Kurze Pause, viele neurechte Erzählungen
Hallo,
wir hoffen, du hattest einen guten Start in 2025!
Wir sind aus der kurzen Winterpause zurück und wollen heute zusammenkehren, was in den zurückliegenden beiden Wochen passiert ist.
Ganz aktuell hat Mark Zuckerberg für sein Unternehmen Meta angekündigt, es stärker nach dem Modell von Elon Musks X ausrichten zu wollen. Faktenchecks werden dafür beispielsweise künftig wegfallen. Das Center für Monitoring, Analyse und Strategie (Abre numa nova janela)schreibt dazu auf Instagram: “Unter dem Schlagwort ‘freedom of expression’ behauptet Zuckerberg in seiner Nachricht, demokratische Regierungen und die ‘legacy media’ hätten die Zensur der freien Meinungsäußerung in den vergangenen Jahren vorangetrieben - und reproduziert damit eins der zentralen rechtsextremen Narrative.”
Der rechtsextreme Influencer Martin Sellner habe bereits nach der Übernahme von Twitter durch Musk die Hoffnung geäußert, dass auch andere Plattformen ihre Regeln lockern und rechtsextreme Agitation wieder möglich sei.
Doch das war nicht die einzige demokratische Enttäuschung in den vergangenen Wochen. Wir haben einige für dich zusammengestellt - kein Anspruch auf Vollständigkeit.
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Darum geht’s diese Woche
Wir wollen heute ein paar Schlaglichter auf Themen werfen, die in zwei Wochen Newsletter-Pause passiert sind.
Elon Musk mischt sich ein.
Da gab’s kein Vorbeikommen: Der Tesla-Chef und vermutlich reichste Mann der Welt beleidigte nicht nur online noch-Kanzler Olaf Scholz als unfähigen Trottel (Abre numa nova janela), der sofort abtreten sollte, vor allem seine Wahlempfehlung für die AfD, gedruckt von der Welt am Sonntag (Abre numa nova janela), machte Schlagzeilen. Aber darüber wurde schon alles geschrieben.
Interessant: Deutschland ist längst nicht das einzige Land, in das sich Musk politisch derzeit einmischt. Er ist mit vielen mächtigen und reichweitenstarken Akteur:innen aus dem extrem rechten Spektrum verbunden – von Politiker:innen bis Influencer:innen.
Musk unterhielt beispielsweise lange Kontakt mit dem britischen Rechtspopulisten Nigel Farage und unterstützte ihn, angeblich wollte er ihm viel Geld spenden (bis zu 100 Millionen US-Dollar), zuletzt aber wandte er sich gegen ihn. Farage habe laut Musk nicht (Abre numa nova janela), was es brauche und dessen rechtspopulistische Reform UK Partei solle einen neuen Vorsitzenden wählen.
Außerdem ist Musk mit der Postfaschistin Giorgia Meloni bekannt. Passend dazu: Derzeit spekulieren Medien über eine Milliarden-Investition von SpaceX in Italien.
Musk unterstützte auch den rechtsextremen Jair Bolsonaro in Brasilien und er vergrößert auf X immer wieder extrem rechte Kanäle und Akteur:innen.
Wir haben schon einmal über eine Studie (Abre numa nova janela) des Institute for Stratetic Dialogue dazu geschrieben. Das hatte sich das Verhalten Musks in den Monaten vor und nach seiner Übernahme von X angeschaut. Vor der Übernahme interagierte Musk kaum mit “right-wing”-Medien oder -Accounts. Danach nahmen seine Interaktionen laut ISD aber um 1690 Prozent zu - jede fünfte seiner Interaktionen entfielen im Untersuchungszeitraum auf rechte Akteur:innen. Das ISD schreibt: “Obwohl er behauptet, Twitter solle ‘politisch neutral’ sein, […] scheint Musk viel Zeit damit zu verbringen, mit reaktionären und rechtsextremen Accounts zu interagieren und diese zu pushen.”
Mittlerweile kann es durchaus als Möglichkeit betrachtet werden, dass Musk den Plan von Steve Bannon vorantreibt, dem ehemaligen Trump-Berater, eine “rechte Internationale (Abre numa nova janela)” aufzubauen. Ein Netzwerk von extrem rechten Parteien und Akteur:innen, das sich gegenseitig unterstützt und einen politischen Umsturz in ihrem Sinne vorantreibt.
