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Have yourself a merry little Rützmas

Liebe Abonnentin, lieber Abonnent,

der Interessante Newsletter ist back (for good, selbstverständlich) – und ich bedanke mich SEHR bei allen, die ihn trotz längerer Absenz noch lesen mögen. Sie war bedingt durch Trübsal & Malaisen, und ich sichere mir hiermit alle Rechte auf diesen Namen als missgelaunten Spotify Orginal-Podcast, dessen dumpfes Anfangströten ich gleich nach Vollendung dieses Newsletters auf meiner Melodica komponieren werde. Move over, Thaddäus Tentakel.

Um mich zurück in Ihre Gunst zu schmiegen, ist diese Folge extrem serviceorientiert. Und wahnsinnig ehrlich. Ersteres, weil ich Ihnen drei der besten Last-Minute-Geschenke empfehle, die man sich vorstellen kann, die recht wahrscheinlich tatsächlich noch bis Weihnachten ankommen, wenn Sie flugs bestellen, die gleichzeitg auch eine Mini-Liste erfreulicher Produkte und Dinge aus diesem Jahr sind, was wie ja alle gerne lesen, und die ihr überzeugendes Gütesiegel alleine deshalb schon berechtigterweise tragen, weil ich sie allesamt selbst besitze. 2022 hat mir vieles genommen, aber glücklicherweise nicht meine Egomanie, man muss auch die kleinen Dinge zu schätzen wissen.

Ehrlich sind diese Empfehlungen, weil ich jeder von Ihnen einen kleinen Disclaimer voranstelle. Natürlich rein aus Transparenzgründen und nicht etwa, damit ich Sie um den Kerntipp herum auch noch geschwätzig beplappern kann. 

1. Stella Sommer: Silence Wore a Silver Coat (Buback)
Disclaimer: Stella und ich sind befreundet, seit ich sie vor etwa acht Jahren interviewte und glücklicherweise ein Hund zur Cafétüre hereinkam. Das Interview lief nämlich etwas schleppend, aber weil wir beide interessiert zum Hund hinsahen (ich machte, soweit ich mich erinnere, auch ein kleines Geräusch), hatten wir plötzlich ein neues, gemeinsames Gesprächsthema, mit dessen Hilfe wir exzellent bonden konnten, denn natürlich liebt Stella Hunde. Ihre Musik, die sie solo unter ihrem eigenen Namen und in der Bandversion als Die Heiterkeit veröffentlicht, liebte ich schon lange vor unserer persönlichen Bekanntschaft. Während meiner nicht immer freudvollen Zeit bei der Financial Times Deutschland träumte ich davon, dass ich nach meiner Kündigung auf einem dieser großen Müllcontainer thronend in einem triumphalen Abschiedszug durch die egoshootermäßigen Erdgeschossgänge des Gruner + Jahr-Gebäudes am Hamberger Baumwall geschoben würde. Der Container wäre voll mit all dem angeramschten Altpapier und Leergut auf und um meinen Schreibtisch, und hinter ihm her ginge Die Heiterkeit und würde mein Lieblingslied "Alle Mensche (Öffnet in neuem Fenster)n" spielen (mit dem fantastischen Refrain "Alle Menschen mögen mich/Alle Menschen"). Es kam dann leider ganz knapp nicht dazu.

Das Album "Silence Wore a Silver Coat" ist ein Ausflug in ein folkmystisches Universum, das Stella Sommer als erfreulich windverwehte Expeditionsleiterin bereist. Wie bei ihren vorherigen Solowerken ist es auch auf ihrem neuen Album ihr glänzender, dunkel changierender Gesang, der vor wildwachsenden Klanglandschaften leuchtet. Es ist wahr: So hoffnungslos schöne und attitüdelos stolze Popmusik macht sonst niemand in diesem Land. Völlig berechtigt wählten diverse Fachmagazine und Radiosender "Silence Wore a Silver Coat" zum Album der Woche/des Monats/dieses komischen Dreijahresmistjahrklumpens.
Stella Sommer singt vom Nebligen und Verschwommenen und stellt dann mit einer einzigen, fast grausam präzisen Zeile wieder scharf, wie in „A matter of days“, in dem sie das Elend der Menschheit in zwei Zeilen auf den Punkt bringt: „There’s a hole in the world we’ve all climbed through / Raw, naked, bad-advised“.  Wer dieses Album verschenkt, packt auch ein kleines Geheimnis ein: Als freundlicher Trotzgruß an die willfährige Hinterherwerf-Bereitschaft der Musikbranche sind nur die Singles (Öffnet in neuem Fenster) daraus auf Spotify streambar (Öffnet in neuem Fenster), der  Rest entzieht sich der sharebaren Verkachelung von Kunst zu tristen Jahresendcharts-Distinktionszwecken. Wer diese Musik braucht, wird sie auch dann finden, wenn sie sich nicht als nebenbei wegsnackbarer Serviervorschlag aufdrängt.

Kaufen kann man das Album in digitaler Form, als CD und Vinyl. Falls es bei den gängigen Großhökern ausverkauft ist, am besten hier: Bandcamp (Öffnet in neuem Fenster)
2023 erscheint ziemlich sicher Stellas und mein gemeinsamer Käsespätzle & Weinstuben-Guide für Berlin, den können Sie in der Schmuckschuber-Ausgabe dann nächstes Weihnachten verschenken.

