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Heiligkeit sollte man möglichst vermeiden

George Orwell, ein Gigant. Warum wir den eigenwilligen Linken und Meister des „einfachen Stils“ unbedingt wieder entdecken sollten. Teil 1 eines biografisch-literarischen Großessays.

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Unlängst stand ich am Tresen des Wiener Schauspielhauses mit ein paar Bekannten, davor hatte ich das Stück „Faarm Animaal“ von Tomas Schweigen gesehen, eine famose Improvisation über George Orwells „Animal Farm“, die die berühmte Parabel in eine Allegorie über die Conditio Humana umformt, grob gesprochen handelt die Inszenierung von einer Selbsterfahrungsgruppe, in der sich sofort Privilegierungen, Hierarchie, Mobbing, Vermachtung einschleichen, mitsamt aller Scheußlichkeiten wie Demütigungsritualen, die sich zu allen Überdruss als Übungen in einfühlender Sprache und Achtsamkeit tarnen, mit dem Schuss Passivaggression, die heute zum guten Ton gehört. 

Irgendwann sagte ich so salopp dahin, ich fände es traurig, dass Orwell heute primär wegen seiner zwei schwächsten Bücher berühmt ist – „Animal Farm“ und „1984“ –, während der Großteil der Schriften dieses Giganten zu sehr in Vergessenheit geraten ist. Ich erntete ein erstauntes „Ach, wirklich?“, und es hätte mich nicht wundern dürfen, denn wer kennt schon relevante Teile von Orwells Werk abseits der beiden berühmtesten Bücher? Nun, legen sie meine Worte bitte nicht zu sehr auf die Waagschale, vielleicht ist es auch übertrieben, diese beiden dystopischen Erzählungen gleich Orwells „schlechteste Bücher“ zu nennen, vielleicht haben die auch nur wenig in mir zum Klingen gebracht, einerseits, weil man bei Klassikern dieser Art ja schon vor dem Lesen weiß, was drin steht, andererseits weil ich sie seit meiner Schulzeit auch als „Jugendliteratur“ im Kopf abgespeichert habe, ich mir möglicherweise eine gewisse Voreingenommenheit in irgendwelche Synapsenverschaltungen eingelagert habe, die man dann hinterher nicht los kriegt. Andererseits habe ich immer Orwell gelesen, auch in meiner Jugend, über „Mein Katalonien“ („Homage to Catalonia“) habe ich sogar in Englisch abituriert. Ist auch schon eine geraume Weile her. 

Ich habe an Orwell immer seine Präzision bewundert, seine Schonungslosigkeit, seine absolute Ehrlichkeit gegenüber dem Material, das er vorfand - also der Wirklichkeit -, und vor allem seinen sprachlichen Stil, den Stil der Einfachheit, wie er politische Themen in Romanen, Reportagen, in Essays und Kommentaren immer auch in eine Kunstform verwandelt hat. Das soll nicht vermessen klingen: Aber als politischer Autor fühlte ich mich ihm immer verwandt, und würde das jetzt nicht wieder zu pathetisch klingen, würde ich sagen, er war mir immer ein Vorbild und Lehrmeister, so wie mir das scharfe Florett von Kurt Tucholsky, der polemische Schwung von Karl Marx, die intellektuelle Wachheit und apodiktische Meinungsstärke von Susan Sontag stets etwas waren, dem ich mit meinen bescheidenen Mitteln nacheiferte. Man nimmt, wenn man nicht bloß schreiben, sondern besser schreiben will, Maß an den Großen, versucht sich an ihnen zu modellieren. Alles andere wäre ja auch absurd: Man misst sich ja nicht mit Zwergen, wenn man etwas lernen will.

Wenn es mir stets ein Anliegen ist, auch über komplexe Thematiken so zu schreiben, dass jede/r das verstehen kann, dann hat das auch mit dem Modell Orwell zu tun.

