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Es ist Montagmorgen. Du liest die Blaupause, den Newsletter, mit dem du Communitys besser verstehst und erfolgreich Mitgliedschaften anbietest. Heute: So erreichst du neue Leute mit bestehenden Inhalten.
Hallo!
Anfangs war die Idee ziemlich … rudimentär. Das Projekt, aus dem Steady werden sollte, hieß noch Ypsilon, denn Projekt X war der Arbeitstitel des Krautreporter-Magazins gewesen. Wie genau sollte das gehen? Marketing? Finanzierung? Und, äh, der Rest? Es war schnell klar, dass wir einen Mitgründer brauchten, der sowas schon mal gemacht hatte: ein Tech-Start-up hinbekommen.
Gabriel Yoran habe ich in einem ruckeligen Skype-Fenster kennengelernt. Er lebte 2016 noch an der amerikanischen Ostküste, promovierte vor sich hin und verstand intuitiv, was wir vorhatten, wahrscheinlich besser als wir selbst. Wir merkten schnell, dass der Frankfurter Harfensohn (Opens in a new window) perfekt zu unserem Projekt passte: Blitzschlau, intellektuell, lustig – und gleichzeitig durch und durch Unternehmer.
Wer sonst versteht schon was von BWL und hat gleichzeitig einen PhD in Philosophie? Bei wem läuft ununterbrochen unentdeckte klassische Musik auf dem Macbook, während er Excel-Formeln bastelt? Wer veröffentlicht seine Wortspiel-Tweets in Buchform und sammelt gleichzeitig Millionenfinanzierungen ein? Es ist wirklich sehr unterhaltsam, daneben zu sitzen, wenn Gabriel denkt, formuliert und assoziiert. Eklektisch würde ich das Ergebnis nennen; seine Persönlichkeit drückt sich in Texten aus, in Theorien und in Unternehmen.
Für mich ist das Schreiben ein Kraftakt. Aus Gabriel dagegen fließt der Text unaufhörlich heraus, scheinbar mühelos. Sein Hochleistungshirn braucht, um ausgelastet zu sein, Stimulation durch möglichst unterschiedliche Parallel-Beschäftigungen. Multitasking ist bei ihm ein unfairer Vorteil, um im Start-up-Jargon zu bleiben. Dass er Dinge gleichzeitig macht, ist kein Bug, sondern ein Feature. Er ist Kreativitätssprudel, verfügt über einen zuverlässigen Business-Bauch und ist gleichzeitig ein netter Mensch.
Oder wie er selbst vielleicht sagen würde: What’s not to like?

So erreichst du neue Leute mit den bestehenden Inhalten
von Gabriel Yoran (Opens in a new window)
Durch meine Arbeit als Mitgründer der Medienplattform Steady habe ich nicht nur viele Medienmacher:innen, vor allem Schreibende, kennengelernt, ich wurde auch selber einer. Das heißt, ich schreibe regelmäßig für meinen Newsletter „Schleichwege zur Klassik“ (Opens in a new window), in den letzten Jahren etwa monatlich längere Texte für Krautreporter (Opens in a new window), ab und zu noch etwas für das Medienkritikmagazin Übermedien (Opens in a new window), die taz (Opens in a new window) und einmal für die Kulturzeitschrift Merkur (Opens in a new window). Und dann noch im Schnitt alle anderthalb Jahre ein Buch (Opens in a new window).
Wenn ich das so runterschreibe, klingt das nach viel Arbeit – und das für eine Tätigkeit, die nicht unbedingt dafür geeignet ist, verlässlich ausreichende Einnahmen zum Leben zu generieren.
Vom Schreiben leben zu können, ist sehr unwahrscheinlich. Die meisten Journalist:innen sind Freischaffende und die meisten in Deutschland erscheinenden Bücher verkaufen sich weniger als 100 Mal. Viele schreibende Menschen haben eigentlich andere Jobs, ich auch. Wenn man Glück hat, kann man beide Tätigkeiten gut miteinander vereinen – in meinem Fall hat mir meine Arbeit bei Steady nicht nur die Einnahmen, sondern auch die Kontakte (und damit Inspiration und Zuspruch) verschafft, die mir das Schreiben überhaupt erst ermöglichen. Das war kein Plan, sondern eine glückliche Fügung. Wenn man beim Mittagessen mit Journalist:innen zusammensitzt (was passiert, wenn man sich ein Büro teilt), kann man über Themenideen sprechen und bekommt gleich einen Eindruck davon, ob das die Leute interessiert, deren Job es ist, zu wissen, was die Leute interessiert.
Fürs Schreiben muss man sich Zeit nehmen, weshalb man weniger Zeit für den sicher(er) bezahlten Job hat. Ich habe zum Beispiel jahrelang eine Viertagewoche gehabt, um Zeit zum Schreiben zu haben. Da aber die Miete nicht billiger wird, muss man mit dem Schreiben doch etwas verdienen, wofür es heute, auch dank Systemen wie Steady, etliche Möglichkeiten gibt. Eine wichtige Erkenntnis aus mittlerweile sieben Jahren regelmäßigen Schreibens möchte ich heute teilen. Sie klingt banal, ist aber wahr: Du kannst (und solltest) deine Texte mehrfach verwerten.
Als mich die Krautreporter-Redaktion um einen Artikel für den Einstieg in die Welt der klassischen Musik bat, lehnte ich erst brüsk ab, weil ich das für ein anmaßendes Unterfangen hielt. Dann mach doch einen Mehrteiler draus, hieß es. So kam es, dass wir nach einem Jahr zehn Texte hatten, für die ich jeweils einerseits ein Honorar bekommen habe und andererseits die Verwertungsrechte an ihnen behalten durfte. Das ist die Regel bei den Krautreportern und es ist wichtig, denn in der Folge passierte dieses: Im Sommer 2020 experimentierte die Redaktion mit Buchfassungen von Artikeln, auch aus meiner Klassikreihe wurde ein Buch, „Klassik verstehen (Opens in a new window)“.

