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5 Irrtümer über dein Gehirn, die du kennen solltest

Jeden Freitag erzähle ich dir von Erkenntnissen aus Neurowissenschaft und Psychologie, die du kennen solltest. Heute geht es um Neuromythen.

Neuromythen, ist das ein echtes Wort? Ja, ist es. Ich würde es so definieren: Ein Neuromythos ist eine weit verbreitete, aber falsche Vorstellung davon, wie Geist und Gehirn funktionieren. Und davon gibt es viele. Meine fünf Lieblings-Irrtümer nehme ich heute auseinander. 

Mythos 1: Wir benutzen nur 10 Prozent unseres Gehirns

Nope. Wenn du gesund bist, nutzt du 100 Prozent seines Gehirns. Ein möglicher Ursprung dieses Mythos ist die Theorie der Energiereserven, die von den Harvard-Psychologen William James und Boris Sidis in den 1890er Jahren während ihrer Arbeit mit dem Wunderkind William Sidis aufgestellt wurde (hier ein netter Deutschlandfunk-Beitrag (Öffnet in neuem Fenster) über William). 

James erklärte, Menschen würden nur einen Bruchteil ihres vollen geistigen Potenzials ausschöpfen. Hunderte Jahre später kamen MRT und EEG und andere bildgebende Verfahren und fanden: nichts. Jedenfalls nichts, das diese These unterstützen würde und schon gar keine 90 Prozent des Gehirns, die inaktiv vor sich hin warten. Hier ein interessantes Video von TED (Öffnet in neuem Fenster), das die 10-Prozent-Debatte gut zusammenfasst.

Mythos 2: Menschen haben einen von vier unterschiedlichen Lerntypen

Nope. Immer wieder höre ich das von Freund:innen, und sogar von Lehrer:innen. Jeder Mensch bevorzuge demnach entweder das visuelle, auditive, lesende und schreibende oder kinästhetische Lernen. Das Problem: Fast alle Studien, die angeblich Beweise für diese Lernstile liefern, sind wissenschaftlich wahnsinnig schwach. Zu diesem Ergebnis kommt eine Vergleichsstudie nach der nächsten (zum Beispiel diese hier (Öffnet in neuem Fenster) und das bereits 2009). 

Das Beharren auf den Lernstilen kann sogar schädlich sein, wenn Schüler:innen dadurch in eine Schublade gesteckt werden und das Gefühl haben, dass sie für Lernformen, die nicht zu ihrem Lernstil passen, nicht geeignet sind. 

Das Ansprechen mehrerer Lernstile kann ziemlich nützlich sein, weil Querverbindungen im Gehirn entstehen, wenn Menschen sich mal visuell, mal auditiv mit einem Thema oder einer Aufgabe auseinandersetzen. Am Ende geht es darum, möglichst viele Gehirnregionen anzusprechen und miteinander zu verbinden und sich nicht auf eine zu fokussieren. 

Mythos 3: Wenn wir schlafen, schaltet unser Gehirn ab

Nope. Das ist so falsch, dass ich das gar nicht ausführlich begründen muss. Früher gab es noch keine MRTs oder EEGs. Niemand konnte das Gehirn beim Schlafen beobachten. Heute ist das anders. Unser Gehirn dreht praktisch durch, wenn wir schlafen. Der visuelle Kortex feuert und feuert (sonst würden wir gar nicht träumen). Wer tiefer einsteigen will: Sehr gute, niedrigschwellige Bücher zum Thema Schlaf sind „Why We Sleep (Öffnet in neuem Fenster)“ von Matthew Walker und „Livewired (Öffnet in neuem Fenster)“ von David Eagleman.

Mythos 4: Bei einigen von uns ist die rechte Hirnhälfte dominant, bei anderen die linke – deshalb lernen wir auch anders! 

Nope. Die linke und die rechte Gehirnhälfte arbeiten zusammen, permanent. Sie sind miteinander verbunden über etwas, das den wunderschönen Namen Corpus callosum trägt. Es gibt keine Beweise dafür, dass sich das Lernen von Menschen sonderlich unterscheidet, wenn eine Hemisphäre dominanter ist als die andere. In dieser Untersuchung (Öffnet in neuem Fenster) wurde der Mythos systematisch widerlegt. 

Es stimmt zwar, dass bestimmte Gehirnhälften für bestimmte Funktionen wie Sprache, Kreativität etc. die Hauptverantwortung tragen, aber es sind immer beide Gehirnhälften aktiv. 

Mythos 5: „Ich kann halt einfach gut multitasken!“

Nope, kannst du nicht. Das Gehirn kann sich nicht gleichzeitig mit zwei oder sogar mehr aufmerksamkeitsstarken Reizen beschäftigen. Multitasking gibt es nicht. 

Studien liefern vor allem zwei wichtige Erkenntnisse. Erkenntnis 1: Wenn du mehrere Aufgaben gleichzeitig machst, leidet immer eine der beiden Aufgaben. Du erfüllst die Aufgaben gleichzeitig nie so erfolgreich, wie wenn du sie nacheinander erfüllen würdest. An diese Erkenntnis sollte sich jeder erinnern, der beim Autofahren telefoniert – und sei es nur über die Fernsprechanlage. Wenn wir uns auf das Gespräch konzentrieren, leidet darunter immer (!) die Konzentration auf den Straßenverkehr. Erkenntnis 2: Wenn wir multitasken, speichern wir Dinge schlechter ab.  

So. Schon mal ein paar Tausend Menschen weniger, die diese Neuromythen verbreiten. Cheers to that! Bis nächste Woche, euer Bent 🧠✌️

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