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Für Weihnachten: Ein paar Tipps, um geschickt zu diskutieren bei Familienfeiern oder Treffen

Ich habe diesmal ein paar Tipps verfasst für jene, die hitzige Diskussionen mit der Familie über Weihnachten kennen – und sich fragen, wie sie geschickter in solchen Momenten agieren können. Am Ende des Newsletters gebe ich außerdem zwei Lese-Empfehlungen.

1.) Unangenehme politische Diskussionen zu Weihnachten - was tun?

Viele Menschen fahren mit Magengrummeln zu Familientreffen in der Weihnachtszeit: Weil sie ahnen, dass wieder zu politischen Streitthemen unserer Zeit (Gendern, Klima, Migration, LGBT etc.) gestritten wird oder provokative Wortmeldungen fallen. Dazu ein paar Tipps:

🎄 Erster Schritt: Vorbereitung – das heißt, sich Ziele setzen 🎄 Für Weihnachten bereiten wir viel vor, kaufen Geschenke, planen das Essen. Wenn man heftige Debatten befürchtet, ist sinnvoll, sich auch kommunikativ vorzubereiten. Das bedeutet zu allererst, für sich klarzustellen: Was ist denn eigentlich mein Ziel? Will ich zum Beispiel dem einen Onkel, der regelmäßig übers Gendern schimpft, wortgewandter vor allen widersprechen? Hier ist das Ziel “Paroli bieten” oder auch “für Mithörende die eigene Sichtweise verständlicher machen”. Will ich hingegen meine Mutter, die skeptisch gegenüber Medizin und Wissenschaft geworden ist, argumentativ erreichen, kann das Ziel lauten “einfühlsam diskutieren” bzw. “sanft Anstoß zum Umdenken geben”. Oder will ich einfach verhindern, dass Diskussionen eskalieren oder dass ich selbst aufgerieben aus diesen Treffen gehe? Hier kann ein Ziel lauten “Eskalation frühzeitig vermeiden” bzw. “auf die eigenen Nerven achten”. Je nach Ziel (oder Zielen), lohnt es sich, konkrete Formulierungen vorab zu überlegen.

🎅 Zweiter Schritt: Was sage ich denn ganz konkret? Vorab Formulierungen zurecht legen 🎅 Eine Gefahr ist, dass man bei heftig geführten Diskussionen fremdbestimmt diskutiert: Zum Beispiel kann sein, dass ein Familienmitglied sehr viel bei rechtspopulistischen bis rechtsextremen Online-Medien mitliest – und deren Narrative und Behauptungen permanent einstreut. Da findet man sich plötzlich in einer Abwehrposition wider, sagt Sätze wie: “Das stimmt nicht, weil…”. Falls man das Ziel verfolgt “die eigene Position erklären”, ist Recherche und ein gründliches Nachdenken über die eigenen Werte sinnvoll: Um ein bis zwei starke Argumente für sich herauszusuchen (gerne auch: konkrete Beispiele), die leicht für andere zugänglich sind. Diese Vorbereitung soll helfen, inmitten der hitzigen Diskussion das parat zu haben (andere Menschen haben noch immer das Recht, das zu ignorieren. Aber Vorbereitung und Fokussierung auf ein bis zwei Argumente hilft, dass man sich im Gespräch weniger von rhetorischen Nebelgranaten ablenken lässt). Ein Tipp dazu: Man kann solche Argumente auch als “Ich-Botschaft” bringen. Zum Beispiel: “Ich fand einen sehr interessanten Vorfall, als..” Oder: “Mich hat sehr zum Nachdenken gebracht, dass”. Denn indem man seine Sicht in Ich-Botschaften kleidet, macht man sie manchmal etwas leichter zugänglich.

🎁 Wenn das Ziel ist, jemanden argumentativ zu erreichen 🎁 Dann würde ich empfehlen, argumentativ umso mehr auf die emotionale bzw. auf die Beziehungs-Ebene zu gehen. Zum Beispiel zuerst zu betonen, was man an der Person schätzt oder welche gemeinsamen Werte man hat. Man kann sich hier wirklich konkrete Sätze vorab zurechtlegen. Etwa: “Ich schätz das sehr, wie sehr du dich dort sozial einsetzt…” Oder: “Ich sehe das auch so wie du, dass…” (Natürlich sollte man, egal, welche Wertschätzung man ausdrückt, das ernst meinen.) Das Problem kann nämlich sein, dass sich selbst gut gemeinter Widerspruch oft wie ein Angriff anfühlt. Denn wir alle wollen uns selbst als guter, als integrer Mensch sehen – und wir sehen auch unsere Überzeugungen als Teil der eigenen Integrität an. Wenn mir also jemand sagt, ich würde etwas Falsches glauben, kann sich das wie ein Vorwurf anfühlen, dass ich selbst ein schlechter oder unredlicher Mensch wäre. Deshalb ist dieses Formulieren von Wertschätzung oder Gemeinsamkeiten eine rhetorische Methode, die darauf abzielt, es für die andere Person leichter verkraftbar zu machen, wenn man ihr dann in einem Punkt widerspricht.