Das Buch erschien im Selbstverlag, vertrieben über BoD, Books on Demand. Da die Krautreporter-Artikelreihe von einem Newsletter begleitet wurde, der auf neue Artikel hinwies, konnten wir über eben diesen Newsletter auf das Buch hinweisen und würden Leute erreichen, die sich für das Thema interessieren – und das Buch vielleicht auch kaufen und ggf. verschenken würden. Zudem waren Medienleute unter den Newsletter-Abonnent:innen, die dann wiederum in ihrem Medium das Buch erwähnen konnten.
Das war für mich damals eine verblüffende Erkenntnis: Praktisch die gleichen Texte bekommen, sobald sie gebunden und auf Papier erscheinen, eine neue Relevanz. Sie sind dann nämlich erstens neu für Leute, die lieber Bücher als Onlinemagazine lesen. Und sie erzeugen ein Ereignis, für das es mediale Formate gibt, nämlich die Buchveröffentlichung. Es gibt unzählige Print- und Radioformate, in denen neue Bücher vorgestellt werden, nicht aber neue Artikel in einem Onlinemagazin. Es ist merkwürdig, es ist irgendwie altmodisch, aber so ist es. Ein neues Format, eine neue Darreichungsform, des gleichen Inhalts, erreicht neue Leute und genau das will man als Autor:in doch: neue Leute erreichen!
So erschien also das Buch „Klassik verstehen“ und das für mich zumindest unerwartete Interessen motivierte mich, den Newsletter „Schleichwege zur Klassik (Opens in a new window)“ zu starten, um dort quasi die Krautreporter-Klassikreihe zu verlängern. Da ich mittlerweile wusste, dass Texte mehrfach erscheinen können, ohne dass man sich dafür zu schämen bräuchte, fragte ich mich: All die schönen Newslettertexte, könnten die nicht nochmal in anderer Form erscheinen? Ich dachte an einen Podcast, weil es ja viel naheliegender ist, über Musik zu sprechen und sie dann gleich einzuspielen, als darüber zu schreiben und YouTube-Videos zu verlinken.

Aus dem Podcast wurde leider nichts, weil die Musikrechte für mich als Einzelperson zu teuer waren und die Öffentlich-Rechtlichen, mit denen ich darüber sprach (weil die nämlich die Rechte haben), nicht ausreichend Gefallen an der Idee gefunden hatten – die wollten mich lieber als Moderator für eine Klassik-Radiosendung, aber mein Argument, dass ich dort nur zu den (zur Klassik) Bekehrten predigen würde, zog nicht. Warum auch, Radio ist ein durchformatiertes Medium und Klassikinteressierte schalten halt bestimmte Sender zu bestimmten Zeiten ein.
2023 lernte ich dann eine Verlagsmanagerin Birgit Schmitz kennen, die im Nebenjob als Literaturagentin arbeitet. Sie schlug eine Neuauflage des Klassikbuchs „bei einem richtigen Verlag“ vor. Sie schlug den Insel-Verlag vor und dort stieß ich auf überraschend offene Ohren. Das war nicht selbstverständlich, denn nur zwei Jahre zuvor hatten namhafte Verlage das Klassikbuch schon mal abgelehnt, wegen der hässlichen QR-Codes im Text, über die man die Musikbeispiele aufrufen konnte. Bei „der Insel“, wie der Verlag sich selbst nennt, hatte man diese Bedenken nicht. Und mein Vorschlag war, nicht einfach das Krautreporter-Klassikbuch neu aufzulegen, sondern es mit ausgewählten Texten aus meinem Newsletter anzureichern – sodass diese Texte auch nochmal ein neues Publikum bekommen. Meine Insel-Lektorin bat noch um ein weiteres, ganz neues Kapitel.
Gesagt, getan, im Herbst 2024 erschien dann das Buch „Schleichwege zur Klassik (Opens in a new window)“ und die PR-Abteilung von Insel/Suhrkamp konnte zeigen, was sie drauf hat (einiges). In dem Insel-Buch wiederum weise ich auf den gleichnamigen Newsletter hin, der durch die Buch-PR auch einige neue Leser:innen und zahlende Mitglieder gewonnen hat.