Das erklärt auch die Journalistin und Autorin Annika Brockschmidt im Deutschlandfunk (Abre numa nova janela): Die Neue Rechte nutze die transnationale Vernetzung, um voneinander zu lernen und den eigenen Einfluss auszuweiten. Und zu Musk meint sie, dass sein Verhalten längst nicht mehr nur mit Business-Interessen erklärt werden können: “Seine politischen Ambitionen gehen weit darüber hinaus und sind mittlerweile nahezu komplett ideologisch geprägt.”
Das zeigten seine rassistischen, rechtsextremen und misogynen Äußerungen. Für eine kurze Zeit hatte Musk gerade erst auf X sein Profilbild und Namen geändert – in Kekius Maximus mit dem Profilbild des Pepe-Memes, einem rechtsextremen Symbol (Abre numa nova janela). Das kann durchaus als Zugehörigkeit gedeutet werden.
Musk und Alice Weidel
Gerade fokussiert sich Musk auf Deutschland. Neben der Wahlempfehlung für die AfD, bietet er der in Teilen gesichert rechtsextremen Partei noch eine weitere große Bühne: Diese Woche ist ein Gespräch zwischen ihm und Alice Weidel - natürlich live auf X geplant. Laut Weidels Pressesprecher soll es um “Meinungsfreiheit und die Vorstellungen der AfD für ein zukunftsfähiges Deutschland” gehen.
Sprachlich interessant ist, was Weidel dazu auf dem Kurznachrichtendienst geschrieben hat: “The Alternative for Germany is indeed the one and only alternative for our country; our very last option (Abre numa nova janela).”
Das “Kernargument des Populismus (Abre numa nova janela)”. Es ist ein Dreiklang:
Ein Untergang wird beschworen
Die ersehnte Rettung kann nur erfolgen, wenn Populist:innen an die Macht kommen
Daraus folgt: Die Populist:innen sind DIE EINZIGE RETTUNG für die Gesellschaft / das Land. Sie müssen an die Macht kommen.
Alice Weidel schreibt das lehrbuchartig, wenn sie die AfD “our very last option” nennt. Zwar schreibt sie nicht von Untergang, der ist aber implizit. Rettung kann in dieser rhetorischen Konstruktion nur erfolgen, wenn die Populist:innen an die Macht kommen. Das Kernargument lautet hier also: Die AfD ist die einzige Rettung vor dem Untergang und muss deshalb an die Macht kommen.
Beinahe untergangen ist an dieser Stelle noch, wer sich ebenfalls für ein Treffen mit Musk beworben hat: Christian Lindner (Abre numa nova janela). Der FDP-Chef schrieb auf X, er habe sich politische Inspiration bei Musk und Javier Milei geholt und lade deshalb Musk ein. Geantwortet hat der aber nicht.
Die Übernahme rechter Narrative geht weiter
Wir haben schon oft darüber geschrieben: Die Übernahme extrem rechter Ideen und Forderungen führt nicht dazu, dass sich überzeugte AfD-Wähler:innen umentscheiden und für etablierte Parteien mit AfD-Positionen stimmen. Nein, es führt dazu, dass extreme AfD-Forderungen normalisiert werden im politischen Ideenwettbewerb. Auf diese Weise wird die AfD und ihre Positionen als demokratische Alternative wahrgenommen – das sogenannte Mainstreaming (Abre numa nova janela).
Dazu trägt derzeit die CDU/CSU-Union einmal mehr in Form zahlreicher Personen bei.
Im Interview mit der WamS (Abre numa nova janela) forderte Kanzlerkandidat Friedrich Merz gerade erst, kriminelle Menschen mit zwei Staatsbürgerschaften die deutsche Staatsangehörigkeit zu entziehen. Er sagt: “Es müsste […] eine Aberkennung der deutschen Staatsbürgerschaft möglich sein, wenn wir erkennen, dass wir bei straffällig werdenden Personen einen Fehler gemacht haben.”
