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Rechte Einstellungen in der Arztpraxis – ein Erfahrungsbericht

Der Umgang mit extremen politischen Einstellungen betrifft alle Bereiche der Gesellschaft, beruflich wie privat. Als heutigen Gastautor habe ich Malte Hofbauer gebeten, mir seine Erfahrungen diesbezüglich zu schildern. Malte hat eine Hausarztpraxis im ländlichen Raum. Um mögliche negative Reaktionen zu vermeiden, ist Malte Hofbauer ein Pseudonym. Sein echter Name ist mir bekannt, sein Arbeitsort ebenso.

In meiner Zeit in verschiedenen Arztpraxen merkte ich recht schnell, dass bestimmte Entwicklungen oft in Echtzeit erfahrbar werden. Jede Krankheitswelle, sei es im Rahmen der Covid19-Pandemie oder ein normaler Erkältungs- oder Magen-Darm-Virus, findet im Praxisalltag sofort einen Niederschlag.

Ähnlich ist es mit gesellschaftlichen Stimmungen. In eine Hausarztpraxis kommen Menschen aller sozio-ökonomischen Schichten, aller Bildungsstände und selbstverständlich auch verschiedener Nationalitäten, sodass auch gesellschaftspolitische Fragestellungen immer wieder ihren Schatten auf die Gespräche im Sprechzimmer werfen. Hier im ländlichen Raum sind dies vor allem Fragen, die sich um Geld drehen (bzw. das Fehlen desselben), um den Aufstieg des Rechtspopulismus und um Migration. Das Großthema „Pandemie“ hat seine besten Zeiten hinter sich. Als Arzt musste ich, ganz unabhängig vom Thema, gewisse Strategien entwickeln, um mit diesen Sorgen umzugehen. Davon handelt dieser Text.

Erstaunlich lange blieb ich von eindeutig rechtsextremen Einstellungen unbehelligt. Bis zum Abitur bewegte ich mich in einem klar linken bis linksliberalen Umfeld und rassistische oder antisemitische Kommentare kannte ich nur aus dem sich gerade etablierenden Internet. Im Netz konnte ich überlegen, wie ich antworte und war keiner Diskussion abgeneigt, entwickelte aber keinen Umgang für Offline- Gespräche, in denen es auf die richtige Reaktion und das entsprechende Timing ankommt.

„Ein guter deutscher Name!“

Die erste Situation, die mich unvermittelt traf: Als Student stellte ich mich für ein Praktikum bei der entsprechenden Chefarztsekretärin in einer allseits bekannten Großstadtklinik vor. Sie bemerkte, nachdem ich meinen Namen genannt hatte: „Ein guter deutscher Name!“ Mir war das ausgesprochen unangenehm, aber mir fiel kein angemessener Umgang damit ein. Erschwerend kam hinzu, dass ich die nächsten 4 Wochen in einem Abhängigkeitsverhältnis mit diesem Sekretariat stehen würde, also sagte ich nichts.

Über die Jahre gab es immer wieder ähnliche Begebenheiten, vor allem mit Patienten. Mit abnehmender Abhängigkeit wurde meine Reaktion zunehmend sicherer. Hinzu kommt: Die meisten dieser Äußerungen sind eher subtiler Natur, sodass auch die Antwort nicht allzu scharf ausfallen muss. Auf Anhieb fällt mir insbesondere eine Ausnahme ein:

Ich war Assistenzarzt in einer chirurgischen Praxis, irgendwo in der brandenburgischen Provinz. Weil gerade nicht viel für mich zu tun war, saß ich am Tresen und bearbeitete Befundanforderungen (Schwerbehindertenanträge u.Ä.). Neben mir saßen zwei medizinische Fachangestellte (MFAs) und waren ähnlich motiviert, als ein Patient an den Tresen trat. Ich kannte ihn flüchtig, er wollte seine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verlängern lassen. Mein Blick fiel auf seine auf dem Tresen liegende Hand. Ich musste zweimal hinsehen, aber es blieb dabei: Er trug einen Ring mit SS-Emblem.

Innerlich kochend, äußerlich um Ruhe bemüht, bat ich ihn in einen separaten Raum und bedeutete ihm, Platz zu nehmen. Dies tat er und sah mich fragend an, woraufhin ich ihm erklärte, dass der Ring, den er trug, strafrechtlich relevant sei und ich, sollte ich ihn noch einmal damit sehen, unverzüglich die Polizei rufen würde. Nun war ich gespannt auf seine Reaktion, aber viel geschah nicht mehr: er begann, sich wortreich zu entschuldigen („Ich wusste gar nicht, dass ich den noch trage“), zog den Ring ab und versprach, sich nie mehr damit blicken zu lassen, was er auch einhielt.

Ansprechen, nachfragen

Ganz ähnlich verlief ein Vorfall, der sich kürzlich zutrug. Leider kommt es ab und zu vor, dass einzelne Patienten mit Bekleidung in der Praxis erscheinen, die eine Nähe zum Rechtsextremismus nahelegt. Ob ich in diesen Fällen etwas sage, ist abhängig von vielen verschiedenen Faktoren, beispielsweise von der Auslastung des Wartezimmers. Nicht oft habe ich zeitliche Kapazitäten für politische Diskussionen...