Das alles ergab sich einfach so, aber jetzt, wo ich weiß, dass es so laufen kann, versuchte ich es beim nächsten Mal mit Absicht: Eine Artikelreihe und ein Buch parallel zu schreiben. Die Artikelreihe, um möglichst früh Feedback zu erhalten und um diszipliniert zu werden von einer Redaktion, die jeden Monat einen neuen Text erwartet, und das Buch, um die Aufmerksamkeit der Buchwelt zu bekommen, die noch immer ganz anders ist als die der Onlinepublikationen.
Mein neues Buch „Die Verkrempelung der Welt (Opens in a new window)“ gäbe es nicht, wenn ich nicht erst zehn Monate lang jeden Monat einen Text in meiner gleichnamigen Krautreporter-Reihe (Opens in a new window) geschrieben hätte. Da ich der Krautreporter-Redaktion (und dort insbesondere Theresa Bäuerlein) sehr dankbar dafür bin, meine Ideen in Form zu halten und die Texte nicht ausufern zu lassen, habe ich mit Krautreporter von Anfang eine Umsatzbeteiligung an den späteren Buchverkäufen angeboten. Auch mit dem Suhrkamp Verlag habe ich diese Vorgehensweise abgestimmt: Zehn Texte mit zehn Deadlines mit zehn Mal Feedback sind für mich leichter zu stemmen als ein Buch mit einer Deadline. (Ich wusste von meiner Promotion, wie zermürbend es ist, solange nicht zu wissen, ob ein Text funktioniert, weil so wenige Leute ihn während der Produktion kennen.)

So. Letzten Monat erschien dann also die „Verkrempelung der Welt“ in der Edition Suhrkamp, deutlich überarbeitet und gegenüber den Onlinetexten erweitert, mit einiger Medienresonanz, einem Auftritt in dem großen Podcast „Apokalypse und Filterkaffee: Heimspiel“ und einem Premierenevent im Berliner „Museum der Dinge“. All dies kenne ich nicht für neue, online erschienene Texte. Und dabei scheint es keine Rolle zu spielen, dass die schiere Anzahl der Leser:innen im Web größer ist als die eines Buchs, das ja immerhin 22 Euro kostet.


Die Takeaway-Message ist die: Schreiben ist Arbeit und mit dem Geschriebenen möglichst viele unterschiedliche Publika (das sind die Publikumse) zu erreichen, ist wichtig – nicht nur, weil man ja Resonanz haben möchte als Autor:in, sondern auch, weil man damit ja Geld verdienen will. Aus der eigenen Arbeit also mehr rauszuholen, indem man sie in verschiedenen Medienformen publiziert, ist eine gute Idee, von der am Ende alle profitieren.◾
Gabriel Yoran ist Unternehmer, Autor und Berater. Er gründete neben Steady auch die Sicherheitssoftware-Firma Steganos (Opens in a new window) (da war er 17) und das mobile Social Network aka-aki. Gabriel promovierte in Philosophie und schreibt regelmäßig für allerlei Medien. Seine Bücher verbinden technologische, kulturelle und gesellschaftliche Themen.
Bis nächsten Montag!
👋 Sebastian
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Oliver Kuhn, DJS-Absolvent (34. Jahrgang), ehemaliger Chefreporter beim Playboy und langjähriger verlegerischer Geschäftsführer der Münchner Verlagsgruppe (heute Teil von Bonnier wie Piper, Ullstein, Carlsen), hat den größten deutschen Sachbuchverlag mitaufgebaut. Unter seiner Leitung erschienen über 5.000 Titel, darunter Hunderte Spiegel-Bestseller. Als Autor verkaufte er selbst über eine Million Bücher. Heute führt er zusammen mit einer ehemaligen Kollegin YES Publishing – und lässt in einer offenen Gesprächsrunde hinter die Kulissen blicken.
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