Eigentlich regelt das Grundgesetz (Abre numa nova janela), dass die deutsche Staatsangehörigkeit “nicht entzogen werden darf”. Da steht aber auch: “Der Verlust der Staatsangehörigkeit darf nur auf Grund eines Gesetzes und gegen den Willen des Betroffenen nur dann eintreten, wenn der Betroffene dadurch nicht staatenlos wird.” Das bedeutet, theoretisch ist der Vorschlag von Merz möglich, wenn auch unwahrscheinlich. Hier (Abre numa nova janela) hat Chan-jo Jun ein Video dazu veröffentlicht, darin erklärt der Anwalt das Für und Wider.
Am Ende geht Jun darauf ein, dass die Union einen AfD-Take übernommen hat - in großem Stil. Menschen mit deutscher Staatsbürgerschaft ausbürgern, das ist Bestandteil der “Remigrations”-Pläne der AfD, die durch die Correctiv-Recherche vor rund einem Jahr öffentlich geworden sind. Die Union will also das Grundgesetz ändern, um Deutsche ausbürgern zu können. Das war einer der Gründe, wieso Millionen Menschen 2024 gegen die AfD auf die Straße gegangen sind.
Gilda Sahebi, die Journalistin und Politologin, schreibt dazu auf Bluesky (Abre numa nova janela): “Friedrich Merz will die völkische Unterscheidung zwischen ‘Passdeutschen’ und ‘echten’ (Bluts-)Deutschen ganz offiziell legalisieren. Menschen mit deutscher Staatsangehörigkeit, aber ohne deutsches ‘Blut’, sollen für immer Deutsch auf Bewährung sein. Das ist Remigration. Nur mit anderen Worten.“
Kristina Schröder
Die Unions-Show geht weiter mit der ehemaligen Familienministerin Kristina Schröder. Sie war bei Nius zu Gast. Über das “Alternativmedium (Abre numa nova janela)” hat Medienkritiker Stefan Niggemeier geschrieben (Abre numa nova janela), dass es nicht nur nicht seriös arbeite, sondern dass es sich Dinge ausdenke, abschreibe und Menschen bloßstelle, dass es Tatsachen verdrehe und in manchen Formaten “offenkundig nicht die Produktion von Journalismus, sondern von Wut” das Geschäft sei und eine eindeutige politische Agenda verfolgt werde.
Niggemeier schreibt deshalb: “Wer mit ‘Nius’ redet, trägt dazu bei, diese Form der Propaganda zu normalisieren. Wer mit ‘Nius’ redet, demonstriert damit, dass ihn Hass und Hetze nicht stören, wenn es nur den politischen Gegner trifft. Wer mit ‘Nius’ redet, verschafft diesem Medium Aufmerksamkeit und den Anschein von Satisfaktionsfähigkeit.”
Kristina Schröder jedenfalls hat mit Nius gesprochen und dort unter anderem die CDU-Brandmauer angegriffen. Diese sei “antifaschistische Pose” und “bringt uns nicht weiter”, weil Brandmauern Menschen ausschließen würden. Und das wolle Schröder nicht. Sie plädiert stattdessen für inhaltliche rote Linien. Sie betont aber auch, dass sich die AfD radikalisiert hat und eine Zusammenarbeit derzeit nicht möglich ist.
Dennoch wiederholt sie hier eine neurechte Erzählung, wonach die etablierten Parteien mit ihrer Brandmauer AfD-Wähler:innen ausschließen würden - und das sei undemokratisch. Nius hat diese Aussage Schröders auch zur Überschrift des Beitrags gemacht.
Das Ziel der Brandmauer ist aber nicht, Wähler:innen auszuschließen, sondern eine in Teilen gesichert rechtsextreme Partei vom politischen Machtzentrum fernzuhalten. Das schreibt die CDU auch in einem Beschluss (Abre numa nova janela): “Die CDU lehnt jegliche Koalitionen oder ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit der AfD ab. Die CDU wird alle zur Verfügung stehenden Möglichkeiten nutzen, diesen Beschluss durchzusetzen.” Denn die AfD sei eine Partei, die “rechtsextremes Gedankengut, Antisemitismus und Rassismus in ihren Reihen bewusst duldet”.
