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“Zwischen Arm und Reich”

Ein Rückblick auf die Podiumsdiskussion in Ottensheim

Am Abend des 14. März versammelten sich rund 120 Personen im Gemeindesaal von Ottensheim, um an der Podiumsdiskussion im Rahmen der Reihe "Zwischen Arm und Reich" teilzunehmen. Unter der Moderation von Professor Manfred Ziegler, einem renommierten Sozialwissenschaftler, tauchten die Teilnehmerinnen Daniela Brodesser und Marlene Engelhorn in eine tiefgreifende Diskussion über die Verteilung von Vermögen ein. Obwohl Georg Hubmann aufgrund von Krankheit fehlte, lieferte das Gespräch dennoch fesselnde Einblicke in die facettenreichen Aspekte von Reichtum und Armut. 

Nachdem Herr Professor Ziegler die theoretische Einführung in Fakten und Zahlen übernahm, eröffnete Daniela Brodesser die Diskussion mit einer bewegenden Schilderung ihrer eigenen Erfahrungen mit Armut. 

“Der Ungerechtigkeit eine Stimme geben”

Sie berichtete von den Herausforderungen, die sie und ihre Familie bewältigen mussten, sprach über Beschämung, über das Bemühen und teilte auch berührende, schmerzliche Momente, wie jenen Vorfall im Sommer 2017, als sie vor ihren Kinder  und der versammelten Nachbarschaft öffentlich von ihrem Vermieter beschämt und gedemütigt wurde. Nach einem eigentlich schönen Tag, dem ersten Besuch im Freibad in jenem heißen Sommer. Ihre Stimme bebte, brach für einen Moment, es war deutlich zu sehen und zu hören, dass die Erinnerung immer noch schmerzt, trifft, in diesem Moment wie gestern da war.


Daniela Brodesser zeigte auch in diesem Moment die Vielfalt der Emotionen, die mit Armut zusammenhängen. So auch als sie fortfuhr und von ihrer Reaktion erzählte, - der rückwirkenden Erkenntnis, dass genau dies der Zeitpunkt der Resignation war und und wie ihre Wut, ihre Verzweiflung über diese Beschämung sie dazu trieb, dieser Ungerechtigkeit eine Stimme zu geben. Anonym - feige wie sie heute sagt - auf ihrem neuen Account als Graue Maus auf Twitter, wo sie sich einfach alles von der Seele schreiben wollte. Wo niemand sie kannte, wo sie sich vor niemandem schämen und verstecken musste. Im schlimmsten Fall, so sagte sie sich, könnte sie den Account ja wieder löschen.
Doch statt Häme begegneten ihr Solidarität und die Erkenntnis, dass sie nicht alleine ist, dass sie keine Versagerin ist, sondern es ein strukturelles Problem ist. Dass es vielen Menschen ähnlich geht.

“AHA-Erlebnis: Wie bezahlst du deine Miete?”

Marlene Engelhorns Geschichte ist eine andere, eine darüber, wie normal einem auch das Leben als privilegierter Mensch vorkommt, wenn man in seiner eigenen Bubble verhaftet ist. Mit Esprit und einem Hauch Ironie sprach sie Dinge an, die ihr die Augen geöffnet haben, wie viele Privilegien sie hat - durch das Vermögen ihrer Familie. Sie sprach jedoch auch über die Angst in diesen Kreisen, die Angst vor Abstieg, vor Verlust. Ängste von überreichen Menschen, die von anderen vielleicht belächelt werden, für diese jedoch durchaus real sind. 

Wenn man ihr zuhörte, wurde einem noch einmal richtig klar, dass diese enorm reichen Menschen so weit von der Realität von Armutsbetroffenen, oder auch normal arbeitenden Menschen entfernt sind, keine Ahnung von deren Kapazitäten zur Problemlösung, deren Ressourcen haben, dass deren Unverständnis für andere Situationen nicht überrascht. Wie auch, wenn es keine Berührungspunkte gibt?
An der Uni, so erzählte Frau Engelhorn, wurde sie von einer Mitstudierenden einmal gefragt, wie sie ihre Miete bezahle. Ein Moment, der ein weiteres AHA-Erlebnis für sie war, weil sie vorher noch nie darüber nachgedacht hat, nachdenken musste, wie sie dies bestreiten würde. Eine Frage, die ihr auch unmittelbar aufzeigt, wenn jemand nicht aus ihrem Herkunfts-Umfeld kommt.
Marlene Engelhorn regte zum Nachdenken an, wie weit entfernt die Lebensrealität der Überreichen von der Mehrheit der Gesellschaft ist und stellte kritische Fragen nach der Verteilung von Macht und Einfluss in unserer Demokratie. Sie warf auch die Frage in die Runde, wie viel denn genug sei und wer darüber entscheiden würde, wo das doch für jeden Menschen etwas anderes ist. 

“Eine gerechtere Gesellschaft gestalten, von der alle profitieren”

Die Diskussion zwischen den beiden Frauen, die Fragerunde der Anwesenden und deren Einbringen in die Diskussion, brachte noch einmal eindringlich die Kluft zwischen den verschiedenen sozialen Schichten und die Notwendigkeit eines tieferen Verständnisses für die Lebensrealitäten aller Bevölkerungsgruppen zum Ausdruck. Es zeigte sich auch eindringlich der Wunsch und die Erkenntnis, wie dringend es Veränderung bedarf - wie sehr wir soziale Gerechtigkeit brauchen. 

Die Geschichten dieser beiden Frauen mit so unterschiedlichen Erfahrungen und die von ihnen geführte Diskussion verdeutlichen, dass es an der Zeit ist, die Diskussion über die Verteilung von Vermögen und Macht mit Empathie und Offenheit zu führen. Um eine gerechtere Gesellschaft zu gestalten, von der alle profitieren!

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