elias Raith (20) ist Journalismus-Student aus der Steiermark.

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