CDU-SPD-Verhandlungen für Fußgänger

Viele zum Teil befremdliche Kommentare machen wohl eine Einordnung nötig.
Deutschland hat seit 2009 eine Schuldenbremse. Weder Bund noch Länder dürfen neue Schulden machen. Sie steht in der Verfassung. Soll sie geändert werden, muss das mit einer Zwei-Drittel-Mehrheit im Bundestag geschehen.
Die CDU und die SPD werden mit hoher Wahrscheinlichkeit die nächste Regierung stellen. Dazu wird es Verhandlungen über eine Koalition geben. Um diese Verhandlungen geht es hier aber nicht!
Der alte Bundestag ist bis zum 25. März im Amt. Bis dahin können in der alten Sitzverteilung Dinge beschlossen werden.
Deshalb verhandeln SPD und CDU, was sie gemeinsam noch bis dahin schnell durchbringen können. Mit den Stimmen der Grünen kämen sie auf eine Zwei-Drittel-Mehrheit, um die Verfassung zu ändern. Sie haben die Grünen aber gar nicht gefragt. Das beginnt erst jetzt gerade.
Die Medien trennen diese beiden Verhandlungen nicht deutlich.
In der Zusammensetzung des kommenden Bundestages wird man das nicht mehr machen können, weil man dann die Stimmen der Linken und der AfD bräuchte, um auf zwei Drittel zu kommen. („Sperrminorität“ = blockierende Minderheit)
CDU und SPD haben sich auf zwei Dinge geeinigt. Das sind also nur Vorschläge, die bis zum 25. März beschlossen werden müssten.
Ein „Verteidigungs-Paket“ und ein „Infrastruktur-Paket“. Beides wären Verfassungsänderungen.
Das „Verteidigungs-Paket“
Das „Verteidigungs-Paket“ sieht vor, dass die Schuldenbremse für Verteidigung gelockert wird.
Alles bis 40 Milliarden Mehrausgaben pro Jahr, als eh im Topf sind, dürfte durch neue Schulden finanziert werden.
Das bedeutet zwei Dinge:
Erstens ist das ziemlich genau das, was Habeck von den Grünen vor Wochen schon vorgeschlagen hat. Die beiden Parteien diskutieren jetzt, kurz nach der Wahl, also etwas, was eigentlich auf dem Mist der Grünen gewachsen ist.
Zweitens ist Vorgabe der NATO, dass jedes Mitglied mindestens 2% des Bruttoinlandproduktes für Verteidigung ausgeben muss. Deutschland hält sich seit 1991 nicht daran. Die SPD und die CDU wollen das aber auch weiterhin nicht ändern, obwohl sie in ihren Programmen für eine stärkere Verteidigung geworben haben. Sondern sie wollen das über Schulden finanzieren, um anderen Bereichen nichts wegzunehmen.
Das „Infrastruktur-Paket“
Das „Infrastruktur-Paket“ sieht vor, dass über 10 Jahre hinweg 500 Milliarden für „Infrastruktur“ ausgegeben werden. Das will man über Kredite finanzieren, also auch mehr Schulden.
Das wäre von vornherein zugesichert (!) also sogar mehr, als für die Verteidigung ausgegeben werden könnte.
Die CDU und die SPD haben diese beiden „Pakete“ in einem Vorschlag miteinander verknüpft.
Dafür gibt es inhaltlich keinen Grund.
Meine persönliche Interpretation (!) ist, dass man in der öffentlichen Wahrnehmung den Eindruck vermitteln will, bei dem „Infrastruktur-Paket“ ginge es um die für die Verteidigung nötige Infrastruktur. Da die deutliche Mehrheit der Deutschen – und alle Parteien mit Ausnahme der Linken – grundsätzlich dafür sind, setzt man damit den Grünen die Pistole auf die Brust. Weil die zum Buhmann werden, wenn sie dem nicht zustimmen.
Genau das passiert jetzt gerade, denn die Grünen haben gesagt, dass sie dem Vorschlag nicht zustimmen würden. So kämen die „Pakete“ bei einer Abstimmung nicht auf die nötige Zwei-Drittel-Mehrheit.
Die Grünen haben aber gestern deutlich gemacht, dass sie nur dem „Infrastruktur-Paket“ nicht zustimmen. Und dass sie einen eigenen Vorschlag für eine Gesetzesänderung vorlegen werden, den sie vorgestern Abend bereits beschlossen haben.
Das Problem
Das Problem ist, dass dieses „Infrastruktur-Paket“ auch scheinbare Investitionen vorsieht, die gar nichts mit der Verteidigung zu tun haben. Sondern mit „insbesondere Zivil- und Bevölkerungsschutz, Verkehrsinfrastruktur, Krankenhaus-Investitionen, Investitionen in die Energieinfrastruktur, in die Bildungs-, Betreuungs- und Wissenschaftsinfrastruktur, in Forschung und Entwicklung und Digitalisierung“. (Quelle: Homepage CDU)
Die Reihenfolge der Aufzählung entspricht nicht dem tatsächlichen Anteil an Investitionen. Die auch noch gar nicht so genau geregelt sind. Nicht sein können. Es wäre ein Freifahrtschein.
Deshalb sprechen die Grünen von „Spielgeld“ und viele von „Wahlgeschenken“. Weil diese Formulierung der neuen Regierung erlauben würde, zehn Jahre lang Schulden für sehr viele Dinge zu machen, die sie gerade wollen.
Natürlich werden überall Investitionen benötigt. Vor allem die rechte und damit wirtschaftsfreundliche CDU hat das ihren Wählern versprochen. („Wahlgeschenke“)
Diese Formulierung würde es aber beispielsweise möglich machen, neue Schulden für Schulen aufzunehmen, obwohl das eigentlich Ländersache ist, neue Kraftwerke zu bauen oder vor allem Rahmenverträge an die Wirtschaft für Baumaßnahmen zu vergeben.
Fehlgeleitete Argumente
Häufig habe ich gelesen, die Infrastruktur müsse für die Verteidigung stimmen. Denn irgendwie müssten „die Panzer“ ja an die Front kommen.
Panzer fahren auch durch Schlamm und einige können sogar schwimmen.
Aber wenn die NATO oder Europa angegriffen würden, wäre die Front gar nicht hier. Sondern in den baltischen Staaten, Polen, Finnland oder sonst wo. Und dort Panzer hinzubekommen hat nichts mit deutschen Brücken zu tun. Das würde über die Luft oder die Schiene laufen. Und in dem Fall würden zivile Züge zur Not gestoppt.
Ich halte solche Argumente für ein Zeichen, dass die Kopplung von „Infrastruktur“ und „Verteidigung“ gelungen ist, da Politik und Medien das nicht für Normalsterbliche erklären.
Deshalb gehen wieder einmal tausende Kommentare steil, weil alle einen anderen Wissensstand haben, sie die Nachrichten nicht verstehen oder richtig verfolgen und eher die Meinung über die CDU, SPD oder die Grünen argumentiert wird, weil die Fakten bereits fehlen.
Titelbild: Sondierungsgespräche im Bundeskanzleramt zwischen der CDU- und SPD-Spitze, 05.03.2025