🔔 Und das Wichtigste: Es hilft, niedrige Erwartungen zu haben 🔔 Kein Mensch geht in eine Diskussion, um nachher die Welt anders zu sehen (auch ich nicht). Manchmal ist es so, dass Leute umdenken – aber das kann zum Beispiel ein Prozess sein, der langsam in ihnen abläuft. Es kann auch sein, dass nie ein Umdenken passiert. Meines Erachtens ist es bei vielen Familientreffen bereits ein Erfolg, wenn Debatten nicht komplett eskalieren oder wenn man zumindest ein starkes Argument vorgebracht hat für jene, die dieses Argument noch hören wollen. Ich habe über das Diskutieren in schwierigen Situationen ja ein ganzes Buch geschrieben (Öffnet in neuem Fenster), mein persönlicher Eindruck ist: Wenn man niedrigere Erwartungen an Diskussionen richtet, fällt damit auch Druck weg - Druck, den man sich selbst macht, weil man quasi ein Gespräch “gewinnen” will oder den man indirekt auch den anderen macht, die ihre Sicht nach dieser Logik quasi ändern sollen. Den Druck zu verringern, erscheint mir oft die sinnvollere Taktik.

🦌 Zum Schluss: Wenn das Ziel ist, die eigenen Nerven zu schonen, kann man sich konkrete Formen des Exits überlegen 🦌 Ein kleiner Exit kann sein, dass man das Thema wechselt. Hier kann man sich im Vorfeld konkrete Formulierungen überlegen: “Ich glaube, wir werden bei dem Thema nicht einer Meinung, wir haben ja jetzt schon unsere grundsätzlichen Sichtweisen vorgebracht, aber lass uns doch auch über etwas gemeinsames Familiäres sprechen: Wie geht es denn…”? Wenn die Situation in der Familie sehr angespannt ist, Treffen regelrecht eskalieren, kann man auch im Vorfeld überlegen, das Setting zu ändern, zum Beispiel keine lange Familienfeier mit Alkohol am Abend, sondern ein gemeinsames Treffen in einem netten Kaffeehaus. Oder dass man klarstellt, dass man nur zeitlich begrenzt bei etwas dabei ist. Denn das ist auch noch ein wichtiger Punkt: Niemand ist verpflichtet, alles bis zum letzten Ende auszudiskutieren oder sich alles anhören zu müssen.

Dazu noch ein thematisch passender Post (Öffnet in neuem Fenster) von Deutschlandfunk Kultur:

Ergänzend noch zwei Lese-Empfehlungen für die Weihnachtsfeiertage:

2.) ❄️ Hoffnung in kalten Zeiten ❄️

Der Schriftsteller Albert Camus schrieb einmal: „Mitten im Winter erfuhr ich endlich, dass in mir ein unvergänglicher, unbesiegbarer Sommer ist.“ Ich habe dieses Zitat zum Anlass genommen, um in Deutschlandfunk Kultur über die Frage zu sprechen, was mir Hoffnung gibt (Öffnet in neuem Fenster)in Zeiten eines erstarkenden Rechtspopulismus und Rechtsextremismus.

3.) 🤖 Wie funktioniert ChatGPT? 🤖

ChatGPT ist ein Large Language Model (LLM). Der Journalist Timothy B. Lee und der Informatiker Sean Trott haben einen erstklassigen Aufsatz über LLMs (Öffnet in neuem Fenster) im Allgemeinen verfasst, der möglichst verständlich erklären soll, wie solche Modelle entwickelt werden – ich kann die Lektüre nur empfehlen, um diesen Teilbereich der Künstlichen Intelligenz besser zu verstehen.

Diesmal kam der Newsletter leider nicht am Dienstag, sondern am Donnerstag, weil ich zeitlich nicht früher dazu kam. Ich wünsche allen eine angenehme Weihnachtszeit! Und falls einem der Newsletter gefällt, freue ich mich, wenn man ihn weiterleitet oder empfiehlt!

Schönen Gruß

Ingrid Brodnig

Bild in der Web-Version erstellt von DALL:E

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