Orwell „verwandelte das Schreiben über Politik und andere Gegenstände zu einer Kunst und vererbte uns eine der glänzendsten intellektuellen und literarischen Hinterlassenschaften der modernen Zeit“, schreibt Peter Stansky in dem gerade eben erschienenen kleinen Büchlein „The Socialist Patriot. George Orwell and War“. Dabei war Orwell keineswegs fehlerfrei. Er war sehr lange Zeit eher politisch naiv, teilte manche bigotten Ansichten und Vorurteile, seine tagespolitischen Urteile wechselte er gelegentlich quasi im Handumdrehen und seine Meinungen etwa zur Frauenbefreiung waren hinterwäldlerisch. Er war ein traditioneller „Englishman“ mit vielen der dazugehörigen geistigen Konventionen, und noch als sozialistischer Revolutionär galt für ihn, wie das einmal ein Freund formulierte: „Wie die meisten ‚Rebellen‘ hing er an dem, wogegen er rebellierte“. 

Geboren wurde Orwell als Eric Arthur Blair im heutigen Indien als Sohn eines Kolonialbeamten. Er wuchs in England auf, diente als junger Mann später selbst als Polizeibeamter in der Kolonialverwaltung in Burma. Dabei war er Teil des imperialen Unterdrückungssystems, lernte dabei aber zweierlei Lektionen. Dass das imperiale System ungerecht ist, das System aber auch droht, „ihn zu brutalisieren“ (so Orwell-Biograf Michael Shelden). Mit 24 Jahren quittierte er den Dienst und ging nach England zurück, und lebte fortan als freier Schriftsteller. Er schrieb Erzählungen, Essays, Reportagen, Kritiken und literarische Formen, die man heute wohl auch unter dem Begriff der „autofiktionalen Schreibweise“ katalogisieren würde. Viele kurze Texte und mittellange Essays gehören zu den beeindruckendsten Arbeiten zeitdiagnostischer Literatur. Dabei knallte Orwell immer wieder, worüber es auch immer gehen mochte, so richtige packende Zeilen raus, wie etwa: 

Heilige sollte man immer für schuldig halten, solange nicht ihre Unschuld bewiesen ist. 

Zweifellos sind Alkohol, Tabak usw. Dinge, die ein Heiliger meiden sollte, aber auch die Heiligkeit ist etwas, was menschliche Wesen vermeiden sollten. 

Im großen und ganzen wollen die Menschen gut sein, aber nicht allzu sehr und auch nicht immer. 

In der linken Literatur wird viel mit dem Feuer gespielt, von Leuten, die nicht einmal wissen, dass Feuer brennt. 

In allen Gesellschaften müssen die normalen Leute bis zu einem gewissen Grad gegen die herrschende Ordnung leben. 

Ich glaube, dass alles, was übermäßig seltsam ist, mich letzten Endes fasziniert, auch wenn ich es verabscheue. 

Eine der Schlüsselerfahrungen von Orwell war sicherlich seine Beteiligung am Spanischen Bürgerkrieg von Dezember 1936 bis zum Juni 1937, wo er in einer der Milizen der trotzkoiden, jedenfalls undogmatisch-kommunistischen POUM („Partido Obrero de Unificación Marxista“) gegen die Faschisten kämpfte, in die Mühlen des Stalinismus geriet, und später durch einen Halsdurchschuss beinahe getötet wurde. Schon vor seinem Reise nach Spanien hatte sich Orwells linke und sozialistische politische Gesinnung nach und nach ausgeprägt. So recherchierte er in den dreißiger Jahren unter dem Eindruck der Großen Depression und der um sich greifenden Massenarmut in den nordenglischen Industrierevieren, was in dem fantastischen Buch „Der Weg nach Wighan Pier“ kulminierte, ein Text, den er unmittelbar vor seiner Abreise nach Spanien fertigstellte. 

Orwell begab sich in die Kohlereviere, lebte mit den Bergleuten und ihren Familien zusammen, setzt sich selbst der schweren Arbeit aus und taucht in die von Armut geprägte Welt der arbeitenden Klassen ein, so wie er es zuvor schon in der Welt der Tramps, Streuner und Obdachlosen getan hat (in seinem Buch „Erledigt in Paris und London“).