2. Elias Hauck (Hrsg.): Ricarda Willimann: Wer war ich? Ein humoristisches Jahrhundertereignis (Die Andere Bibliothek)
Disclaimer: Ich habe für diese Sammlung ebenfalls einen kleinen Text geschrieben, und das war eines meiner Lieblingsprojekte im vergangenen Jahr, weil ich die Idee zu diesem Buch wirklich wahnsinnig lustig finde.


"Hinter jedem erfolgreichen Humoristen steht eine Frau und zwar genau diese eine Frau und diese Frau heißt Ricarda Willimann", steht dieser überfälligen Würdigung einer großen, wenn auch im persönlichen Umgang leicht fregattenhaften Spaßgigantin voran. Ein glücklicher  Sperrmüllfund vor dem Marbacher Literaturarchiv machte diese Werkschau möglich: Tagebücher und Skizzenhefte von Ricarda Willimann erzählen ihre wilde  Biographie, die zugleich auch ein munterer Galopp durch die deutsche Humorgeschichte ist. Die Willimann hinterließ  ihre Spuren in Fernsehstudios und Zeitschriftenredaktionen und beeinflusste dabei alle nachhaltig, die bei drei nicht auf dem Baum waren. Sie dichtete für den "rosaroten Panther", schrieb Punchlines für adventliche Backsendungen mit Peter Alexander und machte David Letterman überhaupt erst möglich. Sie hat Harald Schmidt in die Late Night gedrängt und ist Schuld daran, dass ich im Januar wieder durch die Dschungelcampsümpfe waten muss, statt über vernünftige Dinge zu schreiben. 

Dazu mehr in diesem Buch, denn neben den Selbstzeugnissen der streitbaren Dampframme kommen auch zahlreiche Weggefährt:innen zu Wort, die erstmals Zeugnis davon ablegen, wie sehr diese große, alte Dame des Lachgeschäfts sie prägte. Wigald Boning erinnert sich an ihren letzten TV-Auftritt in seiner von Willimann persönlich konzipierten Sendung "Im Schwitzkasten", in der sich Talkshowgastgeber und Gast nackt in der Sauna begegneten. Margarete Stokowski berichtet, wie ihr die Willimann bei einem Mentoring in einem großen Berliner Kaufhaus einen ihrer Lebensgrundsätze ("Zwei wichtige Dinge aus der Kindheit habe ich mir bis heute bewahrt: das Stehlen und das Lügen.") plastisch nahebrachte, und so weiter.
Man kann sich das alles so lebhaft vorstellen, dass es natürlich eine absolute Frechheit ist, wenn böse Zungen behaupten, all diese Anekdoten und die Willimann selbst sei frei erfunden. Sie wird diesen Leuten beizeiten schön die Ohren langziehen, wartet nur ab.

3. Das Käseabo
Disclaimer: Ich liebe Käse. Ich liebe Käse so sehr, dass ich einmal einen ganzen Tag einer zeitlich eh schon arg verknappten London-Kurzreise damit verplemperte, durch die renommiertesten Käseläden der Stadt zu hetzen, um einen ganz bestimmten Blauschimmelkäse namens "Blue Monday" (im untenstehenden Bild etwa auf 13 Uhr) zu finden, der auf der Farm von Alex James hergestellt wird, der seinerseits in den neunziger Jahren einmal der schönste Bassist der Welt war, nämlich in der Band Blur, die ich noch ein kleines bisschen mehr liebe als Käse, sogar als Morbier.
Ich fand seinen Käse nirgendwo und wähnte mich bereits schon wieder mal als Opfer eines großen Rock'n'Roll Swindles, aber es gelang mir schließlich, ein großes Verkostungspaket von Jameses Milchprodukten
online (Öffnet in neuem Fenster) zu ordern.  Sie schmeckten alle vorzüglich, und ich werde alsbald auch seine neueste Kreation "Grunge" bestellen müssen, weil die Rezensionen schon wieder so hervorragend klingen ("It looked a bit disgusting. However, it my wife Binkie LOVED it! Will be buying for her."). Käserenzensionen – vielleicht DAS Literatur-Genre für 2023, you read it here first.

Für eine (portomäßig zugegebenermaßen auch recht dekadente) Weihnachts-Käsebestellung in UK ist es freilich zu spät. Aus eigener Verschmackofatzung kann ich aber wärmstens die Produkte des Onlinekäseladens okäse empfehlen. Seinen Käse-Adventskalender habe ich leider zu spät entdeckt, habe ich aber für nächstes Jahr definitiv auf dem Zettel. Okäse bietet neben diversen Paketen und frei kombinierbaren Sorten auch ein Käseabo (Öffnet in neuem Fenster) an, und das wäre tatsächlich ein Geschenk, über das ich mich wahnsinnig freuen würde.
Und weil das hier der Interessante Newsletter ist,  weise ich bonusmäßig noch auf das  fantastische Lied "Ich leg' mein Geld in Käse an (Öffnet in neuem Fenster)", geschrieben und performt vom Duo Die Mausis (Öffnet in neuem Fenster), das aus, na so ein Zufall, Stella Sommer und Max Gruber aka Drangsal besteht. Drangsal widerum war vor seinem großen Popstardurchbruch übrigens eine Zeitlang der Hundesitter von Juri, doch dazu ein andermal mehr.

Bis zum nächsten Mal,
herzliche Grüße!
Anja Rützel

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