Wenn sich Schröder bei Nius gegen die von ihrem Parteichef hingestellte Brandmauer positioniert, stärkt sie die AfD-Erzählung von undemokratisch agierenden etablierten Parteien.
Ganz ähnlich hat sie schon einmal in ihrer Kolumne (Abre numa nova janela) für die Welt argumentiert, als sie AfD-Politiker:innen als “zweifelsohne demokratisch gewählt” bezeichnete - weshalb sie wie andere Parlamentarier:innen behandelt werden sollten. Ganz ähnlich betont die AfD selbst immer wieder, dass sie “demokratisch gewählt (Abre numa nova janela)” und damit demokratisch legitimiert sei.
Carsten Linnemann
Und noch ein drittes Mal CDU: Generalsekretär der Christdemokraten, Carsten Linnemann, hat nach dem Anschlag von Magdeburg in einem Interview (Abre numa nova janela) mit dem Deutschlandfunk ein Register für psychisch kranke Gewalttäter:innen gefordert.
Im Laufe des Gesprächs sagte er aber auch: “Es reicht nicht aus, Register anzulegen für Rechtsextremisten und Islamisten, sondern in Zukunft sollte das auch für psychisch Kranke gelten” (Anm. d. Red.: also ohne “Gewalttäter:innen”).
Daraufhin gab es viele empörte Reaktionen (Abre numa nova janela), die auf historisch finstere Parallelen hinwiesen. Linnemann selbst erklärte, dass er sich mit seiner Forderung nach einem Register nur auf psychisch kranke Gewalttäter:innen bezog - und nicht auf psychisch Kranke generell.
Wohl auch deshalb hat Linnemann seinen Vorschlag mittlerweile in einem Artikel ausformuliert (Abre numa nova janela). Im Kern wiederholt er darin seine Forderung nach dem Register, aber darauf wollen wir hier nicht weiter eingehen. Denn Linnemann geht es eigentlich um “einen Politikwechsel bei der Inneren Sicherheit”. Er nimmt Magdeburg als Anlass für die Forderung, “dass der Rechtsstaat sein Sicherheitsversprechen einlöst”.
Laut Linnenmann muss “Deutschland wieder sicherer werden”.
Damit ist der CDU-Politiker nicht weit entfernt von Weidels Untergangserzählung, die wir oben beschrieben haben. Dass es mit Deutschland bergab gehe und nur ein sofortiger politischer Wandel das Land retten könne. Auch die AfD bedient dieses Narrativ immer wieder, dass Deutschland vor allem durch Zuwanderung unsicherer geworden sei.
In Wahrheit ist Deutschland in den letzten Jahren sicherer geworden - die Menschen empfinden es allerdings anders.
Im MDR (Abre numa nova janela) erklärt es Kriminalforscher Frank Asbrock so: “Die registrierte Kriminalität, also das, was sich in der Polizeilichen Kriminalstatistik abbildet, was der Polizei gemeldet wird, ist seit Jahrzehnten rückläufig. […] Tatsächlich ist Deutschland sicherer geworden. […] Im Vergleich zu anderen Dingen aber ist der Einfluss der tatsächlichen Kriminalität auf das Sicherheitsgefühl gering.” Wesentlich mehr Einfluss habe die allgemeine Bedrohungswahrnehmung - die Sicht also, dass die Welt ein gefährlicher Ort sei.
Ebenfalls wichtig sind laut Asbrock die politischen Reaktionen auf Gewalttaten von Menschen mit Migrationsgeschichte. Wenn Politiker:innen daraufhin Grenzschließungen fordern, werden der Bevölkerung “Ausländer:innen als Problemgruppe präsentiert”. Dabei handle es sich um eine heterogene Gruppe, die homogenisiert werde und von der dann gesagt werde: “Wenn wir sie nicht mehr hereinlassen, dann verschwinden diese Probleme.”
Dahinter steht eines der erfolgreichsten Desinformationsnarrative (Abre numa nova janela) unserer Zeit: die Verknüpfung von Kriminalität und Migration, die vor allem die AfD seit Jahren gebetsmühlenartig herstellt. Darin steckt immer die gleiche Aussage: Die (andere) Herkunft, Kultur, Religion sind Ursachen für Gewalt. Weitere Faktoren werden vollkommen ausgeblendet.
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