Zum Hauptinhalt springen

Liebe Freunde und Freundinnen des interessanten Newsletters,

bitte verzeihen Sie mir die abermalisge Newsletterverschleppung, für die ich unter anderem folgende Ausrede habe: Ich war seit langer Zeit mal wieder unterwegs in der Welt, und die Welt hat mich überfordert. Genauer gesagt war ich in Glasgow, um Jarvis Cocker stammelig und reichlich peinlo zu sagen, dass ich ihm fast alles verdanke, und anschließend in London, um weiterhin distanzlos und fast pausenlos vor Rührung weinend meine bedenkliche Liebe zu den britischen Royals auszuleben, ach nee, Moment: um  für den "Spiegel" journalistisch seriös über der Platinum Jubilee der Queen zu berichten, so war das ja, mein Fehler. 

Ein Bröckchen dieses Newsletters schrieb ich in der perfekten Location, sollte ich einmal den aktuellen Gefängnisaufenthalt von Boris Becker auf low-budget-Basis zu einem erbaulichen Musical verarbeiten wollen: Nämlich aus einem dieser spektakulär schrumpfigen Londoner Hotelzimmer, gegen die sich jedes Tiny House wie eine Mehrzweckhalle ausnimmt, und das auf der Wand links vom Bett knastmäßig grobes Mauerwerk, auf der Wand rechts vom Bett aber halb puffige, halb bischöfliche Stoffversteppungen zeigt. Kein Fenster, klar. Rückblickend hätte ich tatsächlich auch mit vergleichbarem Komfort in meinem Koffer wohnen können, denn ich habe extra den großen mitgenommen, um adäquat viel Queen-Merchandise zusammenramschen zu können. Es ist mir so gut gelungen, dass ich bei der Rückreise bei der Kofferaufgabe am Flughafen das Umschichting of Shame vollführen musste, bei dem ich anderen Leuten so gerne zusehe, vor allem, wenn sie ihr Übergepäck zu reduzieren versuchen, indem sie sich Kleidungsschicht für Kleidungsschicht damit einzwiebeln.

Vor meiner Abreise hoffte ich sehr, dass das 70jährliges Thronjubiläum von Elizabeth II. mit seinen diversen Feierlichkeiten reichlich Royals-liebendes Schrägpersonal anspülen würde, und ich kann glücklich berichten, dass mich  diese Menschen tatsächlich für ein paar Tage in ihrer Mitte aufgenommen haben. Bis auf die grobschlächtigen Irinnen vielleicht, mit denen ich bei der royalen Parade zu "Trooping the Colour" um den besten Platz hinter der Absperrung rangelte. Eine von ihnen war etwa 70 Jahre alt und augenscheinlich hinfällig, und ich fand es extrem inspirierend, wie sie überraschend Krücke und Klappstuhl zurückließ, als die Absperrungen geöffnet wurden und der Ansturm auf die besten Plätze unter dem Balkon des Buckingham Palace begann – sie sprang davon, als hätte Jesus persönlich sie heilend in die Seite gestupst, oder zumindest Alexander Klaws.

Natürlich hatte ich auch einige Aktivitäten in meinen Zeitplan eingewoben, die mehrere leibhaftige Corgis involvierten. Allerdings habe ich seit einiger Zeit den Verdacht, dass die offen zur Schau getragene Vernarrtheit der Königin in diese Hunderasse zwar unbedingt aufrichtig ist, aber eventuell auch ein bisschen ablenken soll von einer weiteren, heimlichen Leidenschaft, die sie im Windschatten der bodennahen, zugluftstopperförmigen Hunde unbehelligt von öffentlicher Neugier ausleben kann. Welches Hobby das sein könnte, darüber denke ich seither nach. 

Ich wünschte mir sehr, es wäre dieses:

Weil ich die Vorstellung einfach wunderschön finde, wie die Queen muffelig ihr dreiviertels fertiges 1000-Teile-Neuschwanstein-Puzzle mit irgendwelchen offiziös aussehenden Papieren abgedecken muss, weil schon wieder einer der 14 Premierminister behelligt, die sie während ihrer Queenschaft erdulden musste.

Auf die Idee mit der minder bekannten Leidenschaft kam ich, weil mir eine Freundin letztens von einem Hobby erzählte, dem Elvis Presley mit großem Enthusiasmus nachging.  Bei ihrem Besuch in Graceland hatte sie auch seine Polizeiabzeichensammlung begutachtet, und tatsächlich war er wohl, was ich nicht wusste, regelrecht besessen vom Leben und Wirken der Ordnungshüter. Angeblich wollte er als Kind nichts lieber, als später einmal selbst als Polizist zu arbeiten, und im Laufe seiner dann ja doch alternativ organisierten Karriere fand er reichlich Gelegenheiten, diese Liebe zum Uniformiertenwesen auszuleben. Er kumpelte sich an Polizisten an und sammelte Abzeichen, die er ihnen abquatschte (wobei er gelegentlich als kleinen Incentive-Booster auch hier und da einen Mercedes verschenkte). Manchmal besuchte er nachts oder an Feiertagen Polizeiwachen, um die Diensthabenden aufzuheitern. Einmal soll er zufällig an einem Verkehrsunfall vorbeigekommen sein und den Polizisten geholfen haben, den Verkehr umzuleiten. Das klappte  dem Vernehmen nach aber nur so lange, bis die Menschen in den Autos merkten, wer da die Kelle schwenkte. Spaßeshalber soll er gelegentlich auch auf privater Basis Tempokontrollen duchgeführt und Raser ermahnt haben.

Meine Lieblingsgeschichte aus dem reichen Schatz seiner Polizei-Eskapaden ist die mit Präsident Nixon und den Drogen. Bei einem Treffen im Oval Office nahm Presley ihn zunächst für sich ein, indem er schlecht über die Beatles sprach: Er unterstellte ihnen eine gefährliche "anti-amerikanische" Gesinnung und massierte Nixon damit wohl in eine behagliche Grundstimmung. Anschließend, so verzeichnet es das offizielle Gesprächsprotokoll, schmähte Presley noch Drogen aller Art, weil deren Einnahme ja sehr gefährlich sei, und glitschte dann sachte in Richtung seines eigentlichen Anliegens: Könnte er, Elvis, sich nicht wunderbar nützlich machen, wenn Nixon ihn ganz offiziell zum Drogenvollzugsbeamten ernennen würde? In dieser Funktion könne er vor allem seinen großen Einfluss auf die Jugend in den Dienst einer sicher segensreichen Nüchternheitspropaganda stellen. 

In Wahrheit spekulierte er natürlich schon lange vor dem Treffen mit dem Präsidenten auf das Abzeichen des "Bureau of Narcotics and Dangerous Drugs", das er zu gerne in seine Sammlung eingespeist hätte. Auch aus ganz praktischen Erwägungen, erzählt Priscilla Presley in ihrer Autobiografie: Damit ausgestattet könnte er – so glaube Presley wenigstens – in jedes beliebige Land einreisen, ohne dabei auf eventuell mitgeführte Drogen untersucht zu werden. Genial.

Nixon rückte den Bagde dann übrigens tatsächlich raus. Sein Gegengeschenk, eine Pistole, konnte Elvis ihm allerdings nicht überreichen – der Secret Service hatte die Waffe schon einkassiert, nachdem Presley das Weiße Haus betreten hatte.

Bis nächste Woche!
Herzliche Grüße
Anja Rützel

2 Kommentare

Möchtest du die Kommentare sehen?
Werde Mitglied von Anja Rützels interessanter Newsletter und diskutiere mit.
Mitglied werden