Zum Hauptinhalt springen

Armut ist unsichtbar, sie bleibt leise.

Armut ist unsichtbar und leise

Manchmal twittere ich Screenshots von beschämenden Aussagen und viele meinen es dann gut und schreiben "einfach ignorieren" oder "gebt solchen doch keine Aufmerksamkeit" - weshalb es meiner Meinung nach aber wichtig ist genau diese Aussagen und ihre Problematik aufzuzeigen - dazu nehm ich euch in die Vergangenheit mit:

Bis 2017 hatte ich kein Umfeld das mir gezeigt hat, dass Beschämungen nicht ok sind! Wusste nichts darüber, dass Armut strukturell bedingt ist und keineswegs von "selbst schuld" / "zu wenig bemüht" abhängt. Ich wusste zwar, dass wir alles versucht hatten, um der Armut zu entkommen, steckte aber in dem Glauben fest, einfach zu wenig zu geben oder etwas falsch zu machen.

"Andere schaffen das ja auch!"

Gedanken wie ich dürfte doch keine Wünsche haben oder dies und jenes sei Luxus - also absolutes NoGo für mich - waren ganz normal! Bedürfnisse äußern oder ansprechen, was schief läuft war nicht mehr möglich, denn nur wer Teil der "Leistungsgesellschaft" ist, darf mitreden. Genau so wurde und wird es noch heute transportiert. 

Erst durch Twitter kamen die Rückmeldungen von Betroffenen (die es so oder ähnliche erleben) und von Nichtbetroffenen (denen diese Seite der Armut nicht bewusst war). Erst durch das Aufzeigen der Beschämungen ist mir nach und nach  klar geworden, wie massiv sie mich eingeschränkt und verunsichert hatten. Wie starkt sie das Leben, den Alltag und den Umgang mit meinem Umfeld beeinflusst hatten. Wie still ich geworden bin. 

Still und leise Beschämungen zu erdulden, sich nicht dagegen wehren, das zehrt an den eigenen Kräften.

Es führt dazu immer öfter Situationen zu vermeiden, die beschämend sein könnten. Nicht nur der finanzielle Mangel führt also zu fehlender Teilhabe, nein, Beschämung und die darausfolgende Unsicherheit sind ein großer hemmender Faktor. 

Wenn wir nicht öffentlich darüber sprechen geschieht mit Betroffenen extakt das, was jahrelang meine Realität war: du denkst nur dir selbst setzen diese Aussagen so zu, glaubst, zu "empfindlich" zu sein. Nimmst nicht wahr dass es vielen anderen genauso ergeht. Wie denn auch. Wenn du dich zurückziehst beziehungsweise niemand darüber spricht! 

Und genau hier liegt das Problem, hier ist die Spirale begraben, weshalb Armut noch immer größtenteils unsichtbar und leise ist: man redet nicht darüber!

Aus Scham. Man geht nicht auf die Straße. Aus Scham. Weil es immer Menschen gibt, egal ob auf Twitter oder im eigenen Umfeld, die dich beschämen und versuchen, dich klein zu machen. Und weil du, nachdem niemand darüber spricht, denkst, nur dich treffen diese Aussagen so hart. Dabei sind wir viele. Und Beschämung ist nie in Ordnung.

Denkt immer daran: niemand steht eines Morgens auf und beschließt, ab nun in Armut zu leben weil es so bequem ist!

Kategorie Armut ist ...

0 Kommentare

Möchtest du den ersten Kommentar schreiben?
Werde Mitglied von ar-MUT und starte die Unterhaltung.
Mitglied werden