Dieser Fall jedoch war eindeutig und ließ keinen Platz für Graustufen, das T-Shirt war eindeutig rechtsextrem und längst kein Verdachtsfall mehr.

Ich sah, dass der Patient einige Wochen zuvor im Krankenhaus gewesen war, der behandelnde Assistenzarzt hatte, dem Namen nach, orientalische Wurzeln. Also lenkte ich das Gespräch auf den Krankenhausaufenthalt, ob man ihm geholfen hätte und ob er zufrieden mit der Behandlung gewesen sei. Alles wurde bejaht.„Der behandelnde Kollege, mit dem Sie ja offenbar zufrieden waren, war Dr. xyz. Da wundere ich mich aber über Ihr T-Shirt.“

„Naja, nur weil das da draufsteht ist man ja nicht gleich rechtsextrem.“

„Die Motive sind aber rechtsextrem.“

„Ja, gut, die Motive. Aber... eigentlich ist das nur mein Arbeits-T-Shirt, ich stehe da gar nicht dahinter.“

„Dann fällt es Ihnen doch bestimmt leicht, in Zukunft in anderer Kleidung in diese Praxis zu kommen.“

„Ja.“

Er kommt auch tatsächlich weiterhin zu mir, allerdings nur noch in Zivil.

Als ich eingangs erwähnte, dass wir gesellschaftliche Stimmungsverschiebungen tagesaktuell bemerken, dachte ich insbesondere an die Entwicklungen des vergangenen Jahres. Die Praxis liegt im ländlichen Mecklenburg-Vorpommern und unser kleiner Ort beherbergt seit etwa einem Jahr eine Asylunterkunft, in der etwa 120 Leute untergebracht sind. Dem voraus ging eine monatelange Diskussion in der Bevölkerung, die selbstredend auch ihren Niederschlag in der Sprechstunde fand.

Gut erinnere ich mich noch an den Patienten, der auf meine Frage, ob seine Beschwerden bei Belastungen verstärkt auftreten, antwortete: „Gestern hab ich hinten am Grundstück eine Wildkamera aufgehängt, weil die ja bald kommen, da war alles gut. Man weiß ja nie, wenn die da sind, da will vielleicht doch mal der eine oder andere über die Mauer.“

Ich wusste, dass in der Vergangenheit bereits ähnliche Einrichtungen im Ort geräuschlos existiert hatten und fragte direkt nach:

„Haben Sie denn damals solche Erfahrungen gemacht?“

„Ja, nein, damals nicht.“

„Warum denken Sie denn, dass es jetzt solche Probleme geben könnte?“

Eine richtige Antwort darauf bekam ich nicht.

Bezeichnenderweise wurde die Verunsicherung deutlich weniger, als die Unterkunft dann tatsächlich bezogen wurde, ohne dass es zu einem wie auch immer gearteten Verfall der öffentlichen Ordnung gekommen wäre. Im Gegenteil: Viele Einwohner waren bereit, die Einrichtung mit Sachspenden zu unterstützen.

Offene Anfeindungen blieben also weitgehend aus; was es jedoch weiterhin gab und gibt sind mehr oder weniger subtile Bemerkungen, darunter der Klassiker: „Die bekommen alles und wir müssen zusehen, wo wir bleiben.“

Leben in der Solidargemeinschaft

Glücklicherweise sitze ich bei Äußerungen dieser Art in einer guten Position und habe es mir zur Angewohnheit gemacht, routiniert die Verordnungssoftware zu öffnen und denjenigen, die so reden, vorzurechnen, was ihre Medikamente kosten würden, wenn nicht die Solidargemeinschaft in Form der Gesetzlichen Krankenversicherungen dafür aufkommen würde. Häufig sind das mehrere hundert Euro im Monat, mitunter auch deutlich mehr. In der Regel ist zumindest dieser Teil des Gesprächs dann beendet.

Auch beliebt, gerade nach stationären Aufenthalten, ist Empörung über die dortigen ethnischen Verhältnisse:

„Da arbeiten ja nur noch Ausländer.“

„Ja, stellen Sie sich vor, wenn die nicht mehr da wären, würde dort niemand mehr arbeiten.“

Schon öfter kam es vor, dass das Gespräch daraufhin eine völlig andere Richtung nimmt und am Ende die Feststellung steht, wie abhängig wir als Gesellschaft mittlerweile von Migration und guter Integration sind.

Warum mache ich das eigentlich? Ich könnte auch einfach Rezepte ausstellen und den Mund halten. Aber: Ich bin davon überzeugt, dass wir bei denen, die für (rechts-)populistische Botschaften allzu empfänglich sind, etwas bewegen können, wenn wir an den entscheidenden Punkten einhaken, Widersprüche aufzeigen und die richtigen Fragen stellen. Nicht um zu bekehren oder gar auszugrenzen, sondern um im besten Fall das Ressentiment als das zu entlarven, was es ist: irrational.

 

Wie findet ihr das Vorgehen von Malte? Habt ihr bereits ähnliche Situationen erlebt? Wie geht ihr im Alltag mit extremistischen Haltungen um? Ignorieren? Ansprechen? Mal so, mal so? Schreibt mir eure Gedanken gern in die Kommentare zu diesem Beitrag. Wenn euch der Text gefallen hat, wäre es toll, wenn ihr ihn in den sozialen Netzwerken teilt!

 

 

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