So ist es mit allen Formen körperlicher Arbeit: sie erhalten uns am Leben, und wir ignorieren ihre Existenz. Vielleicht kann der Bergmann mehr als jeder andere als Typus des Arbeiters gelten, nicht nur weil seine Arbeit so übermäßig schrecklich, sondern auch weil sie so lebensnotwendig und doch unserer Erfahrung so fremd ist, so unsichtbar gewissermaßen, dass wir sie vergessen können, so wie wir vergessen, dass Blut in unseren Adern fließt. In gewissem Sinn ist es sogar demütigend, Bergleuten bei der Arbeit zuzusehen. Es lässt in einem einen augenblicklichen Zweifel an der eigenen Stellung als ‚Intellektueller‘ und als Bessergestellter überhaupt entstehen (...) dass die Bessergestellten nur deshalb bessergestellt bleiben, weil sich die Bergläute die Gedärme aus dem Leib schwitzen. Sie und ich und der Herausgeber des Times Literary Supplement und die Schöngeister und der Erzbischof von Canterbury und der Genosse X, Verfasser von Marxismus für Minderjährige – wir alle verdanken unsern verhältnismäßig anständigen Lebensstandard armen Teufeln unter Tage, die, schwarz bis an die Augen und die Kehlen voll Kohlestaub... ihre Schaufeln vorwärtsstoßen.

Was Orwell an dieser wie auch an vielen anderen Stellen seines Schreibens zeigt, ist eine beträchtliche Empathie, ein Einfühlungsvermögen, das nicht bloß von einem großen Herz für die einfachen Leute zeugt, sondern auch von einem wachen Instinkt für Gefühle und Empfindungen, für Werte und Instinkte von Menschen, die anders sind als er selber, die vielleicht auch anders sind, als man durch oberflächliche Annahmen erwarten würde. So entdeckte er, dass gerade die Elenden, die Arbeitslosen und die Ausgebeuteten, sich so manchen Luxusartikel gönnen, sich dafür aber das Essen vom Mund absparen. 

„Aber sie senken ihre Ansprüche nicht unbedingt in dem Sinn, dass sie auf Luxusartikel verzichten... öfter ist es umgekehrt – und natürlicher, wenn man es sich recht überlegt. (...) Man hat vielleicht nur drei Halfpence in der Tasche, überhaupt keine Zukunftsaussichten und als Zuhause nur eine Ecke in einem undichten Schlafzimmer; aber man kann in seinen neuen Kleidern an der Straßenecke stehen und sich in einem privaten Tagtraum als Clark Gable oder Greta Garbo vorkommen, was einen für eine ganze Menge entschädigt.

Große Teile der Arbeiterklasse sind aller Dinge, die sie wirklich brauchen, beraubt und werden dafür mit billigen Luxusartikeln teilweise entschädigt, die an der Oberfläche des Lebens etwas Milderung bringen. 

So beschreibt er auch die feinen Unterschiede und das Empfinden für Hierarchien innerhalb der unteren Klassen, etwa wie sich die unteren Mittelschichten und die Arbeiterklasse von den Armen abgrenzt: 

Eine schäbig-vornehme Familie ist ein einer ganz ähnlichen Situation wie eine Familie von "poor whites" in einer Straße, wo alle andern Neger sind. Unter solchen Umständen muss man an seiner Vornehmheit festhalten, denn sie ist das einzige, was man hat, und gleichzeitig wird man wegen seiner Hochnäsigkeit und seinem Akzent und seinen Manieren gehasst. 

„Jeder leere Magen ist ein Argument für den Sozialismus“, erklärt Orwell, und wenn er eine empathische Zugewandtheit zu den arbeitenden Klassen hat, so romantisiert er weder ihre Lebensweisen noch die Verheerungen der Seelen oder auch die Engstirnigkeit, die in diesen Milieus auch grassieren: „Es ist schade“, schreibt er lakonisch, „dass diejenigen, die die Arbeiterklasse idealisieren, es so oft für nötig halten, alles Charakteristische an ihr zu loben, und deshalb so tun, als sei Schmutzigkeit selbst irgendwie etwas Verdienstvolles.“

Für den gewöhnlichen Arbeiter ... bedeutet Sozialismus nicht viel mehr als bessere Löhne und kürzere Schichten und niemanden, der einen herumkommandiert. 

In einem zweiten großen Teil des Buches fragt Orwell, warum der Sozialismus angesichts der beklagenswerten Umstände und seinem leuchtenden Zukunftsversprechen denn eigentlich nicht populärer sei. Gewiss ist die fatalistische Grundhaltung, die auch durch die Propaganda der Herrschenden geschürt wird – dass sich nämlich sowieso nie etwas ändern werde –, hierfür ein wichtiger Grund, aber es liege auch am Sozialismus selbst. Er habe nicht selten „etwas Abstoßendes“, etwas, „das genau die Leute vertreibt, die sich zu seiner Unterstützung zusammentun sollten“. 

Wenn man diese Abneigung beseitigen will, muss man sie verstehen, und das heißt, dass man sich in den gewöhnlichen Gegner des Sozialismus hineinversetzen oder zumindest seinen Standpunkt mit Teilnahme betrachten muss. ... Deshalb ist es zur Verteidigung des Sozialismus paradoxerweise notwendig, ihn zunächst anzugreifen.

In der Folge schreibt Orwell eine hinreißende Darstellung und Charakterisierung linker Typen und Parteiphänomene, wie sie bis heute nicht wirklich an Trefflichkeit verloren haben. Vielleicht wurden manche alte Eigenartigkeiten durch neue Eigenartigkeiten ersetzt, aber dem Wiedererkennungseffekt tut das wohl nur wenig Abbruch. 

„Wie bei den Christen sind beim Sozialismus seine Anhänger die schlechteste Reklame“, schreibt Orwell. Der typische Sozialist ist ein doktrinärer Typ, der davon redet, dass die Untersten endlich zu den Obersten werden müssten oder die vollständige soziale Gleichheit erstrebt werden sollte, der aber „mit einer sozialen Stellung“ ausgestattet ist, „die er keineswegs auf Spiel setzten will“.

Dazu kommt noch die schreckliche – die wirklich beunruhigende – Häufigkeit verdrehter Typen, wo immer Sozialisten versammelt sind. Manchmal bekommt man den Eindruck, dass die bloßen Worte „Sozialismus“ und „Kommunismus“ mit magnetischer Kraft jeden Fruchtsaftapostel, Nudisten, Sandalenträger, Sexverrückten, Quäker, „Naturheil“-Pfuscher, Pazifisten und Feministen in England wie magisch an sich ziehen.

Okay, über die „Feministen“ in dieser Aufzählung wollen wir hinwegsehen, die verdanken ihr Vorkommen in dieser Liste den bereits erwähnten eigenen  Vorurteilen Orwells, aber mit der Aufzählung der Orwellschen Phänotypen kann man problemlos halbe Querdenkerdemos oder antiimperialistische Praterfeste füllen. Doch weiter:

Widerlich ist auch zu sehen, wie die meisten Mittelstandssozialisten, die sich theoretisch nach einer klassenlosen Gesellschaft sehnen, wie Leim an den elenden Überresten ihres sozialen Prestiges kleben. 

Zudem ist der Fachjargon der Kommunisten von der gewöhnlichen gesprochen Sprache so weit entfernt wie die Sprache eines mathematischen Lehrbuchs. 

Manchmal schaue ich einen Sozialisten an – den intellektuellen, Traktate verfassenden Typ, mit seinem Pullover, dem wirren Haar und den Marx Zitaten – und frage mich, was zum Teufel wirklich sein Motiv ist. 

All dieser Figuren und den charakteristischen Erscheinungsformen sozialistischer Parteiorganisationen verdanke sich also der Umstand, dass die

allgemeine Vorstellung vom Sozialismus von der Vorstellung gefärbt ist, ein Sozialist sei ein langweiliger oder unangenehmer Mensch. ... Der gewöhnliche Mann schreckt nicht unbedingt vor einer Diktatur des Proletariats zurück, wenn man sie ihm diskret anbiete; bieten Sie ihm eine Diktatur von Tugendaposteln an, und er rüstet sich zum Kampf.

Gewiss sei 

das dem Sozialismus zugrunde liegende Ideal: Gerechtigkeit und Freiheit. Aber die Bezeichnung ‚zugrunde liegend‘ geht daneben. Das Ideal ist völlig vergessen. Es ist unter Schicht um Schicht doktrinärer Besserwisserei, Parteigezänk und halbbackener „Progressivität“ begraben worden.

Sogar das bloße Wort "Genosse" hat sein dreckiges kleines bisschen zur Diskreditierung der sozialistischen Bewegung beigetragen

Die instinktive, intuitive Abneigung vieler Leute gegen den Begriff liege durchaus 

richtig, denn worin liegt der Sinn einer lächerlichen Etikette, die man sogar nach langem Üben kaum ohne ein beschämtes Schlucken herausbringt? 

Ich denke, dass Orwell damit keineswegs falsch lag und das doktrinäre Getue, die arrogante Besserwisserei und der Gestus der Herablassung, mit der manche Linke auf ihre Zeitgenossen auch heute oft einwirken, leistet keinen kleinen Beitrag zur bescheidenen Erfolgsbilanz heutiger Weltverbesserungsbestrebungen. Das Erstaunliche ist ja, dass manche das nicht einmal merken. Aber auch dafür hat Orwell eine Erklärung: „Um zu sehen, was vor der eigenen Nase ist, bedarf es ständiger Anstrengung.“ Gerade das Offensichtlichste ist häufig das Unerkennbarste. Menschen sind in ihre Ansichten, Meinungen, Ideen und auch ihre Vorstellungen von Richtig und Falsch dermaßen selbst verstrickt, dass sie sich schon deshalb schwertun können, noch genug Wahrnehmungsvermögen zu entwickeln, das nötig ist, um einigermaßen zu begreifen, wie das eigene Verhalten auf andere wirkt. Und selbst wenn man eine Ahnung davon hat, dann verdrängt man sie, vor allem würde man sie nicht laut sagen, denn die Erörterung eigener Schwächen könnte ja schließlich dem Feind in die Hände spielen und ein Gespür für die Ambivalenzen des eigenen Tuns die entschiedene Schneidigkeit untergraben.

Auch deshalb blieb Orwell immer ein Solitär und Fall für sich, auch wenn er zeitweise in einem Parteiverbund agierte – innerhalb der kleinen linken „Independent Labour Party“ und, wie erwähnt, der spanischen POUM. „Ein moderner, literarischer Intellektueller lebt und arbeitet in einem Zustand ständiger Angst, nicht so sehr in Hinblick auf die öffentliche Meinung im weiteren Sinne, als auf die herrschende Meinung innerhalb seiner eigenen Gruppe“, bemerkte er einmal. Nicht die Feigheit vor dem Feind schreckte ihn, sondern die Feigheit vor dem Freund, also die Gefahr, den eigenen Leuten bittere Wahrheiten zu ersparen, einer gut gemeinten Gruppensolidarität wegen. Das ist Gift, damit fängt die geistige Korrumpierung an, er nannte es eine „Zauber- oder Beschwörungsformel zur Unterdrückung unbequemer Wahrheiten“. 

So schrieb Orwell: „Vom Gefühl her bin ich eindeutig ein ‚Linker‘, ich glaube aber, dass ein Schriftsteller nur ehrlich bleiben kann, wenn er sich kein Parteietikett verpassen lässt.“

  •  Ende Teil 1 

Ich denke, sie haben womöglich schon eine Ahnung davon bekommen, was mich an George Orwell seit jeher fesselt. Kommende Woche in Teil 2 geht es dann weiter mit Orwell in Katalonien, im Zweiten Weltkrieg und im Kalten Krieg und mit seinen Kritik an der Leblosigkeit und Schlampigkeit der politischen Sprache (und wesentlich: des politischen Schreibens), der Lüge und des korrumpierten Denkens. „In unserer Zeit ist es weitgehend wahr, dass das politische Schreiben schlechtes Schreiben